Erstes Treffen der Rivalen in Tbilissi
Präsident Saakaschwili verspricht demokratischen Machtübergang in Georgien
Von Irina Wolkowa, Moskau *
Vor der Präsidenten-Residenz in Tbilissi wehten die Flaggen Georgiens und der EU, Michail Saakaschwili erwartete den künftigen Ministerpräsidenten Bidsina Iwanischwili auf der Treppe, nach einem Händedruck zog man sich zum Gespräch zurück.
Nur etwa 45 Minuten dauerte das, was sich vorerst als friedlicher Transfer der Macht in Georgien darbitet. Er, so Saakaschwili gleich nach den Parlamentswahlen am 1. Oktober, bei denen das Wahlbündnis »Georgischer Traum« des 56-jährigen Multimilliardärs Iwanischwili 83 von 150 Parlamentssitzen eroberte, werde den Wählerwillen respektieren und für das Amt des Premiers einen Politiker nominieren, den die Mehrheit unterstützt. An den Regierungschef geht nach den Präsidentenwahlen im Oktober 2013 der Großteil der Befugnisse über, die derzeit der Staatschef innehat. So sehen es 2010 beschlossene Verfassungsänderungen vor. Der Präsident kann bis dahin jedoch weiterhin Schlüsselressorts mit eigenen Leuten besetzen. Saakaschwili verzichtete indes sogar darauf. Verschwörungstheoretiker glauben, er wolle den Wahlsieger ins Messer laufen lassen. Da könnte etwas dran sein. Die am Montag veröffentlichte Liste der künftigen Kabinettsmitglieder löste sogar bei Wohlgesinnten Kopfschütteln aus.
Zum Generalstaatsanwalt ernannte Iwanischwili seinen persönlichen Rechtsanwalt Artschil Kbilaschwili, seine Pressesprecherin Maja Pandschikidse machte er zur Außenministerin, auch sein Leibarzt Dmitri Chunadse fasste ein Amt ab. Bei der Nominierung anderer Anwärter entschied offenbar ebenfalls vor allem persönliche Loyalität.
Aufhorchen lässt aber auch, dass als Kulturminister der Schriftsteller Guram Odischarija vorgemerkt ist, ein Flüchtling aus dem abtrünnigen Abchasien, das seit dem Kaukasuskrieg 2008 faktisch russisches Protektorat ist. Paaty Zarakschwili, Direktor des Instituts zum Studium von Nationalismus und Konflikten in Tbilissi, sieht darin ein Zeichen für einen Kurswechsel in der Politik zur Wiederherstellung der staatlichen Einheit Georgiens. Anders als Saakaschwili setzt Iwanischwili auf gewaltfreies Konfliktmanagement. Georgien müsse für die Bewohner der abtrünnigen Regionen, von denen die meisten inzwischen einen russischen Pass haben, so attraktiv werden, dass deren Führungen sich gezwungen sehen, mit Tbilissi zu verhandeln. Dazu muss Iwanischwili Armut, Arbeitslosigkeit und Korruption bekämpfen, vor allem aber das Verhältnis zu Russland normalisieren. Saakaschwili hatte die diplomatischen Beziehungen zu Moskau abgebrochen, Russland gegen Georgien schon 2006 eine Wirtschaftsblockade verhängt. Eine Politik der kleinen Schritte könnte die Spannungen mindern, Seinen ersten Auslandsbesuch will Iwanischwili allerdings den USA abstatten.
* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 10. Oktober 2012
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