Rassismus kennt keine Sommerpause
Griechenland: Repressionsschraube gegen Migration und soziale Bewegungen angezogen
Von Anke Stefan, Athen *
Juli und August sind Ferienmonate in Griechenland. Athen ist leergefegt,
auch die Linken sind irgendwo am Strand und nicht in den Treffpunkten
ihrer jeweiligen Organisation zu finden. Diese für jede Mobilisierung
nachteilige Situation nutzen die Regierungen gerne aus, um
Gesetzesvorlagen im Parlament zu verabschieden, die sonst auf Widerstand
und Proteste stoßen würden.
In diesem Sommer betrifft es vor allem die Organisationen selbst, die
sonst eben jenen Widerstand organisieren. Ein im Juli verabschiedetes
Gesetz, nach dem eine Straftat härter bestraft wird, wenn der Täter
dabei sein Gesicht verbirgt, richtet sich vor allem gegen vermummte
Militante, die den Protest gegen die Regierung auf die Straßen tragen.
Parallel zum Vermummungsgesetz wurden die seit Ende der Olympischen
Spiele 2004 nur noch zur Verkehrsüberwachung erlaubten Kameras für die
Überwachung auch von Demonstrationen freigegeben. Außerdem beschloss man
die Einrichtung einer DNA-Datenbank, in der jeder einer Straftat auch
nur Verdächtigte erfasst werden soll. Darüber hinaus werden
Mobilfunkunternehmen verpflichtet, die Adressdaten auch der Benutzer von
Prepaid-Kartentelefonen zu erfassen, während gleichzeitig die
Abhörbefugnisse von Polizei und Geheimdienst erweitert werden.
Daneben nutzt die Regierung die Sommerpause zur Verschärfung ihrer
Politik gegen Migranten. Hierzu verabschiedete Gesetze sehen unter
anderem die Verdoppelung der möglichen Dauer der Internierung von
Flüchtlingen auf sechs Monate, die Verkürzung des Asylverfahrens auf
eine einzige Instanz - Widerspruch ist nur noch wegen Verfahrensfehlern
möglich - sowie hohe Strafen für »illegale Einwanderer« und Schleuser
vor, unabhängig davon, ob letztere gegen Bezahlung oder uneigennützig
gehandelt haben. Außerdem wurde die Einrichtung von Internierungslagern
in abseits von den Städten gelegenen Gebieten beschlossen.
Zudem hat der Vizeminister für Inneres und oberste Dienstherr der
Polizei, Christos Makrogiannakis, damit begonnen, Tausende ohne Papiere
in den großen Städten lebende Flüchtlinge aufgreifen zu lassen. Sie
werden entweder in Sammellager gebracht oder sofort abgeschoben. Bekannt
geworden sind bisher zwei Abschiebeflüge nach Pakistan.
Flüchtlingsorganisationen berichten überdies von Fällen, in denen
Migranten von den griechischen Behörden in illegalen Nacht- und
Nebelaktionen zurück in die Türkei verbracht worden sind.
Nichtregierungsorganisationen und internationalen Medien berichten seit
langem ausführlich über die unmenschliche Behandlung von Flüchtlingen
und über die Verweigerung eines Asylrechts, das diesen Namen auch
verdient. Verschiedene Mitgliedsstaaten der EU haben daraufhin bereits
beschlossen, keine Flüchtlinge mehr nach Griechenland zurückzuschieben.
Auch von deutschen Gerichten sind derartige Entscheidungen gefällt worden.
Griechenland allerdings zeigt keinerlei Ansätze einer Humanisierung
seiner Migrationspolitik, sondern setzt auf mehr europäische Hilfe bei
der Abschottung seiner Grenzen. Mit geringem Erfolg, weil sich Menschen
aus Kriegs- oder Hungergebieten durch nichts abhalten lassen, anderswo
die Chance zum Überleben zu suchen. Und so landen gerade im Sommer nach
wie vor täglich im Schnitt über 100 Flüchtlinge allein auf den vor der
Küste der Türkei gelegenen griechischen Inseln an. Wenn dann vor allem
in den Zentren der großen Städte Tausende Migranten ohne Papiere, ohne
Anspruch auf Unterbringung und Verpflegung in leerstehenden Häusern oder
im Freien überleben, dann liegt dies nicht nur an fehlenden finanziellen
Mitteln. Der griechische Staat hat ein Interesse an derart geschaffenen
Problemzonen, weil sie ihm in der Bevölkerung Unterstützung für seine
fremdenfeindliche Politik verschaffen. Das reibungslose Zusammenspiel
von Polizei und griechischen Faschisten zum Beispiel bei der Vertreibung
unerwünschter Migranten aus einem Viertel der Athener Innenstadt macht
jedem Rassisten Mut und legitimiert jede Art fremdenfeindlicher Aktion.
Dabei bildet die Polizei keine Ausnahme. So verstarb beispielsweise am
27. Juli ein irakischer Flüchtling, der im April bei einem
Polizeieinsatz im nordgriechischen Hafen Igoumenitsa ins Koma geprügelt
worden war.
Die Linke in Griechenland versucht auf vielfältige Weise, diesem von
hoher Politik, Straßenfaschismus und fremdenfeindlichen Ressentiments in
der Bevölkerung getragenen Rassismus etwas entgegenzusetzen. Schon im
Juni fanden im ganzen Land zahlreiche Demonstrationen, Veranstaltungen
und antirassistische Festivals statt. Ende August wird auf Lesvos, einer
Insel vor der türkischen Küste, das internationale NoBorderCamp
stattfinden (noborder.org/). Immer wieder versuchen Aktivisten, die
Verschiebung von Flüchtlingen in grenznahe Lager zu stoppen, um illegale
Rückschiebungen zu be- und verhindern. Und auch die Flüchtlinge selbst
sind natürlich aktiv. So wehren sich beispielsweise seit dem 9. Juli 19
Flüchtlinge aus Pakistan und Afghanistan mit einem Hungerstreik gegen
ihre drohende Abschiebung. Fünf von ihnen haben mittlerweile Asyl
erhalten. Die anderen wurden in verschiedene Abschiebegefängnisse
gebracht, jede Kontaktmöglichkeit nach außen verschlossen. Die
Pakistanische Gemeinde Griechenlands ist darüber hinaus besonders
besorgt über die Lage des Journalisten Ali Asghar, der in Pakistan wegen
seiner regimekritischen Berichterstattung verfolgt wird, von
Griechenland aber trotzdem abgeschoben werden soll.
Unter den zahlreichen antirassistischen Initiativen fällt besonders die
erst kürzlich gegründete »Gemeinsam gegen Rassismus und die
faschistische Drohung« auf. In ihr sind nicht nur Linke, sondern
insbesondere Migrantenorganisationen und Gewerkschaften Mitglied. Auch
der bekannte Widerstandskämpfer und Komponist Mikis Theodorakis gehört
zu den Erstunterzeichnern ihres Gründungsaufrufes. Für den 31. August
hat die Initiative zu einem Koordinierungstreffen aller
antirassistischen Organisationen eingeladen.
* Aus: Neues Deutschland, 7. August 2009
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