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US-Regierung will Expräsident Saakaschwili vor georgischer Justiz schützen. Der soll in Tbilissi als Zeuge vernommen werden

Von Knut Mellenthin *

Michail Saakaschwili, georgischer Präsident von Januar 2004 bis November 2013, ließ am 7. August 2008 Südossetien überfallen. Die winzig kleine Republik mit nicht einmal 100000 Einwohnern hatte sich 1990, also noch zur Zeit der Sowjetunion, von Georgien getrennt, als dieses einseitig und rechtswidrig seine Unabhängigkeit erklärte. Saakaschwili löste durch seine Aggression eine russische Militärintervention und die Anerkennung Südossetiens durch Moskau aus. Dafür scheinen ihm die Dankbarkeit und der Schutz der USA für den Rest seines Lebens sicher.

Am Sonntag protestierte das State Department offiziell dagegen, daß Saakaschwili, der seit dem Ende seiner Amtszeit in den USA lebt, eine Vorladung von der georgischen Justiz erhalten hat. Er soll zu zehn strafrechtlichen Ermittlungen als Zeuge vernommen werden. Termin ist der morgige Donnerstag, 1 Uhr mittags Ortszeit. Zwar stehe niemand über dem Gesetz, heißt es in der Stellungnahme des US-Außenministeriums, aber die Vorladung eines ehemaligen Präsidenten löse »berechtigte Sorgen vor einem politischen Racheakt« aus, zumal angesichts der »Zerbrechlichkeit« des georgischen Rechtswesens. Man habe Premierminister Irakli Garibaschwili schon im Februar bei seinem Besuch in Washington mitgeteilt, »daß Georgiens Führer die Energien ihrer Nation auf die Zukunft konzentrieren sollten«, nicht zuletzt auf »schnelle Fortschritte bei der euro-atlantischen Integration«. Die selbstverständlich, das ist die unausgesprochene Botschaft der US-Regierung, gefährdet seien, falls Saakaschwili wirklich juristische Schwierigkeiten bekommen sollte.

Der Expräsident hat denn auch, im Vertrauen auf seine mächtigen Beschützer, nicht einmal die öffentliche Stellungnahme des State Department abgewartet, sondern schon am Sonnabend höhnisch erklärt, daß er keinesfalls zum Termin in Tbilissi erscheinen werde. Das Ganze sei eine üble Machenschaft Rußlands gegen ihn. Er werde nach Georgien nur zurückkehren, »um es von den Vollstreckern der Befehle Putins zu befreien«. Dieser Zeitpunkt werde »sehr viel früher kommen«, als es sich seine Gegner, die seit Oktober 2012 das Land regieren, vorstellen könnten. Die von ihm so maßlos Beschimpften stehen allerdings gerade kurz davor, ein Assoziierungsabkommen mit der EU zu schließen und auf der Treppe zum NATO-Beitritt eine weitere Stufe hochgehoben zu werden.

Die Ermittlungen, zu denen Saakaschwili vorerst nur als Zeuge aussagen soll, betreffen eine breite Palette unterschiedlicher Themen. An der Spitze der Liste steht die von ihm als Präsident verfügte Begnadigung von vier Mitarbeitern des Sicherheitsapparats im November 2008. Sie waren wegen Beteiligung an der Ermordung eines Oppositionellen verurteilt worden. Weithin hält sich in der georgischen Gesellschaft der Verdacht, daß sie nur die Sündenböcke für weit höher gestellte Auftraggeber waren.

Saakaschwili soll auch zu den seinerzeitigen Ermittlungen nach dem bis heute nicht restlos aufgeklärten Tod von Regierungschef Surab Schwania am 3. Februar 2005 befragt werden. Der 41jährige gehörte neben Saakaschwili und der Parlamentspräsidentin Nino Burdschanadse zum Führungstrio der »Rosenrevolution« im November 2003. Der gemäßigte Politiker galt jedoch zunehmend als Gegenspieler Saakaschwilis. Als Todesursache Schwanias wurde damals eine Kohlenmonoxid-Vergiftung, ausgelöst durch einen schadhaften Gasofen, angegeben. Das wurde in der Öffentlichkeit jedoch sofort angezweifelt.

Vor einer Woche wurden Fotos bekannt, die während der Autopsie gemacht worden waren und angeblich erst jetzt im Safe des damaligen Chefermittlers entdeckt wurden. Sie werden von Ermittlern und Regierungspolitikern so interpretiert, daß darauf erhebliche Verletzungen an Kopf und Körper Schwanias zu erkennen seien. Der für die Obduktion verantwortliche Gerichtsmediziner, der diese Verletzungen in seinem Bericht nicht erwähnt hatte, wurde am vorigen Donnerstag wegen Verletzung seiner Dienstpflicht verhaftet.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 26. März 2013


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