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Ausbeutung ohne Ende

Griechenland: Gläubigertroika fordert Abschaffung der Fünftagewoche und weitere Lohn- und Rentenkürzungen

Von Heike Schrader, Athen *

In Griechenland soll die Fünftagewoche in der privaten Wirtschaft abgeschafft werden. Seitens der Regierung wurde eine am Montag in der griechischen Presse verbreitete Meldung, nach der die Gläubigertroika Derartiges per E-Mail von Finanzminister Giannis Stournaras gefordert hat, nicht dementiert. Den Medienberichten zufolge soll eine sechstägige Arbeitszeit branchenübergreifend in ganz Griechenland eingeführt werden. Darüber hinaus soll Unternehmern erlaubt werden, Arbeiter überaus »flexibel« einzusetzen. Die minimale Ruhezeit zwischen Feierabend und erneutem Arbeitsbeginn dürfte dann auf elf Stunden gesenkt werden. Gleichzeitig sehen die Pläne eine weitere Halbierung der ohnehin bereits drastisch gekürzten Entschädigungen im Entlassungsfall sowie die Abschaffung sämtlicher Kündigungsfristen vor.

Diese Maßnahmen »führen die Schichten des Volkes in vollständige Verelendung, Armut, Arbeitslosigkeit, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung«, kommentierte der arbeitspolitische Sprecher der Parlamentsfraktion der Linksallianz SYRIZA die jüngsten Überlegungen von Kabinett und Troika. »Die Regierung ist mit der von ihr gezeigten Unterwürfigkeit gegenüber der Troika und den Wuchergläubigern des Landes die alleinige politisch Verantwortliche für diese neuen Forderungen im Stil einer Kolonialisierung«, so Dimitris Stratoulis weiter.

Die neuen Pläne »beweisen, was die KKE seit langem aufzeigt«, heißt es in der Stellungnahme der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE): »Der Weg der kapitalistischen Ausbeutung hat kein Ende.« Solche Maßnahmen seien in den EU-Verträgen fixiert und »stellen feste Forderungen der griechischen Plutokratie dar«, erklärte die KKE weiter. »Dringend erforderlich ist die klassenbewußte politische Wachsamkeit, Organisierung und der Gegenangriff zur Verhinderung der barbarischen Maßnahmen, für einen grundlegenden Umsturz.«

Gegen die Pläne zur Abschaffung der Fünftagewoche, aber auch gegen die neuen Lohn- und Rentenkürzungen in Höhe von 11,5 Milliarden Euro in den nächsten beiden Jahren, die von der Troika im Gegenzug für die Auszahlung der nächsten ¬Kredittranche eingefordert werden, haben die Gewerkschaftsorganisationen der beiden linken Parlamentsparteien den griechischen Gewerkschaftsdachverband in der privaten Wirtschaft (GSEE) zur Ausrufung eines neuen Generalstreiks noch im September aufgefordert. Erste Massenproteste werden am kommenden Samstag bei der Eröffnung der jährlichen internationalen Messe in Thessaloniki durch Ministerpräsident Antonis Samaras erwartet. Dort wird die Gewerkschaftsorganisation von SYRIZA, Autonomie Paremvasi, an der vom Gewerkschaftsdachverband ausgerufenen Demonstration teilnehmen, während die der KKE zugehörige Gewerkschaftsfront PAME zeitgleich einen eigenen Protestzug durchführen wird.

Einen Vorgeschmack auf den Samstag geben bis dahin die Angehörigen der von den Kürzungen diesmal besonders betroffenen Berufsgruppen im öffentlichen Dienst. Nach Demonstrationen von Vertretern der Polizei, Feuerwehr und Hafenpolizei in der vergangenen Woche werden ab morgen auch Gerichtsangestellte und Krankenhausärzte auf die Straße ziehen. Ihnen und den Hochschulprofessoren sollen die Gehälter im Zuge der neuen Maßnahmen um fünf bis 30 Prozent gekürzt werden. Bereits am Dienstag demonstrierten in Athen die Rentner der größten staatlichen Versicherungsanstalt IKA gegen neue Einschnitte bei ihren Altersbezügen.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 5. September 2012


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