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Sonnenstrom für die Sozialen Dienste

In Guatemala wird mit deutscher Hilfe in einem Hilfswerk ein Solarprojekt gestartet

Von Andreas Boueke, Guatemala-Stadt *

Seit fast einem Jahr lebt der zwanzigjährige Sebastian Beyer in dem mittelamerikanischen Land Guatemala. Dort arbeitet er als Freiwilliger im Rahmen des vom Bundesministerium für Entwicklung geförderten Programms »weltwärts«. In dem Projekt Soziale Dienste Hermano Pedro kümmert sich Sebastian Beyer um Behinderte und inzwischen auch um die Anschaffung einer großen Solaranlage.

Sebastian kennt sich aus in dem Gebäude des Hilfswerks Hermano Pedro, auch in den dunklen und abgelegenen Winkeln. »Dort hinten steht ein Generator«, sagt er und deutet auf einen rostigen Kasten. »Der schaltet sich bei Stromausfällen automatisch ein. Das kommt öfter vor.«

Sebastian ist einer von fünftausend jungen Menschen, die seit Anfang 2008 im Rahmen des »weltwärts«-Programms des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) in Entwicklungsländer gereist sind, um einen Freiwilligendienst zu leisten. Sein Projekt, das Hilfswerk in der Kolonialstadt Antigua, betreut 250 schwerstbehinderte Menschen und unterhält ein karitatives Krankenhaus.

Das BMZ stellt dem »welt- wärts«-Programm neben den Zuschüssen für die Freiwilligen auch Gelder für Begleitmaßnahmen zur Verfügung. Der technisch begabte Sebastian war begeistert, als er erfuhr, dass dem Antrag des Hilfswerks zur Finanzierung einer Solaranlage stattgegeben wurde. »Das ist super sinnvoll. In Guatemala scheint eigentlich jeden Tag die Sonne. Hier ist die Nutzung der Solarenergie besonders effektiv.«

Zielstrebig und mit großem Elan hat sich der junge Mann an der Umsetzung des Projekts beteiligt: »Wir haben zum Beispiel einen Zähler eingebaut, um zu messen, wie viel Warmwasser genutzt wird. Ich habe mehrere Tage lang jede Stunde den Wert abgelesen. Jetzt können wir besser abschätzen, wie groß die Solaranlage sein muss.«

Der Energiebedarf des Krankenhauses ist groß. Obwohl die Stromrechnung jeden Monat bei rund 4000 Euro liegt, muss außerdem noch Diesel und Gas gekauft werden. Die Kosten werden mit Spenden gedeckt, obwohl dieses Geld eigentlich dringend für die direkte Versorgung der meist mittellosen Patienten benötigt wird.

Auch Sparmaßnahmen könnten die Energiekosten reduzieren. Aber der Elektriker des Projekts, Carlos Solorsano, meint, dafür seien teure Anschaffungen nötig: »Fast alle Geräte, die wir nutzen, sind Spenden, die andernorts ausrangiert wurden. Sie haben natürlich nicht dieselbe Effizienz wie neue Apparate.«

Auf den Wunsch des Vorstands der Sozialen Dienste Hermano Pedro nach Maßnahmen zur Optimierung des Energiekonsums ist Sebastian Beyers Entsendeorganisation, das Welthaus Bielefeld, sehr gerne eingegangen. Die Lateinamerikareferentin Barbara Schütz hat beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit einen Antrag zur Finanzierung einer Solaranlage eingereicht: »Weltwärts wird immer wieder dafür kritisiert, dass das Programm eine Art Einbahnstraße ist«, sagt sie. »Den deutschen Freiwilligen wird mit Steuergeldern ein Aufenthalt im Ausland ermöglicht, der ihnen wertvolle Lebenserfahrung bringt. Was aber bleibt dem Projektpartner? Eine Antwort auf diese Frage sind die Begleitmaßnahmen. Durch sie sollen die Organisationen gestärkt werden.«

Doch auch die Begleitmaßnahmen sind umstritten. Viele Anträge wurden eilig von den Entsendeorganisationen formuliert, ohne dass die Partnerprojekte sich in die Planung einbringen konnten. In dem Fall des Solarprojekts aber ging die Initiative von den Sozialen Diensten Hermano Pedro aus.

Die ursprüngliche Idee der Anschaffung einer Solaranlage stammt von dem Projekt-Direktor, dem Franziskanermönch Giuseppe Contran. Er sagt, der Heilige Franziskus von Assisi habe ihn dazu inspiriert. »Als Franziskaner haben wir die Aufgabe, alle Menschen zu motivieren, pfleglich mit unserer Erde umzugehen und so weit wie möglich umweltschonende Energien zu nutzen, die Gott uns gegeben hat.«

Obwohl in Antigua das ganze Jahr hindurch die Sonne scheint, gibt es bisher nur wenige größere Anlagen zur solaren Wasserbeheizung. Auch für die Freiwilligenkoordinatorin des Hilfswerks, Xiomara Toledo, ist ein solches Projekt neu: »Ich kenne keine andere Organisation hier in Guatemala, die Solarenergie nutzt. Das Projekt könnte einen Modellcharakter für Nachahmer bekommen, so dass in Zukunft auch anderen sozialen Projekten mehr Mittel für die direkte Arbeit mit den bedürftigen Familien zur Verfügung steht.«

Noch gibt es in Guatemala sehr wenige Unternehmen, die groß angelegte Solarprojekte realisieren können. Der junge deutsche Elektroingenieur Norbert Bons ist vor acht Jahren ins Land gekommen. Seither hat er die Firma Casa Solar gegründet und bemüht sich darum, die Vorzüge der Solartechnologie bekannt zu machen. »Die meisten Guatemalteken kennen diese Anwendung überhaupt nicht. Immer wieder kommt die Frage: 'Was ist, wenn die Sonne nicht scheint?'' Die Anlagen können die Wärme eine gewisse Zeit lang speichern, aber die Leute haben noch sehr wenig Vertrauen in die Technologie.«

Die Realisierung der ersten Phasen des Projekts ist durch die Anschubfinanzierung aus Deutschland gesichert. Wohl schon im nächsten Jahr wird ein Drittel der Erwärmung des Wassers der Sozialen Dienste von der Sonne übernommen werden. Xiomara Toledo hofft, dass sich auch für die weiteren Phasen Geldgeber finden: »Es ist schwierig, Spenden für ein solches Projekt zu bekommen, weil viele Leute seine Bedeutung nicht verstehen. Viel einfacher ist es, Geld für Grundnahrungsmittel zu bekommen, die direkt an hungrige Familien verteilt werden.«

Der Bielefelder »weltwärts«- Freiwillige Sebastian Beyer wird seinen Dienst in Guatemala in Kürze beenden. Auf seine Beteiligung an dem Solarprojekt ist er besonders stolz: »Wir werden hier etwas zurücklassen, das auch auf Dauer Wirkung hat. Mit dem Solarprojekt haben wir etwas Größeres angestoßen, etwas das bleibt.«

* Aus: Neues Deutschland, 28. Juli 2009


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