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Guatemala kehrt zur Todesstrafe zurück

Parlament will Kriminelle abschrecken

Von Andreas Knobloch, Mexiko-Stadt *

Erst vor zwei Monaten hatte Guatemala bei den Vereinten Nationen für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe votiert. Dessen ungeachtet wurde im Kongress nun ein juristisches Schlupfloch geschlossen, das im Lande selbst den Vollzug von Todesstrafen verhinderte.

Der nicht gerade weiß gewandeten Justizgeschichte Guatemalas ist ein weiteres dunkles Kapitel hinzugefügt worden. Der Kongress votierte mit großer Mehrheit für die Wiedereinführung der Todesstrafe. Das neue Gesetz gibt dem Präsidenten des Landes wieder das Recht, über die Vollstreckung der Todesstrafe zu entscheiden, wenn der oder die Verurteilte alle Rechtswege ausgeschöpft hat.

Todesstrafe war faktisch abgeschafft

Auf Initiative der damaligen Regierung Alfonso Portillo war im Jahr 2002 dieses Recht des Präsidenten ausgesetzt und damit die Todesstrafe faktisch abgeschafft worden. Sie wurde zwar weiterhin verhängt, aber nicht mehr vollstreckt. Seitdem hatten Kongress, Exekutive und Judikative nach einer Lösung gesucht, die entstandene rechtliche Lücke zu schließen. Die scheint nun gefunden, wenn auch keineswegs eine progressive. Mit den Stimmen von 140 der 143 Anwesenden im 158 Sitze umfassenden Kongress wurde die von der früheren Regierungspartei Partido Patriota (PP -- Patriotische Partei) eingebrachte Gesetzesinitiative angenommen.

Die Parteien erhoffen sich vor allem eine abschreckende Wirkung im Kampf gegen die überbordende Kriminalität und Gewalt in Guatemala. Als einzige Partei widersetzte sich die Encuentro por Guatemala (EG) dem Votum der Abgeordneten. Die Todesstrafe werde das Problem der Gewalt nicht lösen. Nineth Montenegro und Aníbal García von der EG forderten stattdessen zu einem neuerlichen Nachdenken auf, denn »es hilft nichts, die Strafen zu verschärfen oder eine Kultur des Todes zu billigen, ohne ein funktionierendes Justizsystem und Innenministerium sowie eine effektiv arbeitende Polizei zu schaffen.«

Die Todesstrafe kann in Guatemala wegen Mordes, Hinrichtung, Entführung mit Todesfolge, Verwandtenmord und Vergewaltigung Minderjähriger unter zehn Jahren verhängt werden. Das neue Gesetz sieht vor, dass der Verurteilte nach Ausschöpfung aller Rechtswege innerhalb von 15 Tagen ein Gesuch einreichen kann, die Todesstrafe in lebenslange Haftstrafe (Höchstdauer 50 Jahre) umzuwandeln. Die Entscheidung darüber liegt dann innerhalb von 30 Tagen beim Präsidenten. Insgesamt 41 zum Tod Verurteilte warten nun auf die Vollstreckung ihrer Strafe. Sie haben ab Veröffentlichung des neuen Gesetzes einen Monat Zeit, um ein Gnadengesuch einzureichen. Präsident Álvaro Colom von der sozialdemokratischen Unidad Nacional de la Esperanza (UNE -- Nationale Einheit der Hoffnung) hatte aber bereits vorab verlauten lassen, dass er keinen von ihnen begnadigen wird, sondern sich an die »Entscheidung der Gerichte« halten werde.

Heftige Kritik von Amnesty International

Vor allem Menschenrechtsorganisationen protestieren heftig gegen die Entscheidung des Kongresses. So forderte Amnesty International (AI) Präsident Colom auf, das neue Gesetz zurückzuweisen. In einem offenen Brief wird er aufgerufen, »die Todesstrafe nicht wieder einzuführen« und stattdessen »andere effizientere und nachhaltigere Lösungen für die Krise der öffentlichen Sicherheit in Guatemala zu suchen.« Und weiter: »Die Todesstrafe ist grausam, unmenschlich und entwürdigend. Sie ist willkürlich und es ist nachgewiesen, dass sie nicht geeignet ist, Verbrechen zu reduzieren; vielmehr erzeugt sie ein Klima der Gewalt, in der Gerechtigkeit nie zur wirklichen Entfaltung kommt.«

* Aus: Neues Deutschland, 16. Februar 2008


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