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Blutige Erdbeeren

Rassistische Gewalt in Griechenland: Schüsse auf Arbeiter aus Bangladesch

Von Anke Stefan, Athen *

Ein Verbrechen wirft ein Schlaglicht auf Arbeitsbedingungen: Der Besitzer einer griechischen Erdbeerplantage ließ auf Saisonarbeiter aus Bangladesch schießen.

»Verschwindet, sonst legen wir euch um - und wenn ihr wieder herkommt, machen wir euch fertig«, sollen die Aufseher nach Angaben eines Betroffenen gesagt haben. Dann eröffneten sie das Feuer auf etwa 200 Erdbeerpflücker, die die Auszahlung der ihnen zustehenden Tagelöhne forderten.

27 Arbeiter wurden durch die Schüsse am Mittwoch im griechischen Manolada verletzt, die Geschosse trafen teilweise Auge und Kopf sowie innere Organe der überwiegend aus Bangladesch stammenden Pflücker.

Die Polizei nahm wenig später den Besitzer der Erdbeerplantage fest, nach den Tätern, die geschossen hatten, wird noch gefahndet. Berichten zufolge ist zumindest einer bekannt. Er soll im August vorigen Jahres einen aus Ägypten stammenden Pflücker an ein Motorrad gebunden und durch die Straßen geschleift haben.

Der mörderische Angriff am Mittwoch bildet den Gipfel der menschenunwürdigen Behandlung vorwiegend migrantischer Arbeiter durch die Agrarunternehmen in der für ihre Erdbeeren berühmten Region auf der Halbinsel Peloponnes. Bereits in den vergangenen Jahren waren Journalisten, die sich von den Lebens- und Arbeitsbedingungen der Agrararbeiter in der Region ein Bild machen wollten, ebenfalls von den Schlägern der Plantagenbesitzer angegriffen worden. Trotzdem drangen immer wieder Berichte durch, denen zufolge die bei der Ernte eingesetzten Wanderarbeiter skrupellos ausgebeutet werden. So müssen sie teilweise in glühender Sonne bis zu zwölf Stunden schuften. Jedes Nachlassen in der Geschwindigkeit wird von den Aufsehern mit Flüchen oder auch Prügel bestraft. Und das alles für einen Tageslohn von höchstens 25 Euro - unversichert. Vom Lohn werden den Pflückern noch bis zu drei Euro täglich »Miete« abgezogen, für die Unterbringung in meist direkt auf den Feldern stehenden elenden, aus Holz und Planen errichteten Baracken, ohne Strom und fließendes Wasser.

Auch die Verweigerung von Lohn ist gängige Praxis. Insbesondere wenn die Migranten ohne Arbeitserlaubnis beschäftigt werden, ängstigt man sie mit einer möglichen Anzeige bei der Polizei, anstatt sie zu bezahlen. Den Betroffenen droht im Falle der Anzeige Abschiebehaft und Ausweisung, der schwarz beschäftigende Unternehmer hat in der Regel keine Konsequenzen zu befürchten.

»In einer Zeit des Ausbruchs von Rassismus hat der Vorfall auch mit der fehlenden Kontrolle der Arbeitsbedingungen griechischer und ausländischer Arbeiter, insbesondere im Agrarsektor, zu tun«, so die sozialdemokratische Regierungskoalitionspartnerin PASOK zu den Schüssen. »Die Verletzung von Arbeitsrechten aufgrund der Herkunft der Arbeitenden bildet in jedem Fall eine rassistische Tat und muss als solche behandelt werden.«

Von einer »verbrecherischen, rassistischen Tat« sprach auch die größte Oppositionspartei im griechischen Parlament, SYRIZA. »Dies ist ein weiterer Fall von vielen derartigen, die sich in der Region Manolada zu Lasten von migrantischen Arbeitern ereignen, die außer von einer hemmungslosen Ausbeutung auch noch von Gewalt betroffen sind«, heißt es weiter in der Erklärung der Linksallianz.

Für die Kommunistische Partei gehört auch die Regierung zu den Schuldigen. »Regierung und die regionalen Behörden haben schwerste Verantwortung für die zeitgenössische Sklavenarbeit und die unmenschlichen Arbeitsbedingungen der migrantischen Arbeiter, die zu Phänomenen wie dem jetzigen verbrecherischen Angriff auf sie führen«, heißt es im Kommentar der KKE.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 19. April 2013


Letzte Meldung

Drei Festnahmen nach Schüssen auf Erntehelfer in Griechenland

Plantagenaufseher sollen auf Saisonarbeiter geschossen haben **

Nach dem Streit um ausstehende Tageslöhne mit 27 verletzten ausländischen Arbeitern vor allem aus Bangladesh hat die Polizei drei verdächtige Vorarbeiter festgenommen. Der Streit entbrannte am Mittwoch in der griechischen Kleinstadt Manolada auf der Halbinsel Peloponnes.

Nach den Schüssen auf ausländische Saisonarbeiter in Griechenland sind drei Plantagenaufseher festgenommen worden. Die drei Männer im Alter von 21, 27 und 39 Jahren würden verdächtigt, am Mittwoch auf eine Gruppe von rund 200 vor allem aus Bangladesch stammenden Erdbeerpflückern geschossen zu haben, teilte die griechische Polizei am Freitag mit. Der 27-Jährige sei bereits 2012 in die Misshandlung eines Ägypters verwickelt gewesen, der gegen seine Arbeitsbedingungen in der Ortschaft Manolada auf dem Peloponnes protestiert hatte, verlautete aus Polizeikreisen.

Die Erntehelfer hatten nach Polizeiangaben am Mittwoch die Auszahlung von sechs ausstehenden Monatslöhnen von ihren Arbeitgebern gefordert. Die drei Männer, die als Aufseher angestellt waren, schossen daraufhin laut Polizei mit Gewehren auf die Arbeiter, um sie auseinanderzutreiben. 27 Arbeiter wurden verletzt.

Der 57-jährige Plantagenbesitzer wurde bereits festgenommen und später wegen Herzproblemen unter Polizeiaufsicht in ein Krankenhaus gebracht. Auch ein mutmaßlicher Fluchthelfer der Schützen wurde festgenommen; er sollte einem Richter vorgeführt werden. Später wurde ein zweiter mutmaßlicher Fluchthelfer festgenommen.

Am Freitag besuchte der Minister für Öffentliche Ordnung, Nikos Dendias, die verletzten Erntehelfer im Krankenhaus. Er versicherte, dass keines der Opfer ausgewiesen werde. Zuvor war der Minister für die Haltung bekannt, dass illegale Einwanderer, die Opfer fremdenfeindlicher Übergriffe wurden, nicht vor Ausweisung geschützt werden müssten.

Griechenland wird immer wieder dafür kritisiert, dass fremdenfeindliche Übergriffe häufig ungestraft bleiben. Griechische Medien sorgten sich indes um das Ansehen Griechenlands als beliebtes Touristenziel angesichts der Klagen von Saisonarbeitern über die schlechten Arbeitsbedingungen. Im Internet kursierten Aufrufe zum Boykott von Erdbeeren aus Manolada, die Behörden entsandten Aufseher zur Überwachung der Einhaltung von Arbeitsrichtlinien.

** neues deutschland, Samstag, 20. April 2013



Blutige Erdbeeren

Griechenland: Großbauer läßt auf migrantische Farmarbeiter schießen. Dutzende Verletzte

Von Heike Schrader, Athen ***


Mit Schüssen in die Menge beantworteten am Mittwoch drei Angestellte eines Großbauern in der Region Manolada (Peloponnes) die Aufforderung von etwa 200 migrantischen Erdbeerpflückern, ihnen die ausstehenden Löhne auszuzahlen. Mindestens 35 Arbeiter wurden zum Teil schwer verletzt. Nach Angaben der Betroffenen hatten die als Aufseher fungierenden Angestellten des Agrarunternehmens Vangelatos AE auf Köpfe und Körper gezielt. Der Anblick Dutzender verletzter Menschen hätte ihn an Szenen aus einem Krieg denken lassen, erklärte der stellvertretende Direktor der Klinik von Vardas, in die die Verletzten gebracht wurden.

Wenige Stunden später nahm die Polizei den Firmenverantwortlichen unter dem Vorwurf der Anstiftung fest, die Täter selbst sind flüchtig. Nach Informationen der griechischen Initiative »Vereint gegen Rassismus und die faschistische Bedrohung« handelt es sich bei ihnen um diejenigen, die im vergangenen August einen ägyptischen Erdbeerpflücker an ihr Fahrzeug gebunden und durch die Straßen der Provinzstadt Manolada gezerrt hatten.

Bereits in den vergangenen Jahren waren Berichte über die entwürdigenden Arbeits- und Lebensbedingungen der meist aus Nordafrika oder Asien stammenden Arbeiter bekanntgeworden. Danach müssen die Pflücker bis zu zwölf Stunden täglich für 25 Euro Tageslohn und ohne Sozialversicherung schuften. Von diesem werden ihnen dann noch etwa drei Euro für die Unterbringung in Baracken aus Holz und Plastikfolie ohne fließend Wasser und Strom abgezogen. Auch die Praxis, die teilweise ohne Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis beschäftigten Pflücker unter Androhung einer Anzeige bei der Polizei um ihren Lohn zu prellen, ist demnach gängige Praxis.

»Schuld an den rassistischen Gepflogenheiten der Bosse ist die Politik der Regierung selbst, die die skrupellosen Unternehmer bei der Verletzung jeder tariflichen Regelung deckt«, heißt es in der Erklärung von »Vereint gegen Rassismus und die faschistische Bedrohung«. »Es ist die Politik des Rassismus«, die mit Massenverhaftungen von Migranten, »den Sammellagern, der Verweigerung des Rechts auf Staatsbürgerschaft für migrantische Kinder und vor allem mit der Aufrechterhaltung des Status der Illegalität für Tausende die migrantischen Arbeiter in die Schwarzarbeit treibt, an der jeder Unternehmer ein Vermögen verdient.«

»Es ist nicht das erste Mal, daß sich Derartiges in der Region ereignet«, kommentierte die Kommunistische Partei Griechenlands, KKE, die Schüsse vom Mittwoch. »Regierung und regionale Behörden haben schwerste Verantwortung für die zeitgenössische Sklavenarbeit und die unmenschlichen Arbeitsbedingungen der migrantischen Arbeiter, die zu Vorfällen wie dem jetzigen verbrecherischen Angriff auf sie führen«, heißt es im Kommentar der KKE weiter. »Das spezifische Ereignis, wo Großgrundbesitzer im Zusammenspiel mit Aufsehern Arbeiter angreifen, die ihre Rechte einfordern, verweist auf andere Zeiten und bestätigt, daß Barbarei ein Synonym für das heutige System, den Kapitalismus ist. Griechen und ausländische Arbeiter müssen vereint wie eine Faust diese Barbarei und das System, das sie hervorbringt bekämpfen.«

*** Aus: junge Welt, Freitag, 19. April 2013


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