Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Ghana: Partner auch jenseits der WM?

Das Land an der afrikanischen Goldküste wächst trotz weltweiter Wirtschaftskrise

Von Hermannus Pfeiffer *

Die deutsche Fußballnationalmannschaft trifft am heutigen Mittwoch im letzten WM-Spiel der Vorrunde auf die Elf aus Ghana. Über den hier wie dort populären Fußball hinaus verbindet die beiden Länder jedoch auch eine jahrhundertelange Wirtschaftsgeschichte.

Der brandenburgisch-preußische »Große Kurfürst« Friedrich Wilhelm charterte einst zehn Fregatten, um 1683 die erste »deutsche« Kolonie außerhalb Europas einzunehmen. Sein Ziel war die Goldküste des heutigen Ghanas. Auf einem 30 Kilometer langen Landstück ließ der Kurfürst das Fort Groß Fried-richsburg sowie Niederlassungen für Kaufleute errichten. In der Nähe entstanden weitere befestigte Handelsstützpunkte von Holländern und Engländern, Dänen und Schweden.

Das »Gold« an der Goldküste bestand aus Gold, Elfenbein und Sklaven. »Jede europäische Nation hatte in der Umgebung ihrer Festungen afrikanische Verbündete, die aus immer größeren Entfernungen Sklaven aus dem Hinterland an die Küste verschleppten«, berichtet Afrikakenner Heiko Möhle von der Humboldt-Universität in Berlin. So handelte eine in Glückstadt an der Elbe angesiedelte Gesellschaft von Accra, der heutigen Hauptstadt der über 23 Millionen Ghanaer, mit Menschen. Gesellschafter waren prominente Hamburger Kaufleute.

Heute gehört Groß Friedrichsburg an der ghanaischen Westküste zum UNESCO-Weltkulturerbe und ist ein Touristenmagnet. Das agrarisch geprägte Land ist erstaunlich gut durch die Krise gekommen: 2009 blieb das Wachstum mit 5,9 Prozent (2008: 6,3 Prozent) bemerkenswert hoch. Ghana gehört zu den Ländern südlich der Sahara, die Wirtschaftserfolge aufweisen, trotz oder wegen einer hohen Staatsverschuldung. Der staatliche Anteil an der Wirtschaft ist weiter hoch. Auch in Afrika gilt Südkoreas Aufstieg vielen als Modellfall.

Zum Erfolg tragen auch der Tourismus bei und chinesische Investitionen sowie die Überweisungen einer hohen Zahl von Migranten. Jeder zweite junge Mann zieht laut Statistikamt in Accra für einige Jahre in die wohlhabendere Küstenregion Ghanas oder arbeitet im Ausland, vor allem beim derzeitigen WM-Ausrichterland Südafrika.

Exportiert werden heute, wie schon zu Zeiten des Großen Kurfürsten, vor allem Gold und Kakaobohnen. Jede zehnte Bohne, die in Deutschland zermahlen und zu Schokolade oder Heißgetränken verarbeitet wird, stammt aus Ghana. Dazu kommen Holz und Bauxit, das für die Aluminiumherstellung benötigt wird. Der Bergbausektor wird von internationalen Konzernen dominiert.

Die ghanaischen Exporte stiegen im vergangenen Jahr erstmals seit Langem mit 9,1 Prozent (auf 108,1 Millionen Euro) stärker an als die Importe aus der Bundesrepublik (208,6 Millionen Euro). In der deutschen Außenhandelsstatistik liegt Ghana damit auf Rang 93, knapp hinter dem Ölexporteurland Angola, aber vor der früheren deutschen Kolonie Namibia und den meisten Subsaharastaaten.

Ghana und die Europäische Union haben im Dezember 2007 ein Interimsabkommen unterzeichnet, das den Marktzugang für europäische Produkte in Ghana liberalisieren soll. Es sei aber bis heute »nicht finalisiert«, beklagt das Auswärtige Amt und warnt: »Ghana droht daher möglicherweise in Zukunft für die Wirtschaftsentwicklung wichtige Vorteile beim Marktzutritt zur Europäischen Union zu verlieren.«

Deutsche Kapitalanlagen sind zudem durch ein Investitionsschutzabkommen gesichert, ein weiteres Abkommen vermeidet seit zwei Jahren die Doppelbesteuerung von Allianz und Münchner Rückversicherung, von Bayer, Heidelberg Cement und Salzgitter-Mannesmann. 2007 wurden vor Ghanas Küste große Ölvorkommen entdeckt. In Accra erwartet man den Beginn der kommerziellen Ausbeutung bald nach der WM.

* Aus: Neues Deutschland, 23. Juni 2010


Zurück zur Ghana-Seite

Zurück zur Homepage