Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Trostpaket für Georgien

Tbilissi bekommt keine Beförderung der NATO, dafür aber Waffen und Ausrüstung

Von Knut Mellenthin *

Georgien muß weiter auf seine förmliche Höherstufung durch die NATO warten. Das gab Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Mittwoch während einer zweitägigen Außenministerkonferenz des Militärbündnisses in Brüssel bekannt. Die Kaukasusrepublik könne nicht damit rechnen, auf dem nächsten NATO-Gipfel, der im September im britischen Wales stattfindet, einen »Membership Action Plan« (MAP) zu erhalten. Der auf jedes einzelne Land speziell zugeschnittene MAP ist die letzte Stufe vor der Mitgliedschaft.

Georgien bemüht sich schon seit vielen Jahren um einen MAP. Daß es trotzdem auch diesmal wieder leer ausgehen würde, zeichnete sich jedoch schon seit mehreren Monaten ab. Die Mitteilung von Rasmussen, der sich persönlich sehr für die Erfüllung des georgischen Traums eingesetzt hatte, ist aber die erste öffentliche Feststellung zur Sache. Die US-Regierung hatte nicht nur intern, sondern auch recht offen Druck gemacht, um der Regierung in Tbilissi in diesem Jahr endlich ihren MAP zu verschaffen. Mehrere europäische Staaten, allen voran Deutschland, aber angeblich auch Frankreich, sprachen sich jedoch dagegen aus – angeblich mit Rücksicht auf Rußland. Entscheidungen der NATO müssen einstimmig getroffen werden. Daher reicht der Widerstand einer Minderheit von Ländern oder auch nur eines einzigen Mitglieds aus, um einen Beschluß zu verhindern.

Georgien hat zur Erreichung seines Ziels, endlich in den Club gelassen zu werden, bereits große Opfer gebracht. In Afghanistan stellt es nicht nur das größte Kontingent aller nicht zur NATO gehörenden Staaten, sondern hat, gemessen an seiner kleinen Bevölkerungszahl, mehr Soldaten geschickt als irgendein anderes Land. Georgien zeigte sich auch als Klassenstreber, als es darum ging, ganz schnell Soldaten für eine Intervention in der Zentralafrikanischen Republik bereitzustellen. Ein im Mai verabschiedetes Gesetz schreibt vor, daß der Etat des Verteidigungsministeriums nicht unter zwei Prozent des Bruttosozialprodukts sinken darf. Real liegt er ohnehin höher.

Genau betrachtet ist der MAP allerdings nur eine Prestigefrage, auch wenn diese in Georgien sehr ernst genommen wird. Faktisch ist das Land schon sehr weitgehend in die westliche Allianz integriert und wird vor allem von den USA mit Geld, Waffen, Ausrüstung und Ausbildern versorgt. So konnte nicht ausbleiben, daß auch jetzt wieder die Enttäuschung über den erneut vorenthaltenen MAP kräftig gelindert werden soll. Rasmussens Sondervertreter für den Kaukasus und Zentralasien, James Appathurai, versprach, daß das Land beim NATO-Gipfel in Wales ein »beispielloses Paket« erhalten werde, »das Georgien tiefer und grundlegender als jemals zuvor mit der NATO verbinden wird, und ich glaube, mehr als irgendein anderes Nichtmitglied«. Einzelheiten sollen in den kommenden Wochen diskutiert werden.

Definitiv entschieden wurde in Brüssel auch, daß Montenegro nicht damit rechnen kann, in Wales in die NATO aufgenommen zu werden. Die Republik, die sich 2006 von Serbien getrennt hatte, hat seit 2009 einen MAP und gilt als erster Anwärter auf die Mitgliedschaft. Die Diskussionen darüber sollen jetzt, so hieß es in Brüssel, »intensiviert und konzentriert geführt« werden. Spätestens 2015 soll über den Beitritt Montenegros entschieden werden. Störend wirkt sich vor allem aus, daß die Bevölkerung des Kandidaten nicht einmütig begeistert über die NATO ist. Nach Angaben der montenegrinischen Regierung sind nur 46 Prozent für den Beitritt. Die Opposition hält selbst diese Zahl noch für zu hoch und geht von etwa 35 Prozent Befürwortern aus.

Weitere Staaten, die einen MAP haben, sind Mazedonien und Bosnien-Herzegowina. Beide sind aber von einer Aufnahme in die Allianz noch weit entfernt. Der MAP von Bosnien-Herzegowina wurde sogar wegen innenpolitischer Probleme einstweilen »deaktiviert«.

* Aus: junge Welt, Freitag 27. Juni 2014


Zurück zur Georgien-Seite

Zur Georgien-Seite (Beiträge vor 2014)

Zur EU-Europa-Seite

Zur EU-Europa-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage