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"Verheerend für Wälder und Wasserversorgung"

In Nordgriechenland will ein kanadisches Unternehmen im großen Stil Gold abbauen. Dagegen gibt es Widerstand. Ein Gespräch mit Maria Kadoglou *




Im Gebiet um Skouries auf der nordgriechischen Halbinsel Chalkidike findet man goldhaltiges Gestein. Nun will die kanadische Firma »Eldorado Gold« in das Geschäft einsteigen. Was ist geplant?

Mehr als 90 Prozent dieser Region besteht aus Wald, dessen Bäume teilweise mehrere hundert Jahre alt sind. Daß es dort Gold gibt, ist lange bekannt, in kleinerem Ausmaß wird es dort seit Jahrzehnten abgebaut.

Der Ertrag ist zwar gering – aber das goldhaltige Gebiet ist riesig. »Eldorado Gold« läßt sich deswegen die Ausbeutungsrechte für 31700 Hektar sichern. Drei Bergwerke sind geplant: eines in Skouries, eines in Olympiada und eines in Stratoni. In Skouries haben die Arbeiten bereits begonnen. Dort läßt das Unternehmen seit März 330 Hektar Wald roden, um Straßen anzulegen und Platz für Anlagen, Lager und Abraumflächen zu schaffen. Bisher wurden etwa 40 Hektar abgeholzt.

Täglich sollen 25000 Tonnen Gestein im Tagebau gefördert und zu Staub zerkleinert werden. Der durchläuft dann eine chemische Behandlung, bei der weniger als ein halbes Gramm Gold und eine geringe Menge Kupfer pro Tonne Gestein gewonnen werden. Der Rest ist Abfall.

Soll bei der Aufbereitung des goldhaltigen Gesteins auch das giftige Zyanid eingesetzt werden?

Die Firma verwendet angeblich eine zyanidfreie Technik, eine Variante des »Flash-Smelting« – die bisher noch nie genutzt wurde. Das Gestein in Skouries ist eher kupferhaltig, das von Olympiada stärker mit Arsenopyrit durchsetzt, beides soll in Stratoni aufbereitet werden. Wenn das »Flash-Smelting« bei diesen unterschiedlichen Voraussetzungen nicht funktioniert, wird »Eldorado Gold« sicher auf die bewährte Alternative Zyanid zurückgreifen.

Wer wehrt sich gegen diese Pläne?

Eine Minderheit der Leute aus den Dörfern im Gebirge oder nahe Stratoni arbeitet entweder schon für die Firma oder erhofft sich Aufträge von ihr – immerhin hat sie behauptet, Tausende Arbeitsplätze schaffen zu wollen, was aber gelogen ist. Der Rest der Bevölkerung wehrt sich – insbesondere in den Dörfern, die vom Tourismus, von Forst- und Landwirtschaft oder vom Fischfang leben.

Wir sind dagegen, daß Gold im großen Stil abgebaut wird. Bislang werden zwar nur 600 bis 700 Tonnen Gestein pro Tag im Untertagebau gefördert – aber auch das hat schon zu irreparablen Umweltschäden geführt. Geplant ist aber, die täglich 25000 Tonnen im Tagebau zu gewinnen, wie es in Australien geschieht.

Im Gegensatz dazu ist unsere Landschaft keine Wüste, sondern die zweitwichtigste Touristikregion Griechenlands. Es ist errechnet worden, daß dann pro Stunde 3100 Tonnen Staub auf die Umgebung von Skouries niedergehen würden.

Wie würde sich der Goldabbau auf Grundwasser und Flüsse auswirken?

Das Wasser vom Berg Kakkavon in ¬Skouries speist die Trinkwasserleitungen der Dörfer der gesamten Region, es fließt teilweise in die Havria, die den Rest der Chalkidike mit Wasser versorgt. Die Goldgewinnung hat einen sehr hohen Wasserverbrauch. Darüber hinaus soll das Grundwasser um 300 bis 400 Meter abgesenkt werden, damit es nicht beim Gesteinsabbau stört. Das alles hätte verheerende Auswirkungen für die Wälder und die Wasserversorgung der Region.

Was können Sie gegen die Umsetzung dieser Pläne noch ausrichten?

Wir haben beim höchsten Verwaltungsgericht Klage eingereicht und erwarten die Entscheidung gegen Ende dieses Jahres. Darüber hinaus haben wir seit dem Frühjahr eine Reihe Mobilisierungen, Demonstrationen und ähnliches organisiert.

Die größte Aktion fand am 21. Oktober statt. Was ist da passiert?

Mit über 2500 Teilnehmern sind wir sieben Kilometer durch den Wald bis zu der Stelle gelaufen, wo gerade gerodet wurde. Als uns dort die Polizei den Weg versperrte, haben wir uns aus Protest auf den Boden gesetzt. Anderthalb Stunden später griff sie uns plötzlich mit Tränengas an – unsere Leute flohen voller Panik in den Wald.

Das Schlimmste kam noch: Als wir zu unseren Autos zurückgefunden hatten und wegfahren wollten, griffen uns die Polizisten erneut an. Sie schlugen zu, wo sie konnten, zertrümmerten Autoscheiben, zerrten die Leute heraus, warfen sie zu Boden und traten auf sie ein. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, daß Polizisten sogar eine Tränengasgranate in ein Auto warfen – und das war nicht der einzige derartige Vorfall! Ein Fahrer, der wegen des Tränengases die Kontrolle über sein Auto verloren hatte und gegen einen Baum fuhr, wurde jetzt sogar wegen versuchter Körperverletzung angeklagt.

Interview: Heike Schrader, Athen *

* Maria Kadoglou ist Mitglied der Organisation Hellenic Mining Watch – Resistance to destructive mining in Greece.

Aus: junge Welt, Dienstag, 30. Oktober 2012


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