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Hellas' Gold für "Eldorado"

Der Abbau von Edelmetallen gehört zum Ausverkauf Griechenlands, ist aber umstritten. Der Kampf um eine Goldmine ist eskaliert

Von John Malamatinas, Chalkidiki *

Ähnlich lange wie den Abbau von Gold gibt es in Nordgriechenland auch den Widerstand dagegen. In Chalkidiki gab es zuletzt nicht nur Massenproteste, sondern auch einen großen Brandanschlag gegen eine Mine. Es folgte eine große Welle polizeilicher Repression.

Ein großes Solidaritätskonzert in einem Basketballstadion – so antwortet die nordgriechische Bewegung gegen den Goldabbau am kommenden Freitag auf die Repression gegen ihren Kampf. Demonstrationen, Straßenblockaden, Sabotage, kollektiver ziviler Ungehorsam – so sieht aktuell der Widerstand gegen eine Goldmine im Hügel Skouries auf der nordgriechischen Halbinsel Chalkidiki aus. Es ist ein Kampf mit langer Tradition, fast wie der Goldabbau selbst, sagen einige Menschen in der Region. Nur ist dieser Kampf selten über die Landesgrenzen hinaus bekannt geworden.

Am 9. März fand in Thessaloniki, der sogenannten »Hauptstadt des Nordens« Griechenlands, eine der größten Demonstrationen der letzen Jahre statt. Mehr als 15 000 Menschen kamen, um nach wochenlangen Repressalien seitens der Polizei gegen den Goldabbau zu demonstrieren.

Während die Kundgebung beginnt, erklärt Nikos [*] von der lokalen Solidaritätsversammlung, dass »alle« da sind: »Von den EinwohnerInnen, die unmittelbar betroffen sind, über AktivistInnen aus anderen Regionen, wo ebenfalls Minen geplant sind, bis zu ganz einfachen Menschen, die sich mit unserem Kampf solidarisieren. « Die vielen verschiedenen bunten Transparente, viele AktivistInnen mit den bekannten »SOSChalkidiki «-T-Shirts und die für Griechenland typisch langen Slogans zeugen von einer hoch entwickelten Protestkultur.

Die Argumente der Bevölkerung gegen den Abbau von Edelmetallen sind vielfältig. Viele erwarten eine ökologische Katastrophe: das Verschwinden ganzer Wälder, Staub in der Luft, Gifte in Grundwasser und Meer. Der Widerstand gegen die Goldminen hat enorme Ähnlichkeiten mit Kämpfen gegen andere Großprojekte im europäischen Raum. Der ökosoziale Charakter, die breite Beteiligung verschiedener Teile der Bevölkerung und die Erfahrung von Solidarität und Selbstermächtigung durch die Vielfalt der Aktionsformen erinnern an die Auseinandersetzungen um den Bau des Hochgeschwindigkeitszugs TAV im Susa-Tal in Italien oder gegen die Castor-Transporte im Wendland.

Während die Demonstration an der Uferpromenade vorbeizieht erklärt eine junge Aktivistin, dass »die Erfahrungen aus der Geschichte der Minen in Chalkidiki und vor allem Einschätzungen von Universitätsprofessoren viele aufgeschreckt haben«. Andere Demonstrierende befürchten negative Auswirkungen auf die Wirtschaft: dass der Tourismus, von dem ganz Chalkidiki lebt, einbricht oder kleinere Unternehmen zu Schaden kommen. Die dann steigende Erwerbslosigkeit könnte die Jugend aus der Region vertreiben. »Wir fürchten um unser Überleben und um die Zukunft unserer Kinder« betont ein älterer Herr namens Periklis*, der eines der bunten T-Shirts trägt. Die Argumente der Gegenseite, die Goldminen schafften Arbeitsplätze und die ökologischen Auswirkungen seien wissenschaftlich untersucht worden, akzeptiert außer den MinenarbeiterInnen selbst und deren Angehörigen niemand. Der großen Mehrheit ist das Risiko für die ganze Region zu hoch – ohnehin bleibe vom Goldabbau kein Geld in der lokalen Verwaltung oder der Staatskasse hängen.

Die kanadische Firma »Eldorado Gold« will laut »New York Times« über eine Milliarde Euro in Chalkidiki investieren, die Aktivitäten ihrer Tochterfirma »Hellas Gold« sollen mindestens 15 Jahre andauern. Laut »Wall Street Journal « will die Firma »Griechenland zum größten Goldproduzenten Europas machen«.

Die Minen in Chalkidiki sollen nicht die einzigen im Norden Griechenlands sein. Im Rahmen des Krisenprogramms und des Ausverkaufs des griechischen Staates, die mit der Verwertung jeglicher Rohstoffe und der Privatisierung öffentlicher Güter einhergehen, sollen in Kilkis und in der Nähe von Alexandroupolis weitere Minen eröffnet werden. Aber auch dagegen organisiert sich schon erheblicher Widerstand – vernetzt mit der Bewegung in Chalkidiki.

Seitdem das Vorhaben der »Hellas Gold« bekannt wurde, hat sich Chalkidikis Bevölkerung reorganisiert. Seine endgültige Zuspitzung fand der Kampf am 17. Februar, als sich etwa 40 vermummte AktivistInnen Zugang zur Skouries-Mine verschafften und Fahrzeuge, Maschinen und Büroräume in Brand steckten. Das löste enormes mediales Aufsehen aus. Direkt am Tag nach dem Anschlag besuchte der »Minister zum Schutz des Bürgers« Nikos Dendias die Baustelle und versprach, die Täter zu fassen. Ministerpräsident Antonis Samaras wollte »die ausländischen Investitionen in diesem Land um jeden Preis schützen«.

Nach dem Anschlag eskalierte die Repression gegen die BewohnerInnen. Täglich fanden Hausdurchsuchungen statt, auch Festnahmen mit DNS-Abnahmen. Manchen Festgenommenen wurde einen ganzen Tag lang der Kontakt zur Familie oder einem anwaltlichen Beistand verweigert. Ein Mitglied der linken Partei SYRIZA wurde verhaftet, weil es durch öffentlichen Aufruf zum Protest zur Tat angestiftet haben soll. Bis Anfang März dauerte die polizeiliche Operation, an der auch die Antiterroreinheit beteiligt war. Kürzlich berichteten Medien, dass auf Basis von DNS-Abgleichen mit am Tatort gefundenen Kleidungsstücken und Zigarettenstummeln sowie von Handy-Ortungsdaten gegen 20 AktivistInnen aus der Region schwere Vorwürfe erhoben werden, die aber noch nicht personalisiert worden sind. Einige der Vorwürfe lauten: Gründung einer kriminellen Vereinigung, versuchter Mord und Besitz von Sprengstoffen. Parallel dazu laufen Prozesse gegen AktivistInnen wegen Vergehen auf Demonstrationen der letzten Monate.

Zwei Wochen nach dem Anschlag protestierten in Megali Panagia, dem Dorf in direkter Nähe der Skouries-Mine, von der Firma mobilisierte ArbeiterInnen und Angehörige gegen den Widerstand. Einer der prominentesten Redner war Adonis Georgiadis, früher Mitglied der rechtspopulistischen Partei »LA.OS«. Am selben Tag veröffentlichte die Firma in Zeitungen eine ganzseitige Anzeige mit Fotos der ArbeiterInnen, die ihren Arbeitsplatz verteidigten.

Die Gegenmobilisierung seitens der Firma und des Staates hat eine so lange Geschichte wie die Proteste selbst. Sicher scheint aber, dass der Widerstand auf Grund seiner Geschichte und auch der vielfältigen Zusammensetzung nicht so schnell untergehen wird. Wichtig ist dabei vielen Protestierenden die Vernetzung mit ähnlich Betroffenen nicht nur im Norden Griechenlands, sondern auch mit Protesten gegen andere Großprojekte in Europa.

[*] Name vom Autor geändert

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 3. April 2013


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