Der Grexit wäre die Megakatastrophe
Der Wirtschaftswissenschaler Rudolf Hickel über Schuld und Sühne als Prinzip der Krisenpolitik, naive Bilderbuch-Ökonomie und die Vorzüge einer Streckung der griechischen Verbindlichkeiten gegenüber einem Schuldenschnitt *
Herr Hickel, Sie hatten vorhergesagt,
dass im Zentrum einer Inszenierung
zur sogenannten Griechenland-
Rettung »Schuld und Sühne« stehen würden. Nun ist
Griechenland in die Knie gegangen,
lässt also praktisch Reue erkennen
– und also fließt auch wieder
Geld. Seit Montag haben Banken
wieder geöffnet. Damit kehrt
scheinbar Normalität ins Land zurück,
obwohl sich wenig geändert
hat, denn die Kapitalverkehrskontrollen
bleiben bestehen. Können die
Griechen jetzt aufatmen?
Rudolf Hickel: Nein, die Griechen
können nicht aufatmen. Die Story ist
aber auch etwas komplizierter. Ich
meine, der griechische Regierungschef
Alexis Tsipras hat ja gegen sein
Wahlprogramm und gegen das Abstimmungsergebnis
des Referendums das Diktat aus Brüssel unterschrieben.
Aber er hat das vor allem aus einem
Grund getan. Der ist sehr wichtig,
um das Ganze zu verstehen. Denn
in dem Nein der Griechen kam zum
Ausdruck, dass die Griechen die Megakatastrophe,
den Grexit, vermeiden wollten. Man hatte die Wahl zwischen
den Ungeheuern Skylla und Charybdis.
Man hat sich nur auf diese Finanzhilfen
eingelassen, um die ökonomischen
schweren Belastungen und die politische Isolation durch den
Grexit insgesamt zu vermeiden.
Ist Griechenland nun »gerettet«?
Griechenland ist überhaupt nicht gerettet.
Meine These ist, wenn es bei diesem eingeschlagenen Kurs bleibt,
werden wir ganz sicher spätestens
2018 wieder eine solche Debatte haben.
Dann sprechen wir über das vierte Hilfsprogramm oder es kommt der
Grexit, da dieses Programm von Schuld und Sühne fortgeführt wird.
Die Geberorganisationen sagen, besonders
angetrieben durch Deutschland und den Bundesfinanzminister
Wolfgang Schäuble, ihr bekommt die
bisher genannten 81 Milliarden Euro nur, wenn ihr gleichzeitig als Gegenleistung die Austeritätspolitik durchsetzt. Diese Politik soll auf drei Ebenen vorangetrieben werden: 1. Schrumpfung des Staates, Stellenabbau und vor alle ein Eingriff ins Sozialsystem;
2. Erhöhung der Massensteuern, insbesondere der Mehrwertsteuer;
3. Privatisierungen des öffentlichen Vermögens.
Dieses Programm kann am Ende überhaupt nicht aufgehen, da erneut
der überwiegende Teil des Geldes
nicht als frisches Geld zur Finanzierung
Griechenlands fließt, sondern es wird benutzt, um die Gläubiger zu bedienen. Zum Beispiel am Montag, als
3,5 Milliarden Euro bei der Europäischen
Zentralbank und bei den knapp 1,5 Milliarden Euro Ausständen beim
Internationalen Währungsfonds. Die
werden nun aus der Überbrückung für
das künftige Programm finanziert. Also
bekommen die Kreditgeber das
Geld und kein Cent fließt in die Finanzierung
des Landes, in die Finanzierung
der Wirtschaft und der Infrastruktur.
Dieses Programm muss scheitern, weshalb ich fordere, im
Vollzug des Programms massive Korrekturen
vorzunehmen.
Was bedeutet diese dritte »Rettung« für die Bevölkerung in Griechenland?
Bei der kommt zwar kein Geld an, aber sie wird erneut massiv
zur Kasse gebeten.
Ja, das ist leider so. Wir sehen ja heute
schon die Meldungen, dass die
Preise steigen. Allein durch die Tatsache,
dass nun fast alle Nahrungsmittel
mit dem normalen Mehrwertsteuersatz
von 23 Prozent belegt werden,
steigen die Preise. Die Unternehmen
wälzen die gestiegene Steuer
auf die Konsumenten ab. Also
bringt die Mehrwertsteueranhebung
insgesamt eine Realabwertung der
Einkommen, während es keinerlei
nachhaltige Maßnahmen gegen die
soziale Armut gibt, die sich auf Grund
der »Rettungspolitik« seit 2010 enorm
ausgebreitet hat. Den einkommensschwachen
Griechen, der den Gürtel
ohnehin nicht mehr enger schnallen
kann, bekommt ihn weiter zugezogen,
dass ihm am Ende die Luft ausgeht.
Es werden also Belastungen für
ihn zunehmen, aber, und das ist ganz
wichtig, es wird kein Feuerwerk zur
Stärkung der Wirtschaft oder der
wirtschaftlichen Entwicklung auslösen.
Da wird es nicht einmal einen
Funken geben.
Ist nicht sogar das Gegenteil der
Fall? Es verteuert sich ja alles auch
für Touristen und damit wird der
Tourismus geschwächt, eine der
Säulen, die die Wirtschaft stützen?
Das können die Touristen natürlich
besser aushalten, zudem ist die Hotelsteuer
rausgenommen worden, allerdings
erhöhen sich die Steuern in
der Gastronomie. Und mich interessieren
weniger die Touristen, sondern
mich interessieren die Griechen,
die diese Belastungen eben
nicht mehr kompensieren können.
Nur die Touristen weichen dann
halt in ein günstigeres Land aus,
womit die Wirtschaft weiter geschwächt
wird.
Der Tourist ist da hoch sensibel und
da ist natürlich das Konkurrenzland
Türkei. Es kann durchaus sein, wenn
die Steuererhöhungen auch für Touristen
spürbar werden, dass, entgegen
der eigentlichen Absicht, dieser
Effekt eintritt.
Wenn wir noch einmal zu ihrem Bild
von Schuld und Sühne zurückkommen,
ist das Vorgehen gegenüber
Griechenland ein warnendes Signal
an Andere? Zum Beispiel wurde in
Spanien erklärt, das Land sei für
seine Kühnheit bestraft worden, auf
Demokratie beharrt zu haben.
Darum geht es im Kern. Das macht
auch die Härte deutlich, die von
Schäuble ausgeht. Er will ein Exempel
statuieren, ein neoliberales
Exempel. Wer in einem Euroland
unter die Räder gerät, egal aus welchen
Gründen, der wird zu einer solchen
Politik gezwungen. Dann werden
die Regeln definiert, und die sind
neoliberal. Wer die nicht einhält,
muss künftig wissen, dass er dann
kein Geld mehr bekommt. Egal ist
dabei auch, ob eine Fehlkonstruktion
des Euro dafür verantwortlich ist.
Das richtet sich klar gegen Spanien
und Portugal, die ja schon zu Kreuze
gekrochen sind, aber auch an die
Krisenländer wie Italien und Frankreich.
Es ist natürlich ein Signal an
die gesamte EU, wo diese Spardoktrin
insgesamt durchgesetzt
werden soll.
Sie sehen zudem eine Demontage
der griechischen Demokratie?
Die Marschrichtung ist klar. Ich habe
mir die Gipfel-Erklärung vom 12. Juli
noch einmal durchgelesen. Da steht
klipp und klar drin, dass kein Gesetz
mehr gemacht werden darf ohne die
vorherige Kontrolle durch die Institutionen
(ehemals Troika). Da steht
auch, dass nicht mal darüber öffentlich
debattiert werden darf, bevor die
nicht ihre Meinung zu dem Gesetz
vorgetragen haben. Das ist ein total
organisierter Souveränitätsverlust.
Wohin zielt diese »Rettung«? Es
kann doch niemand ernsthaft annehmen,
dass es nun beim dritten
Mal endlich klappt. Er werden ja nur
neue Schulden auf Schuldenberge
aufgeladen, die längst nicht mehr
tragfähig waren. Zielt das nicht insgesamt,
Schäuble hat das ja immer
wieder auch einigermaßen offen
gesagt, auf den dann scheinbar unvermeidlich
werdenden Grexit ab?
Der Bundesfinanzminister hat mit
seinem Vorstoß unglaublichen starken
Druck ausgeübt. Darin ging es ja
um den zeitlich befristeten Ausstieg
aus der Eurozone, also die Wiedereinführung
der Drachme. Und da habe ich dann ein bisschen Verständnis
für Tsipras, der lieber den ganzen Mist unterschreibt, um den Grexit zu verhindern. Denn ich bin ein ganz strikter
Gegner des Grexit.
Warum? Wäre nicht, wie viele glauben,
ein Grexit tatsächlich besser
für das Land, weil es dann über die
Abwertung der Drachme wettbewerbsfähiger
würde und nicht über
eine interne Abwertung?
Das ist naive Bilderbuch-Ökonomie,
die von Hans-Werner Sinn und anderen
vertreten wird. Sie sagen, wenn
die Drachme wieder eingeführt wird, wertet sie gegenüber dem Euro stark
ab, was ein Segen für die Exportwirtschaft
sei. Denn in die Eurozone gelieferte Güter werden mit Euro bezahlt,
die Firmen bekommen also beim Umtausch erheblich mehr
Drachmen. Das ist deshalb absolut unsinnig, weil es in Griechenland keine starke Exportwirtschaft gibt, die damit gestärkt werden könnte. Und durch diese Abwertung kann man
keine Exportwirtschaft aufbauen. Also
ergibt sich da kein Impuls.
Die letzten Jahre zeigen das. Zwar
sind die Lohnstückkosten, also die Arbeitskosten
pro Stunde bezogen auf
die Produktivität je Arbeitsstunde, in
den Jahren 2011 bis 2014 in Griechenland
um fast 13 Prozent gesunken.
Die Exporte legten aber nicht zu,
sondern gingen in den letzten Jahren
sogar noch um 3 Prozent zurück. In
Deutschland sind dagegen die Lohnstückkosten
im gleichen Zeitraum um
fast 9 Prozent gewachsen, jedoch sind
die Exporte wegen der internationalen
Wettbewerbsfähigkeit deutlich gestiegen.
Dagegen liegen die schweren Belastungen
auf der Importseite durch
eine Wiedereinführung der Drachme
auf der Hand. Das wird zu einer unglaublichen
importierten Inflation und
zu Realeinkommensverlusten führen.
Denn das Land hängt sehr stark von
Importen ab, die sich darüber natürlich
erheblich verteuern würden, wenn
diese Importe plötzlich in Drachmen
bezahlt werden müssen. Das heißt,
dass diese Importe zunächst durch eine
heimische Produktion ersetzt werden
müssten, um die Abhängigkeit abzubauen.
Dazu könnten sich die Reichen
in Griechenland billig bedienen,
weil dort alles billig zu bekommen ist.
Der letzte Punkt ist eher politisch, weil
Griechenland dann auch in einer ohnehin
krisenanfälligen Region isoliert
wäre und das zudem in einer ökonomisch
katastrophalen Lage. Somit wäre
der Grexit eine Katastrophe, der
schlechteste anzunehmende Fall.
Kann er auf dem Weg, den Alexis
Tsipras geht, vermieden werden?
Vordergründig kann man sagen, dass
der Grexit nun durch die Fortsetzung
von Schuld und Sühne vermieden
wurde. Das war der Druck, den
Schäuble aufgebaut hat: Entweder ihr
stimmt unserem Paket zu, sonst drohe
ich euch mit dem Grexit. Aber es
ist völlig klar, dass das Programm so
nicht aufgehen kann. Dann ist die Gefahr
natürlich erheblich höher, dass
es doch zum Grexit kommt. Ein viertes
Paket, mit erneuten Debatten in
Parlamenten – es ist kaum vorstellbar,
dass das noch einmal durchsetzbar
ist. Die jetzige Entscheidung
für dieses Programm hat die Gefahr
eines Grexits unglaublich verschärft.
Was wäre ein Ausweg aus dieser
Bredouille?
Jetzt, nachdem das Kind in Brunnen
gefallen ist, wäre es wichtig zu schauen,
wo man Mittel freimachen kann,
um Griechenland beim ökonomischen
Um- und Aufbau zu helfen.
Aber wäre nicht ein Grexit, mit dem
eine völlige Entschuldung verbunden
wäre, genau richtig? Mit einem
Schlag wären enorme Mittel
für ein Umsteuern der Wirtschaft,
zur Ankurbelung der Konjunktur
frei, die nun als enorme Zinslast an
internationale Gläubiger abfließen?
Das sehe ich anders. Und einen
Schuldenschnitt halte ich aus einem
ganz entscheidenden Grund gar nicht
mehr für nötig. Denn die Gläubiger
sind nicht mehr die Banken, sondern
zu über 80 Prozent heute Institutionen
wie der IWF und die EZB. Es gibt
in Deutschland kaum noch private
Anleger, die über griechische Anleihen
verfügen. Das ist auch ein Irrtum
von Sahra Wagenknecht, die ich sonst
schätze.
Was ich nun will, ist eine Wirkung
wie ein Schuldenschnitt. Und diese
Wirkung kann ich dadurch erzielen,
dass zum Beispiel die gerade fällig gewordenen
Rückzahlung in Höhe von
3,5 Milliarden an die EZB auf den
Rettungsfonds ESM umlege und die
Rückzahlung auf 50 Jahre mit niedrigen
Zinsen dehne, um darüber eine
Entlastung zu bekommen. Und eine
Restrukturierung der Schulden hat
soeben der Internationale Währungsfonds
gefordert. Wenn ich die
Schulden umbuche, bekommen die
Griechen etwas, was sie dringend
brauchen: frisches Geld.
Die Tilgung erfolgt, wie bereits
verabredet, ab 2023. Und die Höhe
der Kreditrückzahlungen sollte noch
in Abhängigkeit von der Wirtschaftsleistung
gestaltet werden. Wenn es
besser läuft, zahlen sie etwas mehr,
wenn es schlechter läuft, zahlen sie
etwas weniger. Das könnte analog
zum Londoner Schuldenabkommen
von 1953 laufen, als Deutschland
nicht nur einen Schuldenschnitt bekam,
sondern die Rückzahlung der
Restschulden auf den Anteil von maximal
vier Prozent der Exporte beschränkt
wurde. Das Entscheidende
ist jetzt nicht ein Schuldenschnitt,
sondern die Übertragung auf einen
ganz langfristigen Fonds, über den
und dessen Finanzierung man auch
noch viel reden kann.
Doch reicht das dann aus, damit das
Land wieder auf die Beine kommt?
Nein. Danach wäre es wichtig zu sagen,
ein wenig wie der EU-Kommissionspräsident
Jean-Claude Juncker das mit den Infrastrukturmitteln angesprochen
hat, das gesamte zusätzliche Geld zum Beispiel in Programme
zur Bekämpfung der sozialen Armut zu geben, den Aufbau einer Wirtschaftsstruktur mit kleinen und mittleren
Unternehmen, eine forschungsintensive
industrielle Basis, zukunftsfähige ökologische Produktlinien,
ökologisch verträglicher Tourismus,
erneuerbare Energieerzeugung,
etc. Die Stärkung des Wirtschaftswachstums
und Schaffung von Arbeitsplätzen generieren dann auch
eigene Steuereinnahmen. Das ist alles
bisher nicht passiert, aber macht
man das nicht, ist das alles dem Tode
geweiht.
Nennt man das Kind nun Schuldenschnitt
oder Umstrukturierung,
dann argumentieren ja Leute wie
Schäuble mit den EU-Verträgen.
Konkret wird auf Artikel 125 Absatz
1 verwiesen, der es der Europäischen
Union und den Mitgliedstaaten
verbietet, Schuldenlasten
eines anderen Mitgliedstaates zu
übernehmen (»Nichtbeistandsklausel
«). Ist es also unmöglich, eine
vernünftige Lösung zu finden?
Ich sage da nur, dass die Regeln zwar
so gegeben sind, diese Regeln sind
aber schlicht falsch. Die Regeln sind
schon im Vertrag von Maastricht
falsch, dass einem Land, das in eine
Krise gerät, nicht geholfen werden
darf. Wir müssen Regeln ändern und
Regeln einhalten, die vernünftig sind.
Das meiste ist aber total unvernünftig.
Warum kann ein Staat nicht eine
höhere Neuverschuldung als drei
Prozent haben, wenn er damit etwas
Vernünftiges finanziert, wie einen
ökologischen Umbau, und deshalb
besser insgesamt besser dasteht als
einer, der stur die Regel einhält?
Es wird ja auch schon über eine
Zwangsabgabe für griechische Sparer
geredet, um sie an der Sanierung
oder Abwicklung von Banken
zu beteiligen, wofür bereits die
rechtlichen Möglichkeiten geschaffen
wurden. Deshalb wird
Griechenland ja gerade gedrängt,
die Banken-Richtlinie schnellstmöglich
umzusetzen und das war
Teil der neuen Vereinbarungen –
und die Umsetzung stand am Mittwochabend
auf der Tagesordnung
im griechischen Parlament. Wäre es
nicht eine Möglichkeit, über eine
massive Zwangsabgabe das Land
teilweise zu entschulden, wie es der
IWF mit seinen Forderungen nach
»finanzieller Repression« immer
wieder mal ins Spiel bringt?
Das wird nicht kommen. Wenn man
so etwas macht, müsste man es auch
sozial differenziert machen. Das würde
man dann an eine bestimmte Sparsumme
koppeln. Was kommen könnte,
ist die Gläubigerbeteiligung an den
vier systemrelevanten Banken nach
der Richtlinie, die sie gerade angesprochen
haben. Dass man also einen
Bail-in macht, wie man es schon
in Zypern gemacht hat, also die Gläubiger
an der Rettung beteiligt.
Das hängt in Griechenland aber
ziemlich in der Luft. Anders als in Zypern
haben die Reichen das Geld ja
nicht auf Konten bei Banken im Land,
sondern irgendwo im Ausland. Deshalb
glaube ich, dass man das vermutlich
nicht macht, weil es in Griechenland
zu wenig bringen würde. In Griechenland ist unglaublich viel Kapital
– über 150 Milliarden Euro – abgeflossen.
Das war ein Fehler, die Kapitalverkehrskontrollen
hätte man gleich 2010 einführen müssen, um
das Abfließen des Geldes ins Ausland
zu verhindern.
Was wäre denn in Griechenland
sonst nötig an strukturellen Reformen?
Natürlich muss Griechenland auch
einen eigenen Beitrag leisten. Ich höre
immer wieder von kleineren und
mittleren Unternehmen, dass sie sich
nicht ansiedeln können, weil die Eigentumsfrage
des Grundstücks nicht geklärt. Zu nötigen Reformen gehören
auch eine effektive Verwaltung, die Bekämpfung von Vetternwirtschaft,
Korruption und Steuerhinterziehung, die über 40 Jahre die politische
Regierungspraxis geprägt hatte. Allein durch den Öl-, Benzin- und
Tabakschmuggel werden jährlich Steuerausfälle von über 20 Milliarden
Euro verursacht. Dazu gehört natürlich eine demokratische Erneuerung
im Inneren und dass die oligarchische Machtwirtschaft durch demokratische Strukturen ersetzt werden muss. Das ist natürlich alles recht einfach gesagt, aber die Umsetzung ist dann gar nicht so einfach.
Noch im Frühjahr forderte der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel einen drastischen Schuldenerlass von mehr als 80 Prozent für Griechenland und verwies auf das Londoner Abkommen 1953 und den Schuldenschnitt für Deutschland. Den hält der ehemalige Professor für Finanzwissenschaft an der Universität Bremen inzwischen nicht mehr für nötig. Der Gründer des Instituts Arbeit und Wirtschaft (IAW) an der Bremer Universität, wo er Forschungsleiter für Finanzpolitik war, warnt aber vor einem Austritt aus der Eurozone.
Mit Rudolf Hickel sprach Ralf Streck.
* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 23. Juli 2015
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