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Rechte in Stichwahl

Guatemala: Keine Entscheidung in erstem Wahldurchgang

Von Andreas Knobloch *

Die Präsidentenwahl in Guatemala wird in einer Stichwahl entschieden. Im ersten Wahlgang am Sonntag verpaßte der frühere General Otto Pérez Molina von der rechten Patriotischen Partei (PP) mit 36 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit klar. Auf dem zweiten Platz landete der Anwalt und millionenschwere Unternehmer Manuel Baldizón von der ebenfalls rechtsgerichteten Partei Erneuerte Demokratische Freiheit (LIDER) mit 23 Prozent. Für Eduardo Suger von der rechtsliberalen Partei Verpflichtung, Erneuerung und Ordnung (CREO) votierten 16 Prozent.

Trotz des relativ klaren Vorsprungs muß sich das Ergebnis für Pérez Molina wie eine Niederlage anfühlen. Letzte Umfragen hatten ihn bei 48 Prozent gesehen; selbst ein Sieg im ersten Wahlgang schien im Bereich des Möglichen. »Die Bevölkerung von Guatemala möchte diese Wahlen bereits im ersten Durchgang beenden«, hatte er behauptet. Nun aber kommt es zu einer zweiten Wahlrunde am 6. November zwischen Pérez Molina und Baldizón.

Die hohe Wahlbeteiligung führte zur Verzögerungen bei der Auszählung, so daß das offizielle Endergebnis erst im Laufe des Montags bekanntgegeben wurde. Nach Schließung der Wahllokale um 18 Uhr Sonntag Ortszeit warteten noch viele Menschen auf ihre Stimmenabgabe. Mehr als 22000 Polizisten sorgten am Wahltag für Sicherheit. Wahlbeobachter verzeichneten dennoch eine Reihe von Unregelmäßigkeiten. So wurden in der Gemeinde Xejuyup ein Wahllokal geschlossen, nachdem dort Wahlzettel verbrannt und Personal der Obersten Wahlbehörde behindert worden war. Insgesamt gingen mehr als einhundert Beschwerden über Stimmenkauf und unzulässige Propaganda bei der Wahlbehörde ein. Diese sprach dennoch von einem erfolgreichen Wahlgang. Die Guatemalteken waren aufgerufen, neben einem neuen Präsidenten 158 Kongreßabgeordnete sowie Hunderte Bürgermeister neu zu wählen.

Um die Nachfolge von Álvaro Colom, den ersten Sozialdemokraten im Präsidentenamt seit einem halben Jahrhundert, hatten sich zehn Kandidaten beworben. Nachdem das Verfassungsgericht der früheren First Lady Sandra Torres die Kandidatur verweigert hatte, blieb die Regierungspartei ohne eigenen Kandidaten. Überhaupt trat nur eine linke Kandidatin an. Die Indigene und Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú erzielte aber nur 3,3 Prozent der Stimme.

So wird sich in Zukunft die Rechte um die Lösung der vielen Probleme des Landes bemühen. Drei Viertel der Bevölkerung Guatemalas leben in Armut, die Drogenkartelle kontrollieren weite Teile des Staates. Guatemala ist Teil jener Route, über die 90 Prozent des in den USA konsumierten Kokains transportiert wird. Einschüchterung und Korruption stehen auf der Tagesordnung, die Mordrate ist eine der höchsten der Welt. Staatliche Institutionen gelten bis in höchste Stellen als unterwandert. Der Staat sei dabei, sich in einen »Narkostaat« zu verwandeln, dessen Wirtschaft von den Kartellen kontrolliert wird, warnte Noch-Präsident Colom zuletzt mehrfach.

Pérez Molinas Rezept ist Law and Order. Im Wahlkampf hat er sich als Bewunderer von Kolumbiens ehemaligem Präsidenten Álvaro Uribe zu erkennen gegeben und eine Politik der »harten Hand« angekündigt. Die Straflosigkeit solle ein Ende haben. Doch der 60jährige sieht sich Vorwürfen von Menschenrechtsgruppen gegenüber. Die von ihm befehligte Einheit soll während des Bürgerkrieges für Entführungen, Folter und Morde verantwortlich gewesen sein. Die Indigenen-Organisation Waqib Kej hat im Juli einen Brief an die UN gesandt, in dem sie Pérez Molina Menschenrechtrechtsverletzungen vorwirft.

Sein Gegner im zweiten Wahlgang, Manuel Baldzón, machte im Wahlkampf vor allem mit populistischen Äußerungen auf sich aufmerksam. So forderte der 41jährige Besitzer mehrer Hotels, Kasinos und Einkaufszentren die Wiedereinführung der Todesstrafe und die Übertragung der Hinrichtungen im Fernsehen. Zudem versprach er die Qualifikation für die Fußballweltmeisterschaft 2014 in Brasilien und eine »Neuverteilung des Reichtums«: Arbeiter sollen ein weiteres Monatsgehalt ausbezahlt bekommen.

Immerhin zwanzig Prozent hat er in den letzten Wochen auf Pérez Molina aufgeholt. Hält die Tendenz an, könnte es für den Favoriten am 6. November noch einmal eng werden. Auf seinen Konkurrenten bezogen wiederholte Baldizón: »Dies ist eine große Chance, nicht in die Vergangenheit zurückzukehren. Es wird keinen Wechsel geben, wenn dieser durch das Vergangene und durch Leute, die Unregelmäßigkeiten begangen haben, repräsentiert wird.«

* Aus: junge Welt, 15. September 2011


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