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Vorfreude auf Obama

Der demokratische Musterschüler des Kontinents fühlt sich geehrt

Von Marc Engelhardt, Accra *

Heute wird Barack Obama in Ghana erwartet: Es ist sein erster Besuch als US-Präsident südlich der Sahara. Das Land, von Obama als afrikanische Vorzeigedemokratie gefeiert, ist aus dem Häuschen – trotz wirtschaftlicher Probleme.

Der Blick den finsteren Gang entlang, der an einem winzigen Durchlass in den dicken Steinwänden der Festung von Elmina endet, lässt den Besucher heute noch schaudern. An den Wänden hängen schwere gusseiserne Halterungen, in denen einst Ölfackeln flackerten. Mehr als 250 Jahre nach der Hochzeit des Sklavenhandels ist es nicht schwer sich vorzustellen, wie tausende Männer, Frauen und Kinder mit scheppernden Ketten diesen Gang entlang getrieben wurden, um nach Amerika verschifft zu werden. Tausende US-Amerikaner afrikanischer Herkunft besuchen jedes Jahr das Sklavenfort in Elmina an Ghanas Küste. Der berühmteste von ihnen wird am 11. Juli hier erwartet: Am zweiten Tag seiner Ghanareise, so die Planung, soll US-Präsident Barack Obama nach Cape Coast und ins nahe Elmina kommen.

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Obama lobt Ghana als Musterland für Demokratie in Afrika

US-Präsident Barack Obama hat bei seinem ersten Staatsbesuch in Schwarzafrika die demokratische Entwicklung in Ghana gelobt. "Gehen Sie diesen Weg weiter", sagte er nach einem Treffen mit Staatschef John Atta-Mills am 11. Juli in der Hauptstadt Accra. Auf den Straßen der Stadt bereiteten hunderte Menschen Obama einen begeisterten Empfang.

"Ich bin erfreut über die demokratische Entwicklung in Ghana", sagte Obama nach einem Gespräch mit Atta-Mills. Er sicherte seinem ghanaischen Kollegen zu, die bilateralen Beziehungen "noch weiter" vertiefen zu wollen.

Ghana gilt als Musterland für die demokratische Entwicklung in Afrika. Der US-Präsident hatte sich für das westafrikanische Land als erstes Reiseziel in Schwarzafrika aufgrund seiner Stabilität im vergangenen Jahrzehnt entschieden. In anderen afrikanischen Ländern, die sich auch Hoffnungen darauf gemacht hatten, Gastgeber des ersten Obama-Besuchs in Schwarzafrika zu sein, machte sich deshalb Enttäuschung breit. Vor allem in Kenia, dem Heimatland von Obamas Vater, war die Frustration groß.

In Accra säumten hunderte Menschen die Straßen am Präsidentenpalast, um einen Blick auf Obama erhaschen zu können. Sie schwenkten Fahnen und hielten Plakate mit der Aufschrift "Obama, du bist der wahre Sohn Afrikas" hoch. Überall auf den Straßen hingen Poster von Obama und Atta-Mills. Zahlreiche jubelnde Menschen trugen T-Shirts und Mützen mit dem Bildnis des US-Präsidenten. In den Buchläden waren die Lager mit Obamas Buch "Hoffnung wagen" erst kürzlich neu aufgefüllt worden.

In einer Grundsatzrede vor dem Parlament will der US-Staatschef am Nachmittag die Bedeutung der Demokratie für Afrika hervorheben. Anschließend ist ein Besuch des Ehepaars Obama in der früheren Sklaven-Festung Cape Coast geplant. Von dort aus waren einst tausende Sklaven nach Europa und Amerika verschleppt worden. Auch Michelle Obamas Vorfahren wurden einst als Sklaven verschifft.

Quelle: AFP, 11. Juli 2009



Die Vorbereitungen sind in vollem Gange. »Cape Coast ist einer der geschäftigsten Orte auf dem ganzen Kontinent«, strahlt Kohain Nathanya, Organisator des alle zwei Jahre stattfindenden »Panafests«, das dicht auf den Besuch Obamas folgt. »Es ist wichtig, dass Afrikas dunkle Jahre nicht in Vergessenheit geraten.« Dass der erste schwarze US-Präsident bei seiner ersten offiziellen Reise als Staatsoberhaupt südlich der Sahara an den transatlantischen Sklavenhandel erinnert, hat nicht nur für Nathanya eine wichtige symbolische Bedeutung. »Obama ist ein Held, er wird die Geschichte verändern, wie wir es seit dem Ende des Sklavenhandels nicht gesehen haben«, freut sich etwa Mary Okopo, die nahe der Festung Fufu verkauft, Ghanas in kleine Plastiksäckchen abgepacktes Nationalgericht.

Der Besuch im Sklavenfort ist Obamas einziger Ausflug in die Vergangenheit. Im Zentrum der Reise, daran lässt Obama keinen Zweifel, stehen Gegenwart und Zukunft. »Ghana hat mehrere erfolgreiche Wahlen hinter sich gebracht und trotz eines knappen Ergebnisses gerade erst einen friedlichen Machtwechsel«, so der US-Präsident. »Ich will dieses Beispiel hervorheben, weil ich glaube, dass es eine direkte Verbindung zwischen guter Regierungsführung und Wohlstand gibt.« Eine wegweisende Rede will Obama in Accra halten, die womöglich die Afrikapolitik seiner gesamten ersten Amtszeit umreißen wird. Die Stadt, das Land hält den Atem an und genießt die Aufmerksamkeit. Dass Ghana Afrikas Vorzeigemodell ist, davon sind hier die meisten ohnehin schon überzeugt.

»Ich will eine Bank made in Ghana errichten, die Weltklasse-Standards erfüllt«, erklärt etwa Edward Effah im Brustton der Überzeugung. Jahrelang hat er in Londons City, Arena der britischen Börsenmakler und Investmentbanker, gearbeitet. Vor drei Jahren kam er zurück nach Accra und gründete die Fidelity Bank, die sich mitten in der Finanzkrise über den wachsenden Ansturm neuer Kunden freuen kann. »Ich will der ganzen Welt beweisen, dass traditionelle, konservative Ideale im Finanzbereich die besten sind«, so Effah. Die Zahlen sprechen für ihn: Während Londons Börse im vergangenen Jahr ein Minus von fast einem Drittel verzeichnete, machte Accras Börse ein sattes Plus von mehr als 58 Prozent.

»In zehn Jahren werden wir ein sehr wohlhabendes Land sein«, verspricht Finanzminister Kwabena Duffuor. »Dann werden wir außer Gold auch Öl exportieren, und unser Finanzsektor wird entsprechend stark sein.« Im kommenden Jahr soll mit der Förderung des Öls begonnen werden, dessen Vorkommen gesichert auf 2 Milliarden Barrel geschätzt werden. Duffuor tut alles, um zu versichern, dass Ghana nicht die nächste Öl-Kleptokratie im Wartestand ist: Ein aus Norwegen eingeflogener Beraterstab etwa soll dabei helfen, einen Wohlstandsfonds nach Vorbild der skandinavischen Ölfördernation aufzubauen. Von einem Ressourcenfluch will Duffuor denn auch nichts wissen: »Öl wird für uns ein Segen sein, kein Fluch.«

Doch Präsident John Atta Mills, erst seit Jahresanfang im Amt, hat andere Probleme. Statt über die goldene Zukunft wird er mit Obama vermutlich eher über die triste Gegenwart sprechen. »Ghana ist pleite«, eröffnete Atta Mills seine erste Ansprache an die Nation. Seine Vorgängerregierung habe alleine im vergangenen Jahr ein sieben Mal höheres Haushaltsdefizit verursacht als vorgesehen. »Wir müssen sparen, sparen, sparen.« Wöchentlich fliegen neue Skandale auf: Für die 50-Jahr-Feier Ghanas vor zwei Jahren sollen einem Untersuchungsbericht zufolge 80 Millionen US-Dollar verjubelt worden sein, viermal mehr als geplant. »800 000 Dollar sind alleine für den Bau von 25 öffentlichen Toiletten verbucht worden«, prangert der Kommissionsvorsitzende Edward Duah Agyemang an. »Und von denen ist bisher erst eine errichtet worden.« Von »guter Regierungsführung« ist da wenig zu sehen. »Ich hoffe, Obama greift bei denen da oben mal ordentlich durch«, wettert Taxifahrer Hilary Akollo.

Hintergrund - Ghana und das schwarze Gold

Seit Mitte 2007 vor der Küste Ghanas mit dem Jubilee-Feld das größte Ölfeld Westafrikas entdeckt wurde, schießen die Fantasien ins Kraut, was mit den ab 2010 zu erwartenden Öleinnahmen alles Segensreiches geschaffen werden könnte. Nach bisherigen Testergebnissen soll das Feld mindestens 1,2 Milliarden Barrel (ein Barrel gleich 159 Liter) umfassen. Die ghanaische Ölgesellschaft GNPC geht davon aus, dass das internationale Ölkonsortium bald nach Aufnahme der Förderung mit täglichen Einnahmen von drei Millionen Dollar rechnen kann. Allein die extremen Schwankungen des Ölpreises im Jahr 2008 – von 40 bis zu 147 Dollar pro Barrel – zeigen, dass dies eine Rechnung mit vielen Unbekannten ist.

Insgesamt verfügt Ghana gegenwärtig über rund 2 Milliarden Barrel an gesicherten Ölvorräten. Experten der Ölindustrie schätzten im April 2009, dass sich die gesicherten Vorkommen kurz- und mittelfristig auf etwa 10 Milliarden Barrel erhöhen könnten, da immer mehr Firmen ins Land strömen, um nach Öl zu suchen.

Die GNPC selbst ist beim Jubilee-Feld gerade mal mit zehn Prozent am Gewinn beteiligt, die amtierende Regierung rechnet künftig mit einer Milliarde Dollar pro Jahr – das ist weniger, als das Musterland Ghana zuletzt an Entwicklungshilfe erhalten hat. Sie hat sich in den vergangenen vier Jahren auf rund 1,3 Milliarden Dollar per annum mehr als verdoppelt. Insgesamt reichen die Schätzungen von 200 Millionen bis zu fünf Milliarden Dollar jährlich, die durch die Ölförderung in die ghanaische Volkswirtschaft gepumpt werden könnten. Mit einem am Vorbild Norwegen angelegten Zukunftsfonds will Ghana vermeiden, dass der Ölsegen wie in Angola, Nigeria oder Äquatorial-Guinea zum Fluch wird, weil ihn die politischen Eliten als Einladung zur Selbstbereicherung begreifen. ML



* Aus: Neues Deutschland, 10. Juli 2009


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