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Piraten im Schwarzen Meer

Georgien provoziert mit Seeblockade gegen Abchasien neuen Konflikt

Von Knut Mellenthin *

Zwischen Georgien und Rußland zeichnet sich eine neue Auseinandersetzung ab. Hintergrund ist die georgische Seeblockade gegen die Republik Abchasien, die im vorigen Jahr von Rußland anerkannt wurde. Wie die Agentur Ria-Nowosti am 28. August meldete, sollen Frachter auf dem Weg von und nach Abchasien demnächst von Schiffen der russischen Küstenwacht begleitet werden, um sie vor georgischen Piratenakten zu schützen. Georgien hat seit der Unabhängigkeitserklärung der Republik Anfang der 1990er Jahre zahlreiche Frachter aufgebracht und beschlagnahmt, die nach Abchasien fuhren. Juristische Grundlage ist ein Gesetz, das alle wirtschaftlichen Betätigungen in Abcha­sien und Südossetien unter Strafe stellt, sofern sie nicht von der georgischen Regierung genehmigt wurden.

Der jüngste Vorfall dieser Art ereignete sich Mitte August, als die georgische Marine den unter panamesischer Flagge fahrenden Frachter »Bouquet« aufbrachte, der mit Erdöl und Dieselbenzin aus der Türkei zum Hafen der abchasischen Hauptstadt Suchumi unterwegs war. Es war in diesem Jahr schon das vierte von den Georgiern gekaperte Schiff. Der Kapitän der »Bouquet«, der türkische Staatsbürger Mehmet Coskun Öztürk, wurde am Montag zu 24 Jahren Haft verurteilt. Ungewiß ist das Schicksal der 16 festgenommenen Besatzungsmitglieder, 12 Türken und vier Abchasen. Ein Sprecher der georgischen Grenzpolizei deutete an, daß sie wahrscheinlich zu Geldstrafen verurteilt und dann entlassen werden sollen.

Die georgische Justiz verfolgt »Gesetzesbrecher« auch rückwirkend. Am 24. August wurde in Batumi ein abchasischer Staatsbürger verhaftet, als dessen Schiff dort im Hafen lag. Ilgar Imanwerdiew war früher einmal Kapitän der »Bouquet«. Der Prozeß gegen ihn begann am Montag. Zusammen mit ihm wurden in Batumi vier andere Abchasen verhaftet, die in der Vergangenheit zur Besatzung des Schiffes gehört hatten.

Nach Angaben türkischer Reeder und Exporteure hat Georgien in den letzten 15 Jahren über 100 türkische Frachter und Fischerboote gekapert und beschlagnahmt. Derzeit halte Georgien noch zehn dieser Schiffe und über 20 türkische Staatsbürger fest. Die übrigen Schiffe wurden teils versteigert, teils verschrottet, einige auch an die Besitzer zurückgegeben. Die Regierung der Türkei unterstützt die georgische Seeblockade gegen Abchasien.

Rußland hatte die Piratenakte im Schwarzen Meer bisher ignoriert. Nach der staatlichen Anerkennung Abchasiens und dem Abschluß eines Militärbündnisses haben sich die Voraussetzungen jedoch geändert. Trotzdem sollen sich die jetzt angekündigten Maßnahmen der russischen Küstenwache anscheinend nur auf das abchasische Seegebiet erstrecken. Das würde die Situation kaum verändern, da die Kaperungen meist in internationalen Gewässern stattfinden. Rußland hat den Ball im neuen Konflikt mit Georgien bisher sehr flach gehalten, doch könnte sich das ändern, wenn die Regierung in Tbilissi ihre Piratenakte fortsetzt.

Im August 2004 hatte der georgische Präsident Michail Saakaschwili gedroht, russische Ausflugdampfer, die zwischen Sotschi und Abchasien verkehren, beschießen und versenken zu lassen. Das russische Außenministerium reagierte damals prompt: »Alle Versuche, das Leben russischer Bürger zu schädigen oder zu nehmen, werden zurückgeschlagen werden. Solche Botschaften werden, falls sie realisiert werden, als feindlicher Akt mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen behandelt werden.« - Von Drohungen gegen russische Schiffe war seither nicht mehr die Rede.

* Aus: junge Welt, 3. September 2009

Letzte Meldung

Moskau befürchtet Gefechte wegen georgischer Seeblockade

Russland hat Georgien vorgeworfen, Abchasiens Küste zu blockieren und „bewaffnete Vorfälle“ zu provozieren.

Die georgische Marine verstoße gegen die Seerechtskonvention, indem sie ausländischen Frachtern die Weiterfahrt nach Abchasien verweigere, betonte Andrej Nesterenko, Sprecher des russischen Außenministeriums, am Donnerstagnachmittag (3. Sept.). Es gehe um eine versuchte Seeblockade der abchasischen Küste.

Diese Vorgehensweise der georgischen Führung könne auf „militärpolitische Spannungen in der Region und ernsthafte bewaffnete Vorfälle“ hinauslaufen.

„Nach ihrer Aggression gegen Südossetien im August 2008 hat die georgische Führung auf ihre militaristischen Pläne nicht verzichtet und rechnet nach wie vor mit einer Gewaltlösung der Territorialfragen… Diese kurzsichtige und gefährliche Haltung ist zu bedauern. Für all die unvoraussagbaren Konsequenzen in dieser Hinsicht wird die georgische Seite völlig verantwortlich sein“, hieß es.

Am Mittwoch (2. Sept.) hatte Abchasiens Präsident Sergej Bagapsch Georgien „Piraterie“ vorgeworfen und gedroht, georgische Schiffe beim Eindringen in die abchasischen Gewässer unter Beschuss yu nehmen. Abchasien sei dazu fähig, ohne auf Russlands Hilfe zurückzugreifen.

Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 3. September 2009




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