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Keine Koalition

Griechenland: Linke lehnen Bündnis bei Wahl am 6. Mai ab. Bestätigung bisheriger Regierungsparteien prognostiziert

Von Heike Schrader, Athen *

Im nächsten griechischen Parlament könnten bis zu zehn Parteien vertreten sein. Das geht aus einer knapp drei Wochen vor dem Wahltermin am 6. Mai veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Marc hervor. Mit 22,3 Prozent stärkste Partei würde demzufolge die konservative Nea Dimokratia, die Teil der gegenwärtigen Koalitionsregierung ist. Weil der stimmenstärksten Partei nach dem griechischen Wahlrecht 50 Bonussitze zugeteilt werden, käme die ND damit auf 110 Abgeordnete im 300köpfigen Parlament. Die sozialdemokratische PASOK, die 2009 noch knapp 44 Prozent gewonnen hatte und allein regieren konnte, stürzt derselben Umfrage zufolge auf 17,8 Prozent, das entspricht 48 Sitzen, ab. Dies würde jedoch für eine Fortsetzung der derzeitigen großen Koalition reichen. Eine solche wird vom ND-Vorsitzenden Antonis Samaras bislang abgeleht, während sein PASOK-Kollege Evangelos Venizelos sie propagiert.

Die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) würde laut Erhebung ihr 2009 erzieltes Wahlergebnis von 7,5 Prozent auf 9,7 Prozent (und 26 Sitze) steigern können. Dieselbe Anzahl an Sitzen wird der Linksallianz SYRIZA vorausgesagt. Deren Stimmanteil steigt demnach von 4,6 auf 9,8 Prozent. Auf 8,3 Prozent und 23 Sitze käme schließlich die Demokratische Linke (DIMAR), eine 2010 aus einer Spaltung von SYRIZA hervorgegangene sozialdemokratische Partei keynesianistischer Ausrichtung.

SYRIZA wirbt im Wahlkampf für ein Bündnis der drei linken Kräfte KKE, SYRIZA und DIMAR, um mit einer progressiven Koalition die Regierung übernehmen zu können. Um die 50 Bonussitze zu erhalten, müßten die drei Organisationen jedoch auf einer gemeinsamen Liste kandidieren. Sowohl KKE als auch DIMAR lehnen ein solches Bündnis allerdings ab.

»Die KKE würde das Volk verraten, wenn sie an einer Regierung teilnähme, die, unabhängig von ihren Absichten und Verlautbarungen, nichts Gutes für es tun kann«, kommentierte die Parteizeitung Rizospastis am 6. April. »Die Parteien, die zur Gründung einer ›Regierung der Linken‹ aufrufen, haben keine Strategie der Konfrontation mit der EU und der Herrschaft der Monopole, wie sie die KKE vertritt.« Die anderen seien für einen Verbleib Griechenlands in der EU und verfolgten ein Wachstum auf Grundlage kapitalistischer Unternehmen, so die KKE. Die DIMAR ihrerseits sucht ihre Partner hingegen bei »Kräften des demokratischen Sozialismus, der Sozialdemokratie, der politischen Ökologie« und schließt ein Bündnis mit der »an überholten Ideen festhaltenden KKE« und ihrer einstigen politischen Heimat SYRIZA wegen deren »Hinwendung zum Linksradikalismus« aus. Den bisher nur im Europaparlament vertretenen griechischen Ökologen/Grünen könnte erstmalig der Einzug ins Parlament knapp gelingen. Ihnen werden derzeit 3,1 Prozent vorausgesagt.

Auch gleich zwei von Aussteigern aus der Nea Dimokratia gegründeten neuen Parteien wird der Sprung über die Dreiprozenthürde prognostiziert. Während es dabei für die Demokratische Allianz von Exaußenministerin Dora Bakogianni, der drei Prozent vorausgesagt werden, knapp werden könnte, gilt der Einzug der Unabhängigen Griechen des Populisten Panos Kammenos mit 9,9 Prozent als sicher. Sie kämen damit auf 26 Sitze.

Mit Stimmverlusten muß dagegen die ultrarechte LAOS-Partei rechnen. Nach 5,6 Prozent 2009 erhielten sie laut Umfrage nur noch 3,9 Prozent. LAOS hat die anfängliche Beteiligung an der Regierung Papadimos Stimmen gekostet, die auch nach dem Rückzug aus derselben nicht wiederzugewinnen waren. Von den LAOS-Verlusten profitiert neben der Partei von Kammeos offensichtlich auch die offen faschistische »Goldene Morgendämmerung« (Chrysi Avgi), der 5,7 Prozent prognostiziert werden. 2009 hatte sie noch bei mageren 0,3 Prozent gelegen.

Umfrageergebnisse sind allerdings auch in Griechenland mit Vorsicht zu genießen, da sie von vielen der Befragten dazu genutzt werden, »Warnschüsse« in Richtung der Regierenden abzugeben.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 19. April 2012


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