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Umschuldung beginnt

Griechenland: Bankenbeteiligung offenbar niedriger als versprochen

Von Hermannus Pfeiffer *

Der populistische Ruf von Politikern aus CSU und FDP nach einem Insolvenzverfahren für Griechenland geht an der Wirklichkeit vorbei. Bereits seit August laufen die Vorbereitungen zu einer »weichen Insolvenz«, die einen freiwilligen Umtauch griechischer Staatsanleihen vorsieht. Doch die Finanzbranche zögert.

Monatelang hatte die Politik mit der Finanzwirtschaft um einen Beitrag der privaten Gläubiger zum zweiten Rettungspaket für Griechenland gerungen. Beim Brüsseler EU-Krisengipfel Ende Juli gab es dann die Grundsatzeinigung über ein weiteres Hilfspaket von 109 Milliarden Euro, die bis 2014 zur Verfügung gestellt werden sollen. Banken, Versicherungen und Fonds sollen sich bis 2014 mit rund 50 Milliarden Euro beteiligen. Insgesamt sollen griechische Schuldtitel im Wert von 135 Milliarden Euro umgetauscht oder verlängert werden – dies wären 90 Prozent der bis Ende 2020 fällig werdenden griechischen Staatsanleihen. Athens gesamter Schuldenstand beträgt rund 350 Milliarden Euro.

Vor wenigen Tagen endete eine erste Frist, in der die Gläubiger den Finanzministerien mitteilen sollten, ob sie mitmachen. Dass die Deutsche Bank dabei ist, gilt als sicher, zumal Vorstandschef Josef Ackermann bei den Verhandlungen zum Rettungspaket persönlich mit am Tisch saß. Als Vorsitzender des internationalen Finanzverbandes IIF muss er nun die zugesagte Beteiligung der Banken, Versicherungen und Investmentfonds organisieren. Die Deutsche Bank selbst besitzt wenige griechische Papiere. Deutlich mehr hat die Commerzbank. Mit dabei sind auch die Versicherungen Allianz und Munich Re sowie die Bayern LB, die Deka-Bank als Zentralinstitut der Sparkassen und die DZ Bank für die Genossenschaftsbanken. Am stärksten ist in Deutschland die »Bad Bank« der verstaatlichten Immobilienbank HRE in Griechenland engagiert – sie will wohl nur teilweise mitmachen.

Die Teilnahme ist »freiwillig«, ansonsten würden die Ratingagenturen Griechenland für zahlungsunfähig erklären. Eine solche formale Insolvenz wäre der Euro-GAU – und dürfte den Banken teuer zu stehen kommen, schließlich müssten sie ihre Griechenland-Papiere dann fast vollständig abschreiben. Dagegen sollen bei dem geplanten Umtausch die Papiere nur um 21 Prozent an Wert verlieren. Die Banken kämen also mit einem blauen Auge davon.

Konkret müssten die Institute beim Tausch alter Anleihen gegen neue entweder einen Abschlag auf den Nennwert der Wertpapiere und/oder eine um bis zu 30 Jahre längere Laufzeit in Kauf nehmen. Athen müsste dann weniger Zinsen zahlen, die Schuldenlast sinkt und die Griechen erhalten erheblich mehr Zeit für die Tilgung der Kredite. Die Banken verzichten auf mögliche Rendite, erhalten aber sichere Papiere. Einzelheiten werden in den kommenden zwei Wochen festgelegt, dann geht es um verbindliche Zusagen der Banken.

Eigentlich eine Situation, in der beide Seiten gewinnen. Trotzdem rechnen Experten der Commerzbank in einer Studie nur mit einer Beteiligungsquote von 70 bis 80 Prozent, weil sich Anleger mit kurzlaufenden Papieren gegen einen Umtausch in langfristige Papiere sträuben und einige Trittbrettfahrer versuchen dürften, einer Umschuldung zu entgehen. Die griechische Regierung droht aber, den Schuldentausch platzen zu lassen, wenn weniger als die versprochenen 90 Prozent der privaten Investoren zum Tausch ihrer Staatsanleihen bereit sind.

Trotzdem rechnen Analysten damit, dass die Regierung von Ministerpräsident Giorgos Papandreou der weichen Umschuldung zustimmen wird. Die Alternative wäre die Staatspleite. Für Anfang Oktober wird mit dem offiziellen Umtauschangebot der griechischen Regierung gerechnet.

* Aus: Neues Deutschland, 14. September 2011


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