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Gelbe Karte für Athen

Privat gegen Staat: Ratingagentur Moody’s stuft Kreditwürdigkeit des Landes drastisch herab. Griechen wollen andere Schiedsrichter

Von Klaus Fischer *

Griechenland hat die nächste gelbe Karte bekommen. Verteilt hat sie die US-Rating­agentur Moody’s Investors Service (Moody’s). Deren Analysten haben erhebliche Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des hochverschuldeten Landes ausgemacht – und wieder einmal den Daumen gesenkt: Die Bonitätsnote für das Mitglied der Euro-Zone werde um drei Stufen von Ba1 auf B1 zurückgesetzt, teilte die Agentur am Montag mit. Und damit nicht genug – in New York behält man sich weitere Herabstufungen vor, hieß es. Der Ausblick für die Entwicklung der griechischen Kreditwürdigkeit bleibe »negativ«.

Eigentlich ist das mehr als eine gelbe Karte, es ist fast ein Platzverweis. Übersetzt heißt das Urteil nämlich, niemand mit einigermaßen klarem Verstand sollte noch Geld an die Hellenen verleihen.

Staatsfinanzen und Fußballspiele haben nicht viele Gemeinsamkeiten. Außer, daß sie stark von Schiedsrichtern abhängen. Das jedoch kann teuer kommen. Bei Fehlentscheidung der Unparteiischen in der Champions League stehen durchaus zweistellige Millionenbeträge auf dem Spiel. Erlassen die Referees von den Ratingagenturen ein Verdikt, geht es für die betroffenen Staaten um zwei- und dreistellige Milliardensummen.

Und – der Fußball ist besser dran. Denn selbst dort kann gelegentlich ein grottenschlechter, ein bestochener oder auch nur ein in seiner Hybris gefangener Schiedsrichter ausgewechselt werden. Auf derartige Wunder brauchen Schuldnerstaaten nicht zu hoffen. Trotz gelegentlicher Drohgebärden von Regierungen steht der Machtblock der drei großen Ratingagenturen wie ein Fels im Meer der kapitalistischen Finanzbeziehungen. Moody’s, Standard&Poor’s (S&P) und Fitch sind mit ihren Bewertungen und deren Akzeptanz bis jetzt offensichtlich unersetzbar aus Sicht der »Investoren«.

Denen geht es um die Sicherheit ihrer »Anlage«. Bezogen auf solche in Form griechischer Staatsanleihen, müssen die sich tatsächlich Sorgen machen. Denn Moody’s ist der Ansicht, daß trotz »ambitionierter« Sparmaßnahmen und Strukturreformen in Griechenland »große Umsetzungsrisiken« bestehen. Möglicherweise komme das Land nicht um eine Umschuldung herum, bei der die Gläubiger auf einem Teil ihrer Forderungen sitzenbleiben. Es droht also ein Haircut, eine Teilschuldenabschreibung. Für die Privatinvestoren ist das eine Stufe vor dem GAU.

Die Interessen der Völker sind jedoch nicht die der Anleger. Und deshalb mehrt sich die Kritik am rustikalen Wirken der Agenturen. In Spanien bereiten Anwälte eine Klage gegen die »Schiedsrichter« vor (jW berichtete am 4. März). Auch aus Athen kamen am Montag scharfe Töne wegen des vermeintlichen Foulspiels von Moody’s.

Die schlechtere Beurteilung der Zahlungsfähigkeit sei völlig ungerechtfertigt, hieß es nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters aus dem Athener Finanzministerium. Der Entscheidung liege keine objektive und ausgeglichene Bewertung der Lage der Landes zugrunde, und der Schritt zeige vielmehr, daß Ratingagenturen stärker kontrolliert werden müßten. »In Zeiten einer schwachen Weltwirtschaft und nervöser Märkte kann eine unausgewogene und ungerechtfertigte Entscheidung wie die von Moody’s heute zu einer zerstörerischen, sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden.«

Nun ist nicht Moody’s für die exorbitante Staatsverschuldung Griechenlands verantwortlich. Allerdings gibt es auch unter bürgerlichen Ökonomen viele, die ein eher moderates Rating befürworten, wenn ein Staat sich an seinen Verbindlichkeiten zu strangulieren droht. Denn die Bonitätsnote sagt nicht nur etwas darüber aus, wie hoch das Ausfallrisiko der »Investoren« ist. Sie bestimmt auch die Höhe der Zinsen, die Geldgeber vom jeweiligen Staat erwarten. Für Griechenland hat sich diese Schere inzwischen weit geöffnet. Jeder Euro, den die Regierung borgt, kostet den Steuerzahler viel zusätzliches Geld. Das ist – zumindest in Teilen – nicht da, was zu erneuter Kreditaufnahme führt, um die Zinsen bezahlen zu können. Inzwischen ist der Zinsabstand für zehnjährige griechische Staatsanleihen gegenüber der deutschen Bundesanleihe auf 9,13 Prozent angewachsen.

unter Verwendung von Reuters; AFP

* Aus: junge Welt, 8. März 2011


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