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Lapavitsas: "Wir wollen keine Spaltung"

Linke Plattform bei SYRIZA arbeitet an "Oxi-Programm": Gegenmodell zum Bail-out soll Grexit und Bankenverstaatlichung beinhalten / Athen: Umstrittener Treuhandfonds soll "völlig andere Logik" haben als Taiped


Berlin. In der Debatte über den Kurs von SYRIZA will die Linke Plattform nun einen eigenen Strategieentwurf vorlegen. Man arbeite »an einem politischen Programm«, sagte der Abgeordnete Costas Lapavitsas mit Blick auf den Ausgang des Referendums in Griechenland Anfang Juli, »das das ›Nein‹ in ein entschiedene politische Stimme für die kommende Periode verwandelt«. Man wolle »sicherlich keine Spaltung«, sagte er dem »Tagesspiegel«. Die »einzige wirkliche Opposition« gegen die Schulden-Programm gebe es »innerhalb von SYRIZA«.

Die Linke Plattform will erreichen, »dass die Partei zu ihren Prinzipien zurückkehrt«. Es gehe um »ein Wirtschaftsprogramm, das ein Gegenmodell zum Bail-out bietet und wir hoffen, bald einige Dokumente veröffentlichen zu können«, so Lapavitsas. Beinhalten soll das »Anti-Bail-Out-Programm« demnach unter anderem Schuldabschreibungen, »eine Aufhebung der Austeritätsmaßnahmen, Bankenverstaatlichung, eine Strategie für öffentliche Investitionen statt mehr Privatisierungen und eine Restrukturierung des Staates«. Auch gebe es für ihn keinen Zweifel, »dass Griechenland keine Zukunft im Euro hat«. Ein alternatives Programm könne »nicht umgesetzt werden, so lange Griechenland Teil der Währungsunion bleibt«.

Innerhalb von SYRIZA läuft seit spätestens dem Euro-Gipfel vom 12. und 13. Juli eine kontroverse Auseinandersetzung um den politischen Kurs. Während Parteichef und Premier Alexis Tsipras die Akzeptanz der Gläubiger-Auflagen für ein drittes Kreditprogramm als alternativlos ansieht, weil sonst ein vor allem von deutscher Seite aus betriebener Grexit mit unabsehbaren Folgen gedroht hätte, sehen viele Abgeordnete und Parteipolitiker den Kurs kritisch oder lehnen ihn ab. Bei den Abstimmungen über die ersten beiden Auflagenpakete der Gläubiger hatten jeweils über 30 SYRIZA-Abgeordnete nicht für die Linie von Tsipras votiert. Im Führungszirkel von SYRIZA hatte man sich zuletzt allerdings mehrheitlich darauf verständigt, zunächst die Verhandlungen über das Kreditprogramm abzuschließen und im September dann einen Sonderparteitag abzuhalten, auf dem der Kurs der Linkspartei justiert werden soll.

»Die Entscheidung, das Gläubiger-Programm zu akzeptieren, wurde der Partei von der Führung aufgezwungen, das wurde in keinem demokratischen Prozess beschlossen«, sagte Lapavitsas zu dem Vorgehen von Tsipras. Die Terminierung des Sonderparteitags auf dem September kritisiert er ebenfalls, da dann »die wichtigen Entscheidungen schon getroffen sind. Das ist ein sehr seltsame Art zu arbeiten für eine demokratische, linke Partei.«

Zugleich verwies der Ökonom und Abgeordnete aber darauf, dass eine mögliche Spaltung von SYRIZA zwar für die Partei wichtig sei, aber »nicht entscheidend für das Land«. Wirklich wichtig sei, »ob es möglich ist, die Dynamik beizubehalten, die von dem starken ›Nein‹ im Referendum am 5. Juli ausging«. Griechenlande brauche »dringend eine breite Front« des Oxi gegen die Gläubiger-Politik aber auch gegen diejenigen in der SYRIZA-Führung, die »das Nein in ein Ja verwandelt hat. Damit das passiert, brauchen wir ein neues und Alternativprogramm für Griechenland, das den Leuten Hoffnung gibt«, so Lapavitsas.

Derweil hat die griechische Regierung angekündigt, die Erlöse aus der Privatisierung von öffentlichem Eigentum für langfristige Investitionen verwenden zu wollen. Das Finanzministerium in Athen erklärte am Freitag, es habe sich mit den internationalen Gläubigern auf die Struktur des neuen Fonds geeinigt, der vor allem auf deutschen Druck hin zu einer Auflage für das neue Kreditprogramm gemacht wurde.

Der Treuhandfond ist umstritten - einerseits von denen, die die Politik der Privatisierung grundlegend ablehnen, darunter Linkenpolitiker, andererseits von denen, die an der Erreichung der Erlösziele unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen Bedingungen zweifeln, darunter der Internationale Währungsfonds.

Der neue Treuhandfonds soll den Privatisierungsfonds Taiped ablösen, der im Juli 2011 gegründet worden war. Dem Finanzministerium zufolge soll er eine »völlig andere Logik und Funktionsweise« haben. Es solle eher ein »Fonds für öffentliche Investitionen« sein, wie es ihn etwa in Norwegen oder Australien gebe, erklärte das Ministerium. Mit einem »Horizont von 30 Jahren« solle er zudem langfristig angelegt sein. Um nicht öffentlichen Besitz überstürzt unter Wert zu verkaufen, werde der Fonds auch die Möglichkeit haben, mit der Privatisierung zu warten, bis die »wirtschaftlichen Umstände günstiger sind«.

Laut dem Finanzministerium stimmten die Gläubiger zudem zu, die Ziele bei den Privatisierungen deutlich herunterzuschrauben. Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet demnach bis 2018 nur noch einen Erlös von 1,5 Milliarden Euro und die Europäische Kommission einen Erlös von 2,5 Milliarden Euro. In den früheren Plänen waren sechs Milliarden Euro für diesen Zeitraum angesetzt waren. Zudem müsse Staatseigentum nicht zwingend verkauft werden, sondern könne auch langfristig verpachtet oder auf andere Weise zur Erwirtschaftung regelmäßiger Einnahmen verwandt werden. Neben Immobilien, Grundstücken oder Firmenanleihen könnten in den Fonds auch Einnahmen aus der Ausbeutung natürlicher Ressourcen fließen, erklärte das Finanzministerium.

Bei den Verhandlungen mit den Gläubigern über das dritte Kreditprogramm ist die Fonds-Frage ein sensibler Punkt. Athen hat die Gläubiger dafür kritisiert, darauf zu bestehen, dass die Erlöse für den Schuldendienst statt für Investitionen benutzt werden. Die Kreditgeber wiederum kritisieren den langsamen Fortgang der Privatisierungen.

Neue Zahlen gibt es derweil zur Steuerhinterziehung in Griechenland. Bei Kontrollen von 5.264 Unternehmen und Freiberuflern wurden binnen einer Woche 1.089 Steuerhinterzieher entdeckt. Das geht aus dem am Freitag veröffentlichten Bericht der griechischen Steuerfahndung hervor. »Die Steuerhinterziehung blüht leider weiter«, sagte ein hoher Beamter des Finanzministeriums der Deutschen Presse-Agentur.

Bei den Kontrollen seien zwischen dem 27. Juli und dem 2. August mehrere aufsehenerregende Fälle aufgedeckt worden. Ein Rentner habe etwa den Verkauf von Ländereien verheimlicht und 1,8 Millionen Euro »versteckt«, hieß es im Bericht der Steuerfahndung. Ein Arbeitsloser habe nicht erklären können, wie er im vergangenen Jahr 937.000 Euro auf seinem Konto einzahlen konnte. Ein Fußballmanager soll 7,7 Millionen Euro nicht registriert haben, der Inhaber eines Taxiunternehmens 5,7 Millionen Euro Einkommen durch den Verkauf von Taxis nicht angemeldet haben, berichtete auch »Focus Online«. Einen krassen Fall habe es jüngst auf der Insel Rhodos gegeben: Einwohner der Ortschaft Maritsá hätten drei Steuerfahnder mit Drohungen verjagt, als diese während einer Dorffeier mehrere Verkäufer kontrollieren wollten. Sie konnten nur mit Hilfe der Polizei fliehen, sagte der Beamte.

Viele Inhaber von Geschäften benutzten zudem »Schein- Registrierkassen«, die in Griechenland unter dem Namen »Affen-Registrierkassen« bei Steuerfahndern bekannt sind. Sie geben zwar Quittungen aus, diese werden aber nicht registriert, wie der Beamte des Finanzministeriums sagte. Von Zeit zu Zeit werde während des Tages die echte Registrierkasse angeschlossen und es würden minimale Verkäufe angemeldet.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 8. August 2015


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