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"Migranten werden auch mit Knüppeln geschlagen"

Philippinische Hausangestellte in Griechenland haben sich organisiert. Schwere Vorwürfe gegen die Polizei. Gespräch mit Debbie Valencia *


Debbie Valencia ist Sprecherin von Casapi Hellas, einer Vereinigung philippinischer Hausangestellter in Griechenland.

Ihr Verband »Casapi Hellas« kämpft für die Rechte der philippinischen Hausangestellten in Griechenland. Wie ist dort zur Zeit die Lage der Migranten?

Sehr, sehr schwierig. Für die Griechen sind die Auswirkungen der Krise verheerend, aber den ausländischen Hausangestellten ergeht es noch schlimmer. Viele haben ihre Arbeit verloren. Anderen wird weniger für die gleiche Arbeit gezahlt. Sie arbeiten zehn bis zwölf Stunden am Tag, sechs Tage in der Woche – dafür bekommen sie oft nur noch 500 Euro im Monat. Viele haben Griechenland inzwischen verlassen, sind zum Beispiel in ein anderes europäisches Land gezogen, was nicht ganz einfach ist. Einige sind auch in ihre Heimat zurück gegangen, weil sie in Griechenland keine Zukunft sehen.

Gibt es Probleme mit dem Aufenthaltsrecht?

Natürlich, damit die Aufenthaltsgenehmigung verlängert wird, muß man einen Mindestbetrag in die Sozialversicherungen eingezahlt haben. Aber wer keine Arbeit hat, ist dazu nicht in der Lage und verliert deshalb sein Aufenthaltsrecht. Dadurch werden ausländische Hausangestellte zu Papierlosen, zu sogenannten Illegalen. Früher wurden Aufenthaltsgenehmigungen für fünf Jahre oder zum Teil auch unbefristet vergeben, doch das ist vorbei. Die Genehmigungen werden nur noch für ein oder zwei Jahre ausgestellt.

Das heißt, es kann passieren, daß eine Hausangestellte 20 Jahre in Griechenland gearbeitet hat und dann das Land verlassen muß, weil sie ihre Aufenthaltsgenehmigung verliert?

Wir haben eine Frau als Mitglied, die seit 35 Jahren hier lebt. Jetzt ist sie 70 Jahre alt und arbeitslos. Ginge sie zurück in ihre Heimat, hätte sie keine Rentenansprüche. Ihre Ersparnisse hat sie in der Zeit aufgebraucht, in der sie nach einer neuen Anstellung suchte. Andere sind ähnlich lange hier und haben sogar einen Teil ihrer Familie nachgeholt.

Hinzu kommen gewalttätige Angriffe von Rechtsextremen der »Goldenen Morgendämmerung«. Viele philippinische Hausangestellte fürchten sich auch vor der Polizei. Wenn du nicht wie ein Grieche aussiehst, kann es dir ohne weiteres passieren, daß du auf der Straße kontrolliert wirst, einfach so. Und wenn mit deinen Papiere etwas nicht stimmt, kannst du für unbegrenzte Zeit festgehalten werden. Oder auch nur deswegen, weil dem Polizisten gerade mal danach ist. Als wir zum Beispiel neulich unser Vorbereitungstreffen für den Alternativgipfel in Athen hatten, wurde eines unserer Mitglieder von der Polizei verhaftet, weil die Beamten behaupteten, ihre Papiere könnten gefälscht sein.

Wie verhalten sich die Beamten bei solchen Gelegenheiten?

Sehr barsch. Manchmal werden die Migranten oder Flüchtlinge auch mit Knüppeln geschlagen. Sogar zwei koreanischen Touristen ist so etwas schon passiert. Sie wurden auf der Straße ohne konkreten Anlaß angehalten, kontrolliert und festgenommen. Sie mußten ihre Botschaft anrufen, damit diese sie wieder herausholt. Und wenn man zum Beispiel zur Polizei geht, um die Aufenthaltsverlängerung zu beantragen, dann kann es einem passieren, daß man dort erst mal angeschrien wird.

Wie sehen die Bedingungen in den Arrestzellen aus?

Die Zellen, auch die Zellen in den Internierungslagern, sind in abstoßendem Zustand. Oft gibt es nicht einmal eine Toilette. Den Inhaftierten wird einfach gesagt, sie sollen ihre Notdurft in der Zelle verrichten, man läßt sie nicht raus. Außerdem sind die Zellen überfüllt, und das Essen ist oft ungenießbar. Wir bringen unseren Leuten manchmal Essen, Kleidung und auch Decken. Sie müssen auf dem Boden schlafen.

Was sind Ihre Forderungen?

Wir wollen Schutz für die ausländischen Hausgestellten, auch vor der Polizei. Unsere Leute sind verängstigt. Wenn sie angegriffen werden, können sie nicht einmal zur Polizei gehen, weil diese sie nicht beschützt. Eher laufen sie noch Gefahr, festgenommen zu werden.

Interview: Wolfgang Pomrehn

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 19. Juni 2013


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