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Angriff aufs Streikrecht

Griechische Regierung beendet Ausstand der Seeleute durch Zwangsdienstverpflichtung. Tausende bei Solidaritätsdemonstration im Hafen von Piräus

Von Thomas Eipeldauer, Athen *

Die griechische Regierung ist am Dienstag und Mittwoch mit drastischen Mitteln gegen streikende Seeleute im Hafen von Piräus vorgegangen. Diese hatten aus Protest gegen Lohnkürzungen sowie Personalmangel am vergangenen Donnerstag die Arbeit niedergelegt. Sie fordern die Zahlung ausstehender Löhne sowie die Unterzeichnung von Kollektivverträgen. Zudem wenden sie sich gegen eine geplante Reform der Küstenschiffahrt, die zu Massenentlassungen führe.

Nachdem am Dienstag Gespräche zwischen dem gewerkschaftlichen Dachverband der Seeleute (PNO) und der von der konservativen Nea Dimokratia geführten Koalition in Athen gescheitert waren, verkündete die PNO die Verlängerung des Ausstandes um 48 Stunden. Daraufhin gab Ministerpräsident Antonis Samaras grünes Licht zur erneuten Anwendung einer Notstandsverordnung, die streikende Arbeiter unter Androhung von Haftstrafen zur Aufnahme der Arbeit zwingen soll. Bereits Ende Januar hatte die griechische Regierung so die Kampfmaßnahmen der Beschäftigten der Athener Metro, die sich gegen Lohnkürzungen im Gefolge der Austeritätsmaßnahmen wehrten, beendet. Ein von sich widersetzenden Arbeitern besetztes Metrodepot ließ sie gewaltsam von der Polizei räumen.

Die Regierung rechtfertigte ihr Vorgehen mit dem Argument, der Streik schneide einige Inseln vom Festland ab und führe so zu einer Notsituation. Es gebe »keinen Raum für weitere Diskussionen«, ließ Schiffahrstminister Kostis Mousouroulis (Nea Dimokratia) am Dienstag verlauten. »Wir werden die Dienstverpflichtung zerreißen und in den Mülleimer der Geschichte werfen«, antwortete Antonis Dalakogiorgos, Präsident der PNO, in einem Interview mit dem griechischen Radiosender RealFM 97,8. Scharfe Kritik an der Notstandsverordnung kam auch von der kommunistischen Partei KKE. Die Reaktion auf den Streik mittels einer Zwangsdienstverpflichtung zeige erneut, daß die Regierung allein im Interesse des Monopolkapitals handle. Die linkssozialistische SYRIZA, derzeit Umfragen zufolge zumindest zweitstärkste Partei, verurteilte ebenso das Vorgehen der Athener Koalition. Ihr Parlamentsabgeordneter Panagiotis Lafazanis nannte die Regierung eine »Junta des Kapitals auf Kosten der Arbeiterklasse«. Auch die Gewerkschaftsdachverbände GSEE und ADEDY erklärten sich solidarisch mit den Streikenden und riefen für Mittwoch zu einem Streik in Athen auf.

In der Nacht von Dienstag zu Mittwoch begann die Polizei dann im Hafen gegen streikende Seeleute vorzugehen. Unter dem Druck der Notverordnung und von Beamten der Sondereinsatzeinheit MAT bedrängt, nahmen viele der Arbeiter ihre Tätigkeit wieder auf, am frühen Morgen liefen die ersten Schiffe aus.

Gegen zehn Uhr versammelten sich Gewerkschafter und linke Aktivisten im Hafen, mehrheitlich Mitglieder der kommunistischen PAME, um zum nahe gelegenen Schiffahrtsministerium zu ziehen. Weit kamen die bis zu 10000 Demonstranten allerdings nicht. Bereits nach wenigen hundert Metern fanden sie sich einer Straßensperre der Polizei gegenüber, Beamte mit Schilden und Tränengasmasken vor Polizeibussen machten die Fortsetzung des friedlichen Protestmarsches unmöglich, der deshalb gegen 12.30 Uhr beendet wurde. »Wenn die Regierung so weitermacht«, sagte ein Demonstrant beim Rückweg zum Gate E3, »dann wird bald ganz Griechenland mit Dienstverordnung an den Arbeitsplatz geschleift. Dann holen sie dich früh morgens mit der Pistole im Rücken von zu Hause ab und bringen dich zur Arbeit.« Der Widerstand gegen Austeritätsdiktate und den autoritären Krisenkurs geht dennoch weiter. Für den 20. Februar ist der nächste landesweite Generalstreik angekündigt.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 7. Februar 2013


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