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Fallschirmjäger in Schwarzmeernähe

Rußland verstärkt Truppen in der von Georgien abgefallenen Republik Abchasien

Von Knut Mellenthin *

Moskau hat am Donnerstag Einzelheiten über die Verstärkung seiner Truppen in der von Georgien abgefallenen Republik Abchasien mitgeteilt. Russische Soldaten sind dort seit dem georgisch-abchasischen Krieg von 1992–93 im Auftrag der postsowjetischen Staatengruppe GUS stationiert. Ihre Stärke soll einem 1994 mit Zustimmung Georgiens gefaßten GUS-Beschluß zufolge 2500 bis 3000 Mann betragen.

Wie das Verteidigungsministerium in Moskau nun mitteilte, befinden sich nach der Verstärkung nunmehr 2542 russische Soldaten in Abchasien. Zuvor seien es 1997 gewesen. Falls Georgien weiter seine Truppen in der sogenannten Konfliktzone verstärken sollte, werde Rußland entsprechend reagieren und die Zahl seiner Soldaten in Abchasien bis zur vereinbarten Höchstgrenze aufstocken. Die Konfliktzone ist ein ausgedehnter Bereich beiderseits der Grenze, der dem Waffenstillstandsabkommen von 1994 zufolge von Militär der Konfliktparteien freizuhalten ist.

Russische Nachrichtenagenturen meldeten am Mittwoch (7. Mai), daß sich unter den nach Abchasien entsandten Verstärkungen 400 Fallschirmjäger befinden. Sie seien in zwei neu errichteten Basislagern im Distrikt Ochamchire stationiert, der zwischen der Schwarzmeerküste und dem Fluß Kodori liegt. Den Agenturen zufolge sind die Verstärkungstruppen mit mobiler Artillerie und Luftabwehr-Systemen ausgestattet.

Das Obere Kodori-Tal, das politisch zu Abchasien gehört, ist seit Sommer 2006 unter Bruch des Waffenstillstandsabkommens von georgischem Militär besetzt. Georgien will dort eine Gegenregierung installieren. Außerdem stellt das hochgelegene, nur 40 Kilometer von der Hauptstadt Suchumi entfernte Gebiet ein ideales Einfallstor für Militäraktionen gegen Abchasien dar.

Unterdessen verschärfen sich die Töne US-amerikanischer Regierungsvertreter gegen Rußland. Nach Sprechern des Weißen Hauses und des State Department hat am Mittwoch auch der Nationale Sicherheitsberater Stephen Hadley von »provokativen Aktionen« gesprochen, die zurückgenommen werden müßten. Neben der Truppenverstärkung erwähnte Hadley in diesem Zusammenhang auch die von Präsident Wladimir Putin kurz vor seinem Abschied aus dem Amt veranlaßten Maßnahmen zur Erleichterung der Beziehungen zwischen Rußland und Abchasien. Gleichzeitig bekundete Hadley aber auch Zuversicht, daß die russisch-amerikanischen Beziehungen stabil seien und es auch unter Putins Nachfolger Dimitri Medwedew bleiben werden.

* Aus: junge Welt, 9. Mai 2008

Weitere aktuelle Agenturmeldungen

Georgien könnte "jugoslawisches Szenario" in Abchasien realisieren - Experte

MOSKAU, 07. Mai (RIA Novosti). Georgien könnte in der von Tiflis abtrünnigen Region Abchasien nach Expertenansicht das sogenannte "jugoslawische Szenario" realisieren.

Der Politologe Waleri Solowej, Dr. rer. hist., nahm am Donnerstag (8. Mai) Stellung zu Meldungen, wonach Georgien in der Nacht zum 9. Mai eine Invasion in Abchasien unternehmen könnte. "Ich schließe eine solche Entwicklung nicht aus", sagte der Experte in einem RIA-Novosti-Gespräch in Moskau. "Aber das wird höchstwahrscheinlich keine regelrechte Militäroperation, sondern eher eine Diversion sein, bei der friedliche georgische Bürger auf dem Territorium Abchasiens getötet werden. Darauf wird Georgien einen definitiven Abzug der russischen Friedenstruppen aus der Konfliktzone fordern", fuhr der Politologe fort.

All das erinnere an die Entwicklung kurz vor Bombenangriffen der NATO auf Belgrad. "Es handelt sich um ein gut geöltes Szenario: Zuerst wird eine Diversion organisiert. Darauf wird eine massive Kampagne in Massenmedien gestartet. Der internationalen Gemeinschaft wird ein Haufen von Leichen präsentiert, worauf eine Konfliktseine den Westen ersucht, dessen Sicherheitskräfte in die Konfliktzone zu verlegen." Die abschließende Phase dieses Szenarios ist nach Worten des Experten der Übergang von einem Nervenkrieg zu offenen Kampfhandlungen.

Wie der Fernsehsender "Swesda" am Donnerstag (8. Mai) unter Berufung auf die "nächste Umgebung des georgischen Präsidenten" berichtete, sollen die georgischen Truppen am 8./9. Mai von Sugdidi und dem Kodori-Tal aus in das abchasische Gebiet vordringen. Geplant sei, den Kreis Gali und einen Teil der Kreise Otschamtschira und Tkuartscheli zu besetzen und diese Territorien unter Kontrolle von Tiflis zu bringen.

"Swesda" zufolge erklärte ein ranghoher georgischer Amtsträger die Veröffentlichung dieser bislang geheim gehaltenen Pläne mit der Notwendigkeit, den Militärkonflikt zu verhindern, bei dem tausende in Abchasien ansässige Georgier ums Leben kommen könnten, über deren Schicksal Präsident Saakaschwili nicht entscheiden dürfe.

Das georgische Verteidigungsministerium dementierte die Meldungen. "Das ist Schwachsinn, darauf werden wir nicht reagieren", sagte die Sprecherin des Verteidigungsamtes, Nana Inzkirweli, in einem Telefongespräch mit RIA Novosti. Der abchasische Außenminister Sergej Schamba erklärte seinerseits, dass Georgien selbst im Fall eines Überraschungsangriffs keine Erfolgschancen haben würde, weil die abchasischen Streitkräfte in erhöhter Kampfbereitschaft sind. "Wir zweifeln nicht daran, dass Georgien die gebührende Abfuhr erteilt wird", sagte der Minister.

Bei einem Treffen mit russischen Journalisten hatte der georgische Präsident Michail Saakaschwili am Donnerstag in Batumi (Hauptstadt der Teilrepublik Adscharien) gesagt, dass Georgien vor wenigen Tagen sehr nah zu einem Krieg mit Russland gewesen und diese Gefahr noch nicht gebannt sei. "Georgien will aber keinen Krieg und hat ja auch keine Kräfte dazu. Georgien kann einen Krieg gegen Russland nicht führen. Unsere Truppen reichen dafür nicht aus, und die NATO würde uns dabei nicht helfen", sagte Saakaschwili.

Indes hält der Kreml die jüngsten Kriegsäußerungen des georgischen Präsidenten für wenig wahrscheinlich. "Wir zweifeln daran, dass Saakaschwili gesagt hat, Georgien sei vor einigen Tagen sehr nah zu einem Krieg mit Russland gewesen", sagte ein Sprecher der Präsidialverwaltung, der anonym bleiben wollte, am Donnerstag in Moskau. "Ein beliebiger verantwortungsbewusster Politiker, geschweige denn ein Staatschef, hätte kaum solche Erklärungen abgegeben und sich eine solche Rhetorik erlaubt", hieß es.

Die Beziehungen zwischen Russland und Georgien hatten sich im Frühjahr 2008 wieder zugespitzt. Am 6. März hob Russland die von den Ländern der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) 1996 verhängten Sanktionen gegen Abchasien einseitig auf. Zudem rief Moskau andere GUS-Mitgliedsländer auf, seinem Beispiel zu folgen.

Am 16. April beauftragte Präsident Wladimir Putin die Regierung in Moskau, konkrete Hilfe für die Bevölkerung von Abchasien und Südossetien zu erweisen und direkte Kontakte zu deren faktischen Machtorganen aufzunehmen. Tiflis forderte Moskau auf, diese Beschlüsse zu widerrufen bzw. nicht umzusetzen. Angesichts der zugespitzten Lage beschloss das russische Verteidigungsminister Anfang Mai, das Kontingent der russischen Friedenstruppen in Abchasien zu verstärken.


Abchasische Militärs präsentieren Trümmer von am Vortag abgeschossener georgischer Drohne

SUCHUMI, 08. Mai (RIA Novosti). Der stellvertretende Verteidigungsminister der von Georgien abtrünnigen Republik Abchasien, Garri Kupalba, hat am Freitag in Suchumi Trümmer einer am Vortag abgeschossenen georgischen Drohne präsentiert.
Das berichtete ein RIA-Novosti-Korrespondent vor Ort. Am Vortag hatte Abchasiens Verteidigungsminister Merab Kischmaria RIA Novosti telefonisch mitgeteilt, dass abchasische Militärs einige Trümmer des Aufklärungsflugzeugs entdeckt hatten. Die Drohne sei im Himmel über dem Kreis Otschamtschira zerstört worden. Das sei bereits die fünfte über Abchasien abgeschossene Drohne seit Jahresbeginn. "Der Apparat ist wie die vier anderen israelischer Produktion", sagte Kischmaria. Die georgische Seite dementiert kategorisch Meldungen aus Abchasien.

Russische Friedenstruppen in Abchasien erfüllen in vollem Umfang ihre Aufgaben

MOSKAU, 09. Mai (RIA Novosti). Die Friedensformationen, mit debeb die Kollektive Friedensmacht der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) in Abchasien verstärkt wurde, erfüllen in vollem Umfang ihre Aufgaben.
Das teilte das russische Verteidigungsministerium am Freitag in Moskau mit. "Im Kreis Tkwartscheli von Abchasien wurde das Basislager aufgeschlagen, gebaut wurden eine Kantine und ein Munitionsdepot", hieß es. Am Freitag sollen die russischen Friedenssoldaten an gemeinsamen Veranstaltungen mit der Bevölkerung von Tkwartscheli anlässlich des 63. Jahrestages des Sieges über Hitler-Deutschland teilnehmen.

Russische Friedenstruppen in Abchasien verletzen ihr Mandat - Tiflis

MOSKAU, 09. Mai (RIA Novosti). Russland kann nach Ansicht Georgiens eine Provokation im Kodori-Tal auf dem Territorium der von Tiflis abtrünnigen Region Abchasien organisieren und somit Kampfhandlungen auslösen.
Das erklärte der Chef der russischen Abteilung des georgischen Reintegrationsministeriums, Iossif Tschachoaschwili, am Freitag in Tiflis. "Wir haben nie die Absicht gehabt, den Krieg zu beginnen. Aber Russland drängt Georgien dazu, dass Tiflis den Krieg entzettelt... Die Russen könnten anfangen und dann sagen, das seien die Abchasen gewesen. Wir denken, dass dieses Szenario durchaus realisierbar ist", sagte Tschachoaschwili.

Laut Friedensmandat dürfen sich im Krisengebiet nach seinen Worten nur Panzergrenadier-Einheiten aufhalten. "In Verletzung ihres Mandats hatte die russische Seite ihre Luftlandeformationen, Einheiten der Luftabwehr und Raketentruppen nach Abchasien verlegt. Somit geht Russland über sein Mandat hinaus und führt eine gesetzwidrige Situation herbei", sagte der Experte.

Russland betrachtet Georgien nicht als Feind - Botschafter

TIFLIS, 09. Mai (RIA Novosti). Russland betrachtet Georgien nach Worten des russischen Botschafters in Tiflis, Wjatscheslaw Kowalenko, nicht als einen Feind.
"Russland will keinen Krieg auf georgischem Boden", sagte der Diplomat am Freitag in Tiflis nach Angaben der Nachrichtenagentur Nowosti-Grusija. Die Situation in (der von Georgien abtrünnigen Republik) Abchasien sei kompliziert. Aber Russland konfrontiere nicht mit Georgien. "Ich will nicht, dass es in Georgien wieder einen Krieg gibt. Ich denke, dass das von niemandem gewünscht ist", sagte Kowalenko bei einer Veranstaltung im Siegespark in Tiflis, wo sich Kriegsveteranen anlässlich des 63. Jahrestages des Sieges über Nazi-Deutschland versammelt hatten.
"Die jüngste Aufstockung der russischen Friedensmacht in Abchasien läuft keinem einzigen, darunter auch vom georgischen Präsidenten unterzeichneten Abkommen zuwider. Wenn die Friedenssoldaten abziehen, wird es zu einem Krieg kommen. Seit 15 Jahren sorgen die Friedenstruppen für Frieden in der Region." Kowalenko teilte ferner mit, dass Russland die georgische Seite bereits davon in Kenntnis gesetzt hatte, wo die Friedenstruppen, in welcher Personalstärke und mit welcher Bewaffnung stationiert sind.




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