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Protest lebt auf

Georgien: Opposition setzt Aktionen für Rücktritt Saakaschwilis fort. Rußland warnt vor NATO-Manövern

Von Knut Mellenthin *

Am heutigen Dienstag (21. April) will das aus mehr als zehn Parteien bestehende georgische Oppositionsbündnis seine Aktionen wieder aufnehmen. Zentrales Ziel ist, Präsident Michail Saakaschwili zum Rücktritt zu zwingen und Neuwahlen abzuhalten. Die Proteste sollen bis zur Erreichung dieses Ziels fortgesetzt werden. Wegen des orthodoxen Osterfestes, das von Freitag bis Montag gefeiert wurde, waren die Proteste ausgesetzt worden.

Die Kampagne zum Sturz des Präsidenten hatte am 9. April mit einer Kundgebung vorm Parlament in der Hauptstadt Tbilissi begonnen, zu der landesweit mobilisiert worden war. Die Teilnehmerzahl war mit bis zu 60000 beachtlich hoch, blieb aber hinter den Erwartungen der Organisatoren zurück, die auf mindestens 100000 Demonstranten gehofft hatten. Am 10. April beteiligten sich nur noch rund 25000 Menschen an der Kundgebung vorm Parlament. In den folgenden Tagen schwächte sich die Beteiligung immer weiter ab.

Zelte vorm Parlament

Inzwischen hat die Opposition Aktionen auch auf anderen Schauplätzen der Hauptstadt begonnen. Am Amtssitz des Präsidenten und um das Gebäude des staatlich kontrollierten Senders Rustawi-TV wurden ebenso wie auf der Rustaweli Avenue vorm Parlament Zeltdörfer errichtet, die rund um die Uhr von einigen hundert Menschen besetzt sind. Die Regierung verhält sich bisher mit Blick auf die internationale Öffentlichkeit zurückhaltend, die Polizei tritt an den Kundgebungsorten kaum in Erscheinung.

Heute will die Opposition ihre Kampagne auf das gesamte Land ausdehnen. In allen größeren Städten sind Kundgebungen geplant. Später sollen von dort aus Fahrzeugkonvois nach Tbilissi starten. Die Organisatoren sprechen von einem »Schlußakkord«, können allerdings nicht verbergen, daß die Protestbewegung derzeit am Abbröckeln ist. Saakaschwili und sein Führungskreis versuchen, die Entwicklung zur Spaltung der Opposition zu nutzen, indem sie einen »Dialog« anbieten und die Möglichkeit einer Koalition ins Spiel bringen. Seit 2004 wird Georgien allein von Saakaschwilis Nationalpartei regiert, die im Parlament über eine sichere Zweidrittelmehrheit verfügt.

Vermutungen und Gerüchten über interne Meinungsverschiedenheiten ist das Oppositionsbündnis am 18. April mit einer gemeinsamen Erklärung entgegengetreten. »Die Regierung versucht in den letzten Tagen vergeblich, vom Thema 'Dialog' zu profitieren«, heißt es darin. »Unsere gemeinsame Position in dieser Sache bleibt unverändert. Wir haben für ein Treffen mit Saakaschwili nur einen Tagesordnungspunkt: seinen Rücktritt und die Durchführung von Neuwahlen.«

Die Opposition hat schon einmal, im November 2007, eine vorzeitige Präsidentenwahl durchgesetzt. Am 5. Januar 2008 war Saakaschwili daraufhin mit 53,5 Prozent im Amt bestätigt worden. Die Opposition, deren gemeinsamer Kandidat Lewan Gachechiladse nur 25,67 Prozent der Stimmen bekam, sprach von Fälschung und forderte vergeblich eine Stichwahl. Inzwischen ist laut Umfragen der Rückhalt des Präsidenten in der Bevölkerung auf 30 Prozent gesunken. In erster Linie wird ihm angelastet, das Land im August 2008 leichtfertig in einen nicht gewinnbaren Krieg mit Rußland geführt zu haben.

Spiel mit dem Feuer

Unterdessen hat die NATO zwei Manöver angekündigt, die vom 6. Mai bis zum 1. Juni in Georgien stattfinden sollen. Hauptschauplatz wird die Militärbasis Vaziani sein, die 20 Kilometer östlich von Tbilissi liegt. Es werden rund 1300 Soldaten aus 19 Ländern teilnehmen. Darunter auch Nicht-NATO-Mitglieder wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Aserbaidschan, Armenien, Kasachstan, Moldowa und Serbien.

Russische Politiker haben das Vorhaben scharf kritisiert. Präsident Dmitri Medwedew sprach von einer »gefährlichen Entscheidung«. »Wenn ein Militärblock Übungen in der Nähe von Gebieten durchführt, wo es gerade erst kürzlich hochgradige Spannungen gab und die Situation immer noch unruhig ist, bringt das das Risiko verschiedener Arten von Komplikationen mit sich.«

* Aus: junge Welt, 21. April 2009


Weitere Meldungen

Saakaschwili will Georgien vor "russischer Okkupation" befreien **

TIFLIS, 20. April (RIA Novosti). Georgien wird nach Worten von Präsident Michail Saakaschwili unbedingt von den Okkupanten befreit und seine Entwicklung fortsetzen.

"Ich habe das bereits erklärt und wiederhole ein weiteres Mal, dass die Sache bis zum Ende geführt wird: Georgien wird vor der Besatzung frei", sagte Saakaschwili am (orthodoxen) Ostermontag auf einem Friedhof, wo während des Südossetien-Konflikts im vergangenen August ums Leben gekommene georgische Soldaten beigesetzt sind.

"Schlechte Beziehungen zu Russland waren nie im Interesse Georgiens gewesen ... Georgien war nie auf sein (Russlands) Gebiet eingedrungen. Wir sollten unsere künftigen Beziehungen zu Russland gutnachbarlich gestalten." Er sei sicher, dass sich die Beziehungen zwischen Russland und Georgien in der Zukunft normalisieren werden, sagte Saakaschwili.

** Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 20. April 2009


Georgien verteidigt sein Recht auf Nato-Manöver ***

TIFLIS, 21. April (RIA Novosti). Georgien verteidigt sein Recht, sein Gebiet für Militärübungen der Nato bereit zu stellen.

„Georgien ist ein unabhängiger Staat und deshalb berechtigt, beliebige Übungen auf seinem Gebiet durchzuführen“, sagte Surab Katschkatschischwili, Direktor des Politischen Departments des georgischen Außenministeriums, am Dienstag in Tiflis.

Auf die Kritik aus Moskau eingehend, sagte Katschkatschischwili, dass das Manöver mit der Nato bereits vor einem Jahr geplant worden sei. Und es sei erstaunlich, dass Russland diese Frage erst vor kurzem aufgeworfen habe.

Die multinationale Nato-geführte Übung „Cooperative Longbow 09/Cooperative Lancer 09“ soll vom 6. Mai bis 1. Juni in Georgien stattfinden. Daran werden rund 1300 Soldaten aus Nato-Mitglieds- und Partnerstaaten teilnehmen. Nato-Sprecher Robert Pszczel sagte vorige Woche in Brüssel, es handle sich um eine Stabsübung, so dass weder Waffen noch Kriegstechnik zum Einsatz kommen würden.

Der russische Präsident Dmitri Medwedew kritisierte die bevorstehende Übung. Diese Entscheidung trage nicht zur Annäherung mit Russland bei und drohe mit Komplikationen.

Der russische Nato-Botschafter Dmitri Rogosin warnte, dass der georgische Präsident Michail Saakaschwili während der bevorstehenden Nato-Übung in seinem Land zu Provokationen gegen Abchasien und Südossetien greifen könne. Er rief die Nato offiziell auf, auf die Übung zu verzichten. Anderenfalls würde Russland an dem Treffen der Generalstabschefs mit der Nato nicht teilnehmen.

*** Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 20. April 2009


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