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Trinkwasser in Gefahr

Guatemala: Ölbohrungen im Nationalpark bedrohen Süßwasserreservoir

Von Benjamin Beutler *

Trotz Kritik renommierter Umweltinstitute verlängerte die guatemaltekische Regierung im Sommer diesen Jahres die Ölbohrlizenzen im Nationalpark »Laguna del Tigre«. Widerstand wird unter dem Deckmantel der Drogenbekämpfung militärisch unterdrückt.

»Laguna del Tigre« liegt im Norden Guatemalas, einer von vier Nationalparks im weitläufigen Biosphärenreservat »Reserva de la Biósfera Maya« (RBM). Das Panorama ist atemberaubend - mehr als 300 tropische Seen und 14 Ökosysteme, in denen sich Brüllaffen, Jaguare und Puma neben Tabascoschildkröten und Tapiren tummeln. Das Süßwasser-Moorgebiet ist das zweitgrößte Trinkwasserreservoir Lateinamerikas. Eines der bedeutendsten Feuchtbiotope auf dem ganzen Kontinent sichert die Existenz von Mensch und Natur. Über 289 912 Hektar erstreckt sich die »Laguna del Tigre«.

Mit der Idylle ist es aber längst vorbei. Seit 1985 fördert der britisch-französische Ölkonzern Perenco (bis 2001 Basic Resources) hier Öl. Mehr als 20 Fördertürme bohren sich seitdem in die Erde. Dieses Jahr lief die Förderlizenz für den französischen Multi aus, der Vertrag war auf 25 Jahre begrenzt. Hoffnung kam jetzt unter den Anwohnern auf. Mit Unterstützung von Umweltgruppen machten sie sich für sanften Ökotourismus stark, zogen vor Gericht und auf die Straße. Schon zwei Menschenleben kostete ihr Protest.

Dennoch verlängerte die Regierung von Präsident Álvaro Colom die Lizenz im Juli 2010 um weitere 15 Jahre. Der Widerstand wird unter dem Banner des »Kampfes gegen die Drogen« mit Soldaten und Polizisten niedergehalten. »In der Laguna del Tigre gibt es einen beeindruckenden Friedhof alter Flugzeuge, die von den Narcos benutzt wurden«, rechtfertigt der Präsident den jüngst beschlossenen Bau von vier Militärstützpunkten.

Perenco bezahlt für die Ruhe, finanziert die Stationierung eines ganzen Bataillons nahe des Ölfeldes Xan. Pro gefördertes Barrel wolle das Unternehmen 0,30 US-Dollar für die Kosten von Soldaten und Kasernenbau zahlen. Für die Umwelt ist weniger Geld da: pro Barrel gerade mal 0,10 US-Dollar für Wiederaufforstung. 0,15 US-Dollar bekommen die regionalen Präfekturen für »Umweltprojekte«. 13 Millionen US-Dollar »spendete« das Unternehmen mit Bohrlizenzen von Irak, Kurdistan bis Peru für Schäden, die der Wirbelsturm Agatha und der Vulkanausbruch von Pacaya angerichtet hatte.

Guatemala hängt längst am Tropf der Erdölindustrie. Der Vertrag mit Perenco sichert 98 Prozent der guatemaltekischen Staatseinnahmen aus der Erdölförderung, von 2002 bis 2009 spülten sie sieben Milliarden Quetzales (etwa 700 Millionen Euro) in die Staatskasse, so Bergbau- und Energieminister Carlos. Dass Colóm mit dem »Krieg gegen die Drogen« Ängste schürt, scheint angesichts der öffentlichen Stimmung gegen die Ölförderung nicht zu verwundern. Über 80 Prozent der Bevölkerung sind gegen den Raubbau in der grünen Lunge Lateinamerikas.

* Aus: Neues Deutschland, 27. September 2010


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