Kaputtspekuliert?
Investoren und Ratingagenturen setzen Griechenland unter Druck
Von Hermannus Pfeiffer *
Griechenland steht seit Monaten wegen seiner enormen Staatsschulden
unter Druck. Vergangene Woche reagierten erstmals auch die Aktienmärkte:
Gerüchte und schlechte Ratingnoten ließen die Kurse fallen.
Die Krise in Griechenland spitzt sich zu. Das Land sei »wie die
Titanic«, sagte ein Fondsmanager. Erstmals schwappte die Schuldenkrise
jetzt auf die internationalen Aktienmärkte über: Börsengerüchte und der
Fall von Aktienkursen sorgen international für ein Klima, das es dem
Mittelmeerstaat immer schwerer macht, seinen Weg aus der Krise zu finden.
An den Börsen von Frankfurt, London und der Wall Street machen sich neue
Sorgen um die hohe Staatsverschuldung breit. Die griechischen Schulden
bei Banken im Ausland betragen 302,6 Milliarden Dollar, mehr als das
jährliche Bruttoinlandsprodukt. Die Risikoprämien für griechische
Staatsanleihen kletterten im Vergleich zu Bundesanleihen auf den
höchsten Stand seit Einführung des Euro. Griechenland muss nun für
Neuschulden über sieben Prozent Zinsen zahlen - vier Prozentpunkte mehr
als Deutschland.
Offensichtlich haben einige Finanzmarktakteure Griechenland als
Sündenbock für Europa auserkoren. Fast alle Länder sind höher
verschuldet, als es die Maastrichter Verträge eigentlich erlauben. Und
tatsächlich ist die Staatsverschuldung Athens sogar niedriger als die
Italiens und nicht höher als in Spanien oder Irland. Trotzdem müssen
diese drei Länder einen weit niedrigeren Risikoaufschlag bei den Zinsen
verkraften.
Die jüngste Krise ausgelöst haben frische Gerüchte. So berichtete eine
Zeitung von einem noch höheren Haushaltsdefizit, eine Studie der
Commerzbank warnte vor zunehmender Kapitalflucht in die Schweiz und eine
Internetseite berichtete von angeblichem Widerstand in der Regierung
gegen Auflagen des Internationalen Währungsfonds (IWF). Mitte März hatte
die EU im Grundsatz einen Notfallplan beschlossen, der bei drohender
Zahlungsunfähigkeit neben bilateralen Krediten auch Hilfen des IWF
beinhalten könnte.
Auch die Ratingagenturen erhöhen den Druck auf die sozialdemokratische
PASOK-Regierung von Giorgos Papandreou. So soll Fitch Athen empfohlen
haben, sich sofort um IWF-Hilfen zu bemühen, und Moody's scheint derzeit
über eine weitere Abstufung nachzudenken. Dadurch wachsen Befürchtungen,
dass Griechenland seine Schulden nicht zurückzahlen kann, warnen
Börsianer. Dies könnte bald zu einer sich selbst erfüllenden
Prophezeiung werden.
Die Ziele der Akteure unterscheiden sich: Hedgefonds spekulieren mit
Leerverkäufen und mit Kreditausfallversicherungen gegen den Euro. Andere
hoffen auf noch höhere Renditen mit griechischen Anleihen, denn
angesichts weltweiter Niedrigzinsen bei Staatsanleihen bringen Sätze von
mehr als sieben Prozent Anleger ins Schwärmen. Wieder andere wollen IWF
und Euroländer zum Eingreifen zwingen, um an deren Rettungsprogrammen zu
verdienen.
Dabei wäre auch ohne Gerüchte die Lage ernst genug. So verlieren
griechische Banken an Vertrauen. Zur Erinnerung: Allgemeiner
Vertrauensschwund hatte 2008 dazu beigetragen, dass sich eine
US-amerikanische Immobilienkrise zu einer globalen Finanzkrise
ausweitete. Papandreous Regierung soll den Banken 15 Milliarden Euro zur
Verfügung stellen, um die Konjunktur mit Krediten anzukurbeln. Ansonsten
verlaufe alles nach Plan, versichert die Regierung. Griechenland drohe
keine Insolvenz, beteuert auch der Präsident der Europäischen
Zentralbank, Jean-Claude Trichet.
Dabei ließ sich die letzte Anleihe Griechenlands nur noch schwer an
Investoren verkaufen. Ein Schuss vor den Bug des Staatsschiffes, denn
die 300-Milliarden-Schulden müssen laufend refinanziert werden. In den
nächsten Wochen muss Griechenland zweistellige Milliardensummen
aufnehmen. Durch den Druck der Rater und Investoren wird dies immer
teurer. Mittlerweile sind die hohen Kreditkosten zu einem entscheidenden
Wettbewerbsnachteil für Griechenlands Wirtschaft geworden.
* Aus: Neues Deutschland, 12. April 2010
Euro-Finanzminister zurren Notplan fest
Griechischer Premier: "Revolver ist geladen" **
Die Finanzminister der 16 Euro-Länder haben bei einer kurzfristig
anberaumten Videokonferenz die Details des Rettungsplans für
Griechenland endgültig beraten.
Der Rettungsplan für das hoch verschuldete Griechenland steht. Die
Finanzminister der 16 Euro-Länder einigten sich am Sonntag (11. April)
auf Details für mögliche Nothilfen, sagte der Vorsitzende der
Ministerrunde, Luxemburgs Jean-Claude Juncker, am Sonntag in Brüssel. Im
ersten Jahr wollten die Staaten der Eurozone 30 Milliarden Euro
aufbringen, falls dies nötig sein sollte. Diese Hilfen müssten vom
Internationalen Währungsfonds (IWF) ergänzt werden. Griechenland werde
keine subventionierten Zinsen erhalten.
Ende zurückliegender Woche hatten sich Experten der Euro-Länder dem
Vernehmen nach auf Regelungen des Nothilfeplans verständigt, darunter
Zinshöhe und Kreditumfang. Die Finanzminister besiegelten dies nun
politisch. Zunächst war die Rede von Kredithilfen in Höhe von 20 bis 25
Milliarden Euro - zu einem Zinssatz, der deutlich unter den derzeitigen
Marktkonditionen liege.
Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou äußerte sich noch
vor dem Ministertreffen optimistisch. Er verglich den EU-
Notfallmechanismus mit einer Waffe, mit der notfalls geschossen werden
könne. »Der Revolver ist jetzt geladen«, sagte er der Athener Zeitung
»To Vima« am Sonntag. Papandreou wirft Spekulanten vor, die Stimmung
gegen Griechenland aufgeheizt und damit auch den Euro geschwächt zu
haben. »Griechenlands Platz ist in der Eurozone«, sagte der
Ministerpräsident. »Jedes andere Szenario ist ein Witz.«
Juncker, und der finnische EU-Währungskommissar Olli Rehn informierten
die Medien am späten Nachmittag in Brüssel über die Ergebnisse der
Beratungen. Laut Diplomaten sollte ein Ergebnis vor Öffnung der
Finanzmärkte am Montag präsentiert werden. Währungskommissar Rehn sagte,
es gebe auch eine Vereinbarung für die Zinssätze. Für einen
Drei-Jahres-Kredit seien rund fünf Prozent Zinsen fällig.
In der vergangenen Woche waren die Risikoaufschläge für griechische
Anleihen auf eine neuerliche Rekordhöhe gestiegen. Die Ratingagentur
Fitch stufte die Kreditwürdigkeit des Landes dramatisch herab. Die
Turbulenzen belasten seit Längerem den Kurs des Euro.
Um den Rettungsplan in Gang zu setzen, muss das mit 300 Milliarden Euro
verschuldete Griechenland um Geld bitten. Das ist bisher nicht
geschehen. Am Dienstag sollen neue Staatsanleihen in Milliardenumfang
platziert werden.
** Aus: Neues Deutschland, 12. April 2010
EU rettet Banken ***
Die Länder der Euro-Zone haben sich am Sonntag (11. April) in einer
Videokonferenz der Finanzminister auf die Modalitäten zur Unterstützung
Griechenlands verständigt. Athen könnten im ersten Jahr bis zu 30
Milliarden Euro bereitgestellt werden, erklärte Luxemburgs
Regierungschef und Vorsitzender der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker,
nach der Besprechung. An der Hilfe, die durch Mittel des Internationalen
Währungsfonds (IWF) ergänzt werden müßte, würden sich alle 16
Euro-Staaten beteiligen. Griechenland muß dafür deutlich niedrigere
Zinsen bezahlen als an den Finanzmärkten. Kommentatoren verglichen die
Situation mit der vom Herbst 2008, als die Investmentbank Lehman
Brothers ihren Bankrott erklärte.
Die Entscheidung war vor Öffnung der Börsen am Montag angestrebt worden.
Sie ist offenkundig unter dem Druck von Banken zustandegekommen. Am
Freitag hatte die Ratingagentur Fitch die Kreditwürdigkeit des Landes
auf BBB- und damit auf die letzte Stufe vor der Ramschanleihe
herabgestuft. Das Land muß mit 7,5 Prozent derzeit etwa doppelt so hohe
Zinsen zahlen wie Deutschland. Athen benötigt bis Ende Mai rund zehn
Milliarden Euro, um Schulden in Höhe von mehr als 300 Milliarden Euro zu
bedienen.
Formal war auch am Sonntag noch offen, ob das Land die Hilfe von EU und
IWF annimmt. Tatsächlich bedeutet die Entscheidung aber die faktische
Erklärung des Staatsbankrotts und zugleich eine Rettungsgarantie.
Juncker erklärte: »Es gab keine Entscheidung, den Mechanismus zu
aktivieren - aber wir sind jetzt bereit, den Mechanismus in Gang zu
setzen.« Die Märkte hätten auf eine solche Klärung gewartet. In einem
Papier der Minister heißt es, die Notkredite würden gezahlt, wenn dies
nötig werden sollte, »um die finanzielle Stabilität der Euro-Zone
insgesamt zu sichern«. EU-Währungskommissar Olli Rehn erklärte, er
erwarte vom IWF einen »substantiellen Beitrag« in der Größenordnung von
zehn Milliarden Euro. Griechenland müsse für einen Kredit mit bis zu
drei Jahren Laufzeit einen Zins von fünf Prozent zahlen.
Athen könnte damit binnen kurzer Zeit Kredite vom IWF und einzelnen
Eurostaaten erhalten, sollte eine Finanzierung am Kapitalmarkt nicht
mehr möglich sein. Vor allem Deutschland hatte genau diese Lösung seit
Monaten bekämpft und schließlich am 25. März strikte Bedingungen für
Hilfen sowie die Beteiligung des IWF durchgesetzt.
Der griechische Regierungschef Giorgos Papandreou war am Sonntag
Gerüchten über einen Austritt Griechenlands aus dem Euro
entgegengetreten. »Griechenlands Platz ist in der Euro-Zone«, erklärte
er in der Zeitung To Vima. »Jedes andere Szenario ist ein Witz.« Der
Ministerpräsident verglich die möglichen Hilfskredite mit einem
»Revolver, der auf dem Tisch liegt«. Mit den EU-Garantien sei er »geladen«.
Das unter dem Diktat der Finanzmärkte auf den Weg gebrachte
Rettungsprogramm kann nach Ansicht der FDP die Stabilität der
Einheitswährung gefährden. »Das ist der Einstieg in einen Euro als
Weichwährung«, erklärte Frank Schäffler, Finanzexperte der Liberalen, in
der Welt am Sonntag. »Beim Treffen der EU-Regierungschefs Ende März war
klar vereinbart worden, daß Griechenland keine Subventionen erhalten
solle. Der avisierte Zinssatz klar unter dem Marktzins ist eine solche
Subvention.« Der Plan sei ein krasser Verstoß gegen die
Stabilitätskultur innerhalb der Währungsgemeinschaft.
*** Aus: junge Welt, 12. April 2010
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