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Warten auf das nächste Sparpaket

Griechenland und Troika weiter uneins über neue Kürzungen

Von Anke Stefan, Athen *

Die Verabschiedung eines weiteren Sparpakets in Griechenland verzögert sich. Die Troika reiste am Sonntag ab, ohne eine Einigung erzielt zu haben. Nun übernehmen die Streikenden. Gleichzeitig diskutieren die Euro-Länder über die Ausweitung des Rettungsschirms ESM, um der Schuldenkrise Herr zu werden.

Ohne Einigung waren die Vertreter der Gläubigertroika am Wochenende aus Athen abgereist. Noch in dieser Woche wollen sie zurückkehren, um mit der griechischen Regierung die endgültige Zusammensetzung des neuen Sparpakets in Höhe von 11,5 Milliarden Euro auszuhandeln. Wann der ursprünglich für September erwartete Bericht der Troika über die Umsetzung der bereits geltenden Vereinbarungen vorliegen wird, ist noch unklar. Sicher ist jedoch, dass es neue Einschnitte bei den Renten sowie bei den Löhnen der Angestellten der ehemals staatlichen Großbetriebe geben wird.

Spätestens in den ersten Oktobertagen will die Regierung die Kürzungspläne im Parlament verabschiedet haben. Nur dann kann Ministerpräsident Antonis Samaras darauf hoffen, dass auf dem Mitte Oktober stattfindenden EU-Gipfel die dringend für die Begleichung fälliger Schulden benötigte Kredittranche in Höhe von 31 Milliarden Euro freigegeben wird. Sie sollen für den Abbau fälliger Altschulden an die Gläubiger aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank sowie für die Rekapitalisierung der durch den Schuldenschnitt in Bedrängnis geratenen heimischen Banken genutzt werden. Ein kleiner Teil soll zur Bezahlung von Staatsschulden gegenüber inländischen Zulieferern und für ausstehende Löhne aufgewendet werden.

Wenn die Troika-Vertreter in dieser Woche zurück kehren, könnten diese Berechnungen bereits Makulatur sein. Einem »Spiegel«-Bericht von Sonntag zufolge haben die Prüfer eine Lücke von rund 20 Milliarden Euro - fast doppelt soviel wie von der griechischen Regierung angenommen - im Haushalt errechnet. Dass der von den Sparmaßnahmen in die permanente Rezession getriebene Mittelmeerstaat diese Lücke mit weiteren Einschnitten schließen kann, gilt als ausgeschlossen. Bereits jetzt wird über einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland nachgedacht.

Die Bevölkerung ist immer weniger bereit und in der Lage, weitere Einschnitte zu ertragen. Einer am Wochenende veröffentlichten Umfrage zufolge halten 90 Prozent der Befragten die jüngsten Maßnahmen für ungerecht, da sie besonders zu Lasten der ärmeren Bevölkerungsschichten gehen. Nur ein Drittel glaubt daran, dass die Einschnitte zur Defizitminderung führen werden. Trotzdem sprechen sich zwei Drittel der Befragten für den Verbleib Griechenlands in der Eurozone aus.

Als vorgeschoben bezeichnete die größte Oppositionspartei Griechenlands, SYRIZA, die Differenzen innerhalb der Drei-Parteien-Regierung aus Nea Dimokratia, PASOK und DIMAR über die endgültige Zusammensetzung des Maßnahmenpakets. »Die Zerschlagung von Löhnen und Renten, die Zerstörung des Sozialstaates, der Ausverkauf des öffentlichen Reichtums und die Ausplünderung der sozial Schwachen durch Steuern bilden den gemeinsamen strategischen Plan von Troika und Regierung«, heißt es in einer Erklärung der Linksallianz.

Für die Kommunistische Partei (KKE) ist eine Lösung der Krise dagegen nur durch den Austritt aus Euro und EU zu erreichen. Bereits in den Verträgen von Maastricht, »denen von allen Parteien außer der KKE zugestimmt worden ist«, seien »fortlaufende volksfeindliche Maßnahmen« angelegt.

Nach den Streiks einzelner Berufsverbände in der vergangenen Woche ist von den beiden Gewerkschaftsdachverbänden Griechenlands, GSEE (Privatwirtschaft) und ADEDY (öffentlicher Dienst), für Mittwoch der dritte Generalstreik in diesem Jahr ausgerufen worden. Ihm hat sich auch der Einzelhandelsverband angeschlossen und dazu aufgerufen, Geschäfte geschlossen zu halten. Um die Berichterstattung über den landesweiten 24-stündigen Ausstand zu gewährleisten, sind die Medienvertreter bereits am Montag in den Streik getreten. Sie protestierten insbesondere gegen Lohnkürzungen und Entlassungen. Auf Spruchbändern und Transparenten forderten sie ein »Nein zur Abschaffung der Menschenwürde« und wandten sich gegen »mittelalterliche Methoden«.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 25. September 2012


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