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Kurs auf künftige Konflikte

Gewonnene Vertrauensfrage bedeutet für die neue griechische Regierung erst den Anfang

Von Anke Stefan, Athen *

Mit 255 Stimmen der 300 Abgeordneten im griechischen Parlament gewannen der frisch gekürte Ministerpräsident Lucas Papademos und sein Kabinett am Mittwochabend erwartungsgemäß die Abstimmung über die Vertrauensfrage. Aus Protest gegen die Sparpläne gingen in Athen Tausende Menschen auf die Straßen.

Von den Parlamentariern der Drei-Parteien-Regierung aus PASOK, Nea Dimokratia und LAOS stimmten lediglich drei gegen die eigene Regierung. Nea-Dimokratia-Vorsitzender Antonis Samaras schloss seinen Abweichler, Panagiotis Kammenos, daraufhin umgehend aus der Fraktion aus, während PASOK-Chef Giorgos Papandreou seine beiden Rebellen, Cetin Mantatzis und Christos Katsouras, ungeschoren ließ. Neben der Demokratischen Allianz von Dora Bakogiannis, die sich bereits im Vorfeld auf eine Unterstützung des Kabinetts von Papademos festgelegt hatte, gaben auch drei bereits früher aus PASOK beziehungsweise Nea Dimokratia ausgeschlossene, nunmehr unabhängige Abgeordnete eine Ja-Stimme ab.

Die linke Opposition dagegen stimmte geschlossen mit Nein. »Diese Regierung wurde gebildet, um den Interessen des Kapitals zu dienen«, postulierte der kommunistische Parlamentarier Apostolos Nanos in der Debatte um die Vertrauensfrage. Sie stehe nur scheinbar unter dem Druck der EU, erklärte er, »in Wirklichkeit richtet sich dieser Druck gegen das Volk«. Für die Linksallianz SYRIZA setzt die neue Regierung die bereits »gescheiterte Politik ihrer Vorgängerin fort«. Das Problem aber sei gar nicht Griechenland, so Fraktionsvorsitzender Alexis Tsipras, »das Feuer ist längst in ganz Europa aufgeflammt«. Die Verantwortung dafür sah der SYRIZA-Fraktionschef auch beim neuen Ministerpräsidenten Papademos. »Als Vizepräsident der Europäischen Zentralbank haben Sie einer Politik gedient, die sich als katastrophal für die Eurozone und die Völker Europas erwiesen hat.«

Die aus der größten Mitgliederpartei von SYRIZA, dem Synaspismos, abgespaltene Demokratische Linke dagegen verweigerte dem Kabinett von Papademos zwar das Ja, schloss eine Zusammenarbeit aber nicht generell aus. Man werde sich »mit konkreten Vorschlägen und Forderungen einbringen«, so Vorsitzender Fotis Kouvelis.

Aus der dennoch überwältigenden Zustimmung in dem für ein nicht gewähltes Kabinett obligatorischen Votum lässt sich allerdings keine problemlose Regierungsführung ableiten. Bereits bei der ersten dringenden Aufgabe, die Gläubiger in EU und IWF von der Freigabe der anstehenden Kredittranche zu überzeugen, trifft Papademos auf Widerstand in den eigenen Reihen.

Nach wie vor macht Brüssel die Auszahlung der acht Milliarden von einer schriftlichen Verpflichtung der an der Koalition beteiligten Parteichefs abhängig. Diese aber ist für den Vorsitzenden der Nea Dimokratia, Antonis Samaras, ein Affront gegen die eigene und die nationale Würde.

Mit dieser Aussage von Samaras sind künftige Konflikte bereits programmiert.

* Aus: neues deutschland, 18. November 2011


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