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Griechenland-Hilfe hilft auch Banken

Es gäbe gute Gründe für eine Beteiligung der Finanzwirtschaft am Rettungspaket

Von Hermannus Pfeiffer *

Das milliardenschwere Rettungspaket für Griechenland kennt nicht nur einen Nutznießer. So nutzen die geplanten Kreditlinien auch deutschen Banken und Versicherungen. Forderungen aus SPD, Grünen und Linkspartei, dass sich die Geldbranche mit einer Finanztransaktionssteuer beteiligt, erscheinen also wirtschaftlich begründet.

Laut dem Gesetz, das am Freitag (7. Mai) in Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden soll, wird der Bund für Kredite der Staatsbank KfW in Höhe von etwa 22,4 Milliarden Euro bis Ende 2012 bürgen, mit denen sich Deutschland am Hilfsprogramm für Griechenland beteilgt. Die zweithöchste Summe unter den Euroländern stellt Frankreich mit bis zu 16,8 Milliarden Euro zur Verfügung, gefolgt von Italien und Spanien.

Dabei spiegelt der Anteil am Rettungspaket in etwa auch den jeweiligen Anteil privater Investoren an griechischen Anleihen wider, aber eben nur in etwa. Französische Banken, Versicherungen und Pensionsfonds besitzen nämlich solche Anleihen über 50 Milliarden Euro, fast doppelt so viele wie deutsche Institute (28 Milliarden). Kredite an die hellenische Republik waren wegen der anhaltenden Unsicherheit seit Längerem ein lukratives Geschäft, da Athen dafür überdurchschnittlich hohe Zinssätze zahlen musste. Oft wurden damit deutsche Exporte finanziert. Die drittgrößten Gläubiger Griechenlands sind Investoren aus der Schweiz.

Anleihen Athens sind jedoch nicht die einzige sprudelnde Finanzquelle, aus der auch deutsche Finanzinstitute schöpften. Sie sind auch engagiert in umstrittenen Versicherungen gegen Kreditausfall (Credit Default Swaps, kurz CDS), deren Wert durch die jüngsten Spekulationen massiv in die Höhe getrieben wurde.

Noch motivierender für die Hilfsbereitschaft der Bundesregierung ist die Angst vor der Ansteckungsgefahr: Portugal, Irland, Spanien und Italien gelten an den Finanzmärkten ebenso als Wackelkandidaten und hier sind vor allem Pfandbriefbanken wie die Hypo Real Estate (HRE) stark vertreten. Auch dies kann erklären, warum die Bundesregierung nach langem Zögern wegen der NRW-Wahl doch bereit ist, den größten Teil des fast nur in Deutschland heftig umstrittenen EU-Rettungspaketes zu schnüren.

Ein weiterer Grund schlummert in den Bilanzen. Die zwei größten Sorgenkinder unter den deutschen Banken spielen ebenfalls eine Hauptrolle im griechischen Drama. Die meisten Darlehen hat mit 7,9 Milliarden Euro ebenfalls ausgerechnet die HRE angehäuft. Das seit Kurzem als Deutsche Pfandbriefbank firmierende Institut konnte nur durch Kapitalspritzen und Bürgschaften des Staates 2009 die Finanzkrise überleben. Einen weiteren Milliardenverlust könnte sie nur schwerlich verdauen. Dies gilt ebenso für die Commerzbank/Dresdner Bank, die um 3,2 Milliarden Euro bei einer Griechen-Pleite fürchten müsste. Auch die überlebte die große Finanzkrise nur durch eine (Teil-)Verstaat- lichung. Die Postbank, an der die Deutsche Bank beteiligt ist, sorgt sich um 1,3 Milliarden. Öffentlich-rechtlichen Sparkassen und Landesbanken sowie den Genossenschaftsbanken scheinen hier keine großen Gefahren zu drohen. Betroffen wären dagegen die Versicherungen Allianz (0,9 Milliarden Euro) und Münchner Rück (2,1).

In wenigen Tagen wird die Förderbank KfW im Auftrag der Bundesregierung die ersten Milliarden nach Griechenland überweisen. Auch für die Kreditanstalt, an der neben dem Bund auch die Bundesländer beteiligt sind, ist das Rettungspaket ein gutes, weil risikoloses Geschäft. Das Risiko trägt der Staat und er zahlt üppige Provisionen. So verdienen Banken wie schon in der großen Finanzkrise erneut an der Kur einer Krise, die sie maßgeblich mitverschuldet haben.

* Aus: Neues Deutschland, 6. Mai 2010


Banken müssen ran

Griechenland-Hilfe: Einbindung privater Kreditinstitute durch Zwangsanleihen

Von Michael Schlecht **


Seit Wochen wettern deutsche Medien gegen »den faulen Pleite-Griechen«. Viele sind gegen Hilfen. Das wundert nicht, tragen doch die Beschäftigten den größten Teil der Steuerlast. Und die Regierung stellt Kürzungen von 50 bis 60 Milliarden Euro bis 2016 allein im Bundeshaushalt in Aussicht.

Große Teile der griechischen Bevölkerung haben ähnliche Probleme wie wir in Deutschland. Reiche und Vermögende drücken sich vorm Steuerzahlen. Die Steuersätze sind zu niedrig und lassen zu viele Schlupflöcher offen. Und es werden lieber Steuerbeamte und -fahnder eingespart, anstatt sie auf die Reichen anzusetzen. Gäbe es in Deutschland eine Besteuerung der Reichen wie von Gewerkschaften gefordert, wären 70 Milliarden mehr in der Kasse, mit dem Steuerkonzept der Linken sogar 160 Milliarden Euro. Gäbe es in Griechenland für Reiche angemessene Einkommens- und Vermögenssteuern, die auch bezahlt werden, würde es keine drohende Zahlungsunfähigkeit geben.

Griechenland hat seine Staatsquote, also die Staatsausgaben im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt, seit dem Beitritt zur Eurozone drastisch reduziert. Sie war bis zur Krise stets niedriger als in Deutschland. Griechenlands Staat ist daher nicht zu fett, sondern zu schwach. Er nimmt zuwenig Steuern ein. Die effektiven Steuern auf Gewinne und Vermögen entsprechen in Griechenland mit 16 Prozent nur der Hälfte des Durchschnitts der Eurozone.

Die Bundesregierung will nun Kredite von 22 Milliarden Euro über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) an Griechenland vergeben - zu einem Zinssatz von etwa fünf Prozent. Die KfW kann sich jedoch mit einem Zins von 2,3 Prozent refinanzieren. Diese Zinsdifferenz führt zu einem jährlichen Gewinn von etwa 300 Millionen Euro. Der Bund macht also mit dem griechischen Desaster auch noch satte Profite.

Die Rechnung bezahlt die Mehrheit der griechischen Bevölkerung, nicht die Familie Onassis. Das griechische Volk wird in einen atemberaubenden Sozialabbau getrieben. Vor allem auf Druck der »eisernen Kanzlerin«. Zusätzlich zu den bereits geplanten Verschlechterungen werden 30 Milliarden Euro weggekürzt. Beschäftigten beim Staat wird das Gehalt um insgesamt 15 Prozent gestrichen. Die Renten werden weiter reduziert und die Mehrwertsteuer auf 23 Prozent angehoben. Und in der Privatwirtschaft will die Regierung den Kündigungsschutz lockern. Dies soll dazu führen, mit Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes die Menschen gefügig zu machen.

Die griechische Wirtschaft wird so nur noch weiter stranguliert. Für 2010 wird ein Einbruch der Wirtschaft um mehr als vier Prozent erwartet. Damit werden die Steuereinnahmen weiter zurückgehen und die Verschuldung droht, weiter zu steigen.

Deutsche Banken halten griechische Staatsanleihen von 30 Milliarden Euro in den Büchern. Sie verdienen an der Staatsverschuldung.

Ein sinnvolles Instrument zur Beteiligung des privaten Bankensektors ist eine Zwangsanleihe. Die Regierung könnte private Banken verpflichten, in Höhe von 0,5 Prozent der Bilanzsumme griechische Anleihen zu halten. 35 Milliarden Euro würden so zusammenkommen. Die Verzinsung müßte unterhalb des Satzes liegen, zu dem sich Banken Geld bei der Zentralbank leihen. Dann würde auch die Deutsche Bank für Griechenland zahlen.

Um die Probleme grundlegend anzugehen, muß das deutsche Lohndumping beendet werden. Der Euro kann nur funktionieren, wenn die Löhne in der Eurozone nicht völlig auseinanderlaufen. Die internationale Kritik an den deutschen Billiglöhnen ist berechtigt: Die Lohnstückkosten, das heißt die Löhne im Verhältnis zur Produktivität der Beschäftigten, stiegen im Rest der Eurozone seit 2000 um 27 Prozent, in Griechenland um 28 Prozent aber in Deutschland nur um sieben Prozent. Schuld sind unter anderem die Agenda 2010, Leiharbeit, Befristungen und Hartz IV. Deutschland hat wegen seiner Billiglöhne mehr Waren und Dienstleistungen an das Ausland verkauft als umgekehrt. Unsere EU-Partner mußten sich daher immer stärker bei uns verschulden. Für diese Auslandsschulden von privaten Haushalten und Unternehmen haftet in der Krise der Staat. Das griechische Finanzdesaster ist also auch Resultat deutscher Politik und deutschem Sozialabbau.

Deutschland muß mehr für die Binnennachfrage tun. Eine Sofortmaßnahme ist der gesetzliche Mindestlohn von zehn Euro. Außerdem muß das Arbeitslosengeld II auf 500 Euro angehoben werden. Und mit dem Zukunftsprogramm in Höhe von 100 Milliarden Euro müssen Bildung und Erziehung sowie Verkehr und die Energiewende vorangebracht werden. Zwei Millionen zusätzliche Beschäftigte, die so einen Job erhalten, führen zu einem deutlichen Schub der Binnenwirtschaft.

** Der Autor ist Chefvolkswirt der Linksfraktion im Bundestag

Aus: junge Welt, 6. Mai 2010



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