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Nach dem Überfall auf Gaza-Hilfskonvoi:

Weltweite Empörung hält an / Rückkehr deutscher Teilnehmer/innen: "Wir haben uns wie im Krieg gefühlt" / Jurist: "Anfangsverdacht für ein Kriegsverbrechen"



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Schwere Vorwürfe der zurückgekehrten Abgeordneten an Israel

Die an dem Hilfskonvoi für die Palästinenser beteiligten Mitglieder der Linkspartei haben wegen des Militäreinsatzes schwere Vorwürfe gegen Israel erhoben. "Wir haben uns wie im Krieg gefühlt, gekidnappt gefühlt", sagte Linken-Abgeordnete Inge Höger nach der Rückkehr aus dem Nahen Osten vor Journalisten in Berlin. "Das war kein Akt der Selbstverteidigung", betonte auch der frühere Abgeordnete Norman Paech.

Der 72-jährige Paech bezeichnete den Einsatz der israelischen Soldaten als "vollkommen unverhältnismäßig" und widersprach der Darstellung, von den Aktivisten an Bord des türkischen Schiffes "Mavi Marmara" sei erhebliche Gewalt ausgegangen. Anders als vom Militär behauptet, habe er an Bord etwa keine Axt gesehen, sagte Paech, der unrasiert und von den Strapazen gezeichnet vor die Presse trat. Die Menschen hätten sich lediglich mit Holzstöcken gegen die Soldaten verteidigt. Er habe drei leicht verletzte Soldaten gesehen, die aus eigener Kraft das Schiff wieder hätten verlassen können.

Über die Zahl der toten und verletzten pro-palästinensischen Aktivisten gab es weiter unterschiedliche Angaben. Das Militär korrigierte Medienberichte über bis zu 16 Tote und bestätigte neun Todesopfer nach dem Einsatz.

Nachdem sie gegen 02.30 Uhr ihrer Ausweisung zugestimmt hätten, wurde die fünfköpfige Delegation, zu der auch die Linken-Abgeordnete Annette Groth, der Arzt Matthias Jochheim und Nader el Sakka von der Palästinensischen Gemeinde Deutschland gehörten, schließlich zum Flughafen gebracht. Höger zeigte sich überzeugt, dass die Gruppe nur so schnell freigekommen sei, "weil wir Abgeordnete sind". "Alle anderen sind im Gefängnis", sagte Höger.

An dem Hilfseinsatz für den Gazastreifen waren nach Angaben des Außenamtes weitere deutsche Staatsbürger beteiligt, die sich offenbar zum Teil im Gefängnis von Beerscheba aufhalten sollen.

Als Vertreter der deutschen Sektion der Ärzte zur Verhütung eines Atomkrieges (IPPNW) sagte Jochheim, er selbst habe vier tote Aktivisten gesehen und eine Kollegin habe ihm von einem weiteren Toten berichtet. Insgesamt seien nach seiner Einschätzung "mindesten 50 Menschen erheblich verletzt worden", sagte der deutsche IPPNW-Vize, der nach eigenen Angaben selbst bei der Versorgung der Verletzten mithalf, wie Blutflecke an seiner Hose nach der Rückkehr in Berlin bezeugten.

Quelle: Agenturbericht, AFP, 1. Juni 2010



Überfall auf Gaza-Hilfskonvoi

Israelische Marineeinheit enterte Solidaritätsschiffe und tötete zahlreiche Passagiere *

Israel hat mit einem Angriff auf einen internationalen Schiffskonvoi mit Hilfsgütern für Palästinenser Bestürzung und Proteste in weiten Teilen der Welt ausgelöst. Nach unterschiedlichen Angaben wurden bis zu 19 Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt, als die Flottille mit Kurs auf den Gazastreifen gewaltsam gestoppt wurde.

Blutiger Überfall im Mittelmeer: Die israelische Marine hat am Montag bei der gewaltsamen Erstürmung der internationalen Gaza-»Solida- ritätsflotte« mehr als zehn Aktivisten getötet. Ein israelischer Fernsehsender sprach sogar von 19 toten Begleitern des Hilfskonvois. Darüberhinaus wurden Dutzende weitere verletzt, als Elitesoldaten in den Morgenstunden von Hubschraubern und Kommandobooten aus die sechs Schiffe des Konvois mit Strickleitern enterten.

Nach Angaben der Organisation Free Gaza ereignete sich der Vorfall 75 Meilen (etwa 140 Kilometer) vor der israelischen Küste. Nach Darstellung der israelischen Armee seien »gewaltbereite Aktivisten« für den blutigen Zwischenfall verantwortlich. Die Organisation Free Gaza bestritt hingegen, dass Aktivisten auf Soldaten geschossen oder die blutige Gewalt ausgelöst hätten. Sie verwiesen auf Videoaufnahmen von Bord des Schiffes. »Die Soldaten haben begonnen zu schießen, sobald sie an Bord kamen«, sagte Audrey Bomse von Free Gaza. Auf dem angegriffenen Schiff, der »Marmara« aus der Türkei, befanden sich neben 570 anderen Begleitern auch die beiden LINKE-Bundestagsabgeordneten Annette Groth und Inge Höger sowie weitere Prominente, darunter der schwedische Autor Henning Mankell.

Nach Angaben der israelischen Armee wurden bis zum Nachmittag zwei der sechs Schiffe in den Hafen von Aschdod in Israel gebracht. Dort will israelisches Militär die Aktivisten überprüfen und verhören. Danach sollen sie abgeschoben werden. Falls sie dem nicht zustimmen, drohe ihnen eine Inhaftierung. Wer israelische Soldaten verletzt habe, solle in Israel angeklagt werden.

Die Bundesregierung äußerte sich »bestürzt« über die israelische Aktion. Außenminister Guido Westerwelle verlangte am Montag in einem Telefonat mit seinem israelischen Kollegen Avigdor Lieberman eine »umfassende Untersuchung«, wie Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Montag in Berlin mitteilte. Es gebe, so Wilhelm, Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des israelischen Einsatzes. Er erklärte aber, jede Bundesregierung unterstütze vorbehaltlos das Recht Israels auf Selbstverteidigung. Das Schicksal von bis zu zehn Bundesbürgern, die auf der »Marmara« waren, müsse schnellstmöglich geklärt werden. Neben den beiden LINKE-Abgeordneten sind das unter anderem deren ehemaliger Kollege Norman Paech, der Vertreter der deutschen Sektion der Ärzte zur Verhütung eines Atomkrieges, Matthias Jochheim, sowie Nader el-Sakka von der Palästinensischen Gemeinde Deutschland.

Israel hat eine Nachrichtensperre verhängt. Bis zum frühen Abend war deshalb auch die Identität der Getöteten und Verletzten nicht bekannt. Außerdem soll das israelische Militär allen Passagieren die Telefone abgenommen haben, auch den Abgeordneten.

Linksfraktionschef Gregor Gysi hat den Überfall gegen die internationale Hilfsflotte für den Gazastreifen als »unverantwortlich und verbrecherisch« bezeichnet. Dies dürfe man Israel nicht durchgehen lassen. Er forderte von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Westerwelle, dass sie sich »intervenierend einsetzen gegenüber der israelischen Regierung«. Die Bundesregierung müsse das Ende der Gewalt gegenüber den Besatzungen der Schiffe sowie die unverzügliche Freilassung sämtlicher friedlicher Besatzungsmitglieder einfordern.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sprach von einem »Massaker« und »abscheulichen Verbrechen«. Die türkische Regierung rief aus Protest ihren Botschafter aus Israel zurück. Athen brach Luftwaffenmanöver mit Israel in der Ägäis ab. Der UNO-Sicherheitsrat wollte wegen des israelischen Vorgehens noch gestern Abend zu einer Dringlichkeitssitzung zusammentreten. Auch Friedensorganisationen und Kirchen in aller Welt haben den israelischen Angriff auf die Gaza-Hilfsflotte scharf verurteilt.

* Aus: Neues Deutschland, 1. Juni 2010

Letzte Meldungen

Nach Sturm auf Gaza-Hilfskonvoi

Erste Aktivisten kehren zurück nach Deutschland - darunter auch Linke-Abgeordnete

Einen Tag nach dem gewaltsamen Sturm eines internationalen Gaza-Hilfskonvois im Mittelmeer sind fünf der elf Deutschen in die Heimat zurückgekehrt. Dazu gehörten unter anderem die beiden Bundestagsabgeordneten Annette Groth und Inge Höger (Die Linke), teilte ein Fraktionssprecher am Dienstag (1. Juni) in Berlin mit. Annette Groth und Inge Höger werden sich heute auf einer Pressekonferenz in Berlin äußern.

Nach neuesten Angaben des Auswärtigen Amtes befanden sich insgesamt elf deutsche Staatsbürger an Bord der sechs Schiffe der "Gaza-Solidaritätsflotte". Das Schicksal der restlichen sechs Bundesbürger war zunächst noch unklar.

Die Aktivisten waren an Bord der sechs Schiffe, die am frühen Montagmorgen (31. Mai) in einer Kommandoaktion der israelischen Marine gestürmt worden waren. Soldaten töteten dabei nach Armeeangaben neun Aktivisten. Weitere 50 Personen sowie sieben Soldaten wurden demnach verletzt. Nach internationalen Medienberichten soll es sogar bis zu 16 Tote an Bord des türkischen Passagierschiffes "Mavi Marmar" gegeben haben.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach von einer Notwehr der Soldaten. Die Armee veröffentlichte am Montagabend Ausschnitte von Live-Aufnahmen. Darin ist unter anderem zu sehen, wie Grüppchen von Aktivisten mit Schlagstöcken auf Soldaten einprügeln. In einer anderen Szene wird ein Soldat kopfüber vom Oberdeck auf das darunter liegende Deck geworfen. In einer dritten Szene ist ein Soldat mit einer tiefen Stichwunde in der Brust zu sehen. Die internationalen Aktivisten hatten keine Möglichkeit, sich öffentlich zu äußern oder ihre Aufnahmen zu zeigen.

Die israelische Militäraktion hat eine Welle weltweiter Kritik ausgelöst. Die Sprecherin der Organisation Free Gaza, Audrey Bomse, warf der israelischen Regierung Piraterie vor, weil die Schiffe in internationalen Gewässern aufgebracht wurden.

Der NATO-Rat wird sich noch heute (1. Juni) im Rahmen einer Sondersitzung mit der israelischen Militäraktion gegen die "Solidaritätsflotte" für Gaza befassen.



Das Ende einer langen Freundschaft

Türkei beruft Botschafter aus Israel ab / Blockadegegner von Istanbul aus gestartet

Von Jürgen Gottschlich, Istanbul **


Der Schiffskonvoi der Gegner der Blockade des Gaza-Streifens ist von der Türkei aus organisiert worden. Nun reagiert das Land heftig auf den Angriff der israelischen Marine. Ankara zitiert seinen Botschafter zurück und verlangt eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates.

»Allah u Akbar« schallt es über den zentralen Istanbuler Taksim-Platz, im Wechsel mit »Nieder mit Israel«. Auf den Transparenten wird Israel mit somalischen Piraten verglichen, andere fordern »Israel raus aus dem Nahen Osten«. Die Menge besteht fast ausschließlich aus islamischen Aktivisten, darunter viele junge Frauen im schwarzen Ganzkörperschleier. Normalerweise sieht das Publikum auf dem Taksim-Platz anders aus, aber die Nachrichten vom israelischen Militäreinsatz gegen den maritimen Hilfskonvoi für das blockierte Gaza trieb am Montagvormittag vor allem die Anhänger der islamischen Gruppen auf die Straße. Waren es am Morgen erst einige hundert, die spontan ins Zentrum gelaufen waren, strömten am Mittag bereits organisierte Massen zu Tausenden zum Taksim. Andere hatten sich schon in der Nacht auf den Weg zum israelischen Konsulat gemacht, wo es bereits am frühen Morgen zu einer Straßenschlacht mit der Polizei gekommen war.

Von den zuletzt gemeldeten 19 Toten, die Opfer der israelischen Militäraktion im offenen Meer wurden, sollen zehn aus der Türkei kommen. Das entspricht den Zahlenverhältnissen auf den sechs Schiffen, die, mit Hilfsgütern und Baumaterial beladen, gestern vergeblich versucht hatten, den Hafen von Gaza zu erreichen. Unter den 600 Menschen, die den Hilfskonvoi begleiten, sind 400 Türken. Auch das Flaggschiff des Konvois, die »Mavi Marmara«, kommt aus Istanbul. Eigentümerin ist die islamische Hilfsorganisation »Insan Hak ve Hürriyetleri ve Insani Yardim Vakfi« (IHH). Diese war anlässlich des Krieges in Bosnien gegründet worden, hatte dann die islamischen Kämpfer in Tschetschenien unterstützt und konzentrierte sich in den letzten Jahren überwiegend auf Palästina. Angeblich hat die Organisation gute Beziehungen zur Hamas. Weil es ihr nicht gelang, für die Aktion Schiffe zu chartern, hat sie kurzerhand zwei Frachter gekauft, einer von ihnen ist die »Mavi Marmara«.

Gemeinsam mit anderen islamischen Hilfsorganisationen veranstaltete IHH gestern in Istanbul eine Pressekonferenz, in deren Verlauf sie Israel des Mordes an »ihren Märtyrern« beschuldigte. Einer der bekanntesten islamischen Publizisten der Türkei, Ali Bulac, bezeichnete den Angriff auf den Hilfskonvoi als »kriegerischen Akt«, den die Türkei nicht unbeantwortet lassen darf. Auf einem eilig einberufenen Briefing der Regierung, das der stellvertretende Ministerpräsident Bülent Arinc in Abwesenheit von Premier Recep Tayyip Erdogan, der noch in Südamerika ist, veranstaltete, wurde Arinc gefragt, ob die Türkei nun ihrerseits Kriegsschiffe an die israelische Küste beordern würde. Der Vizepremier verneinte das zwar, Ankara werde aber den Botschafter aus Jerusalem abberufen, mehrere Militärabkommen mit Israel kündigen und eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates verlangen.

Das türkische Außenministerium hatte die israelische Aktion bereits zuvor in scharfen Formulierungen verurteilt und von »irreparablen Schäden« im Verhältnis beider Länder gesprochen. Auch Griechenland, von wo ebenfalls eines der sechs Schiffe gestartet war, hat ein gerade stattfindendes gemeinsames Luftwaffenmanöver mit Israel sofort abgebrochen. Die politischen Folgen für Israel dürften verheerend sein. Während der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad triumphierend verkündet, Gaza würde zum Grab für Israel werden, hat die israelische Regierung ihre Bürger offiziell aufgefordert, nicht mehr in die Türkei zu reisen, immerhin dem einzigen muslimischen Land, mit dem es Jahrzehnte verbündet war. Sämtliche türkischen Fernsehkanäle, auch die, die normalerweise nur Seifenopern senden, waren gestern mit dem Thema Hilfskonvoi beschäftigt. Auch wenn die demonstrierenden Islamisten für die Mehrheit der türkischen Bevölkerung nicht repräsentativ sind und es in einigen Internetforen auch Kritik an dem provokativen Charakter der Hilfsaktion gab – der 31. Mai 2010 dürfte im Rückblick für das Ende der türkisch-israelischen Freundschaft stehen.

** Aus: Neues Deutschland, 1. Juni 2010


Anfangsverdacht für ein Kriegsverbrechen

Linkspolitiker Wolfgang Neskovic zum israelischen Piratenakt und zu juristischen Konsequenzen ***

Mindestens zehn Todesopfer hat der israelische Militäreinsatz gegen den internationalen Schiffskonvoi mit Hilfsgütern für Gaza gefordert. Über die Rechtmäßigkeit des Angriffs in internationalen Gewässern sprach mit Wolfgang Neskovic, rechtspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der LINKEN, für das Neue Deutschland (ND) Roland Etzel.

ND: Israel hat den internationalen Schiffskonvoi mit Hilfsgütern etwa 70 Seemeilen vor der Küste Gazas angegriffen. Kann es für diese Militäraktion irgendeine Art juristischer Rechtfertigung geben?

Neskovic: Nein. Den vorliegenden Presseberichten nach fand der Angriff auf Hoher See statt. Laut dem Seerechtsübereinkommen dürfen in internationalen Gewässern Schiffe nur in Ausnahmefällen – zum Beispiel beim Verdacht auf Seeräuberei – angehalten und betreten werden.

Ein israelischer Militärsprecher sprach davon, dass es sich bei den Gewässern, in denen sich der Hilfskonvoi befand, um eine Kriegszone gehandelt habe, in die die Schiffe nicht hätten eindringen dürfen. Könnte man diese Aktion gegen Zivilschiffe auf diese Weise rechtfertigen?

Den Begriff der Kriegszone gibt es im Völkerrecht nicht. Deswegen kann sich daraus auch keine völkerrechtliche Rechtfertigung ergeben – erst recht nicht für einen Angriff auf Schiffe, die erkennbar humanitären Zwecken dienen.

Ist nicht überhaupt die Abriegelung des Gaza-Streifens bereits ein Verstoß gegen das Völkerrecht?

Ja, allein die Besetzung des Gaza-Streifens stellt einen eklatanten Verstoß gegen das Völkerrecht dar. Insbesondere die Abriegelung des Gaza-Streifens verletzt humanitäres Völkerrecht. Kollektivstrafen sind nach Artikel 33 des Genfer Abkommens über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten verboten. Auch Amnesty International hat in einem Gutachten diesen Verstoß gerügt.

Wie sollten die betroffenen Staaten jetzt reagieren? Darunter befindet sich ja auch Deutschland. Es liegt offensichtlich eine kriegerische Handlung vor, auch gegen deutsche Staatsbürger, die sich auf den Schiffen befanden. Ist die Bundesanwaltschaft gefordert?

Nach dem Völkerstrafgesetzbuch sind vorsätzliche Angriffe auf Zivilpersonen, die sich nicht unmittelbar an Feindseligkeiten beteiligen, strafbar. Das Völkerstrafgesetzbuch gilt auch dann, wenn die Tat im Ausland begangen wurde und keinen Bezug zum Inland aufweist. Für die Verfolgung solcher Straftaten ist die Generalbundesanwaltschaft zuständig.

Laut den vorliegenden Presseberichten besteht zumindest der Anfangsverdacht für ein Kriegsverbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch, so dass die Generalbundesanwaltschaft gehalten ist, Ermittlungen aufzunehmen.

Es hieß, vom Auswärtigen Amt habe es eine Warnung an die deutschen Abgeordneten gegeben, die Reise zu unterlassen. Hätten die Betroffenen diese Warnung befolgen müssen?

Es war allein Entscheidung der Abgeordneten, ob sie diese Warnung befolgen. Rechtlich bestand für das Auswärtige Amt keine Möglichkeit, die Abgeordneten an ihrer Entscheidung zu hindern, den Schiffskonvoi zu begleiten. Allerdings ist vom Auswärtigen Amt zu erwarten, dass es die Israelis von der Anwesenheit der deutschen Staatsbürger an Bord der Schiffe informiert, um sie auf diese Art und Weise zu schützen.

*** Aus: Neues Deutschland, 1. Juni 2010


Maritime Rambos

Von Roland Etzel ****

Wann hat es zuletzt einen ähnlich eklatanten Bruch des Seerechts durch einen Staat gegeben? Zumindest in diesem Jahrtausend stößt man auf nichts Vergleichbares. Einen zivilen Hilfskonvoi in internationalen Gewässern zu überfallen – das ist nicht nur staatlich befohlene Piraterie, das ist Staatsterrorismus. Und Israels verantwortliche Politiker geben sich nicht einmal große Mühe, dies in Frage zu stellen. Selbst ihr »Bedauern« gerät zur Verhöhnung der Opfer. Für Verteidigungsminister Barak sind sie selbst schuld. Die Todesschüsse der stürmenden Marineeinheiten erklärt er als »Mittel zur Auflösung von Demonstrationen«. ND-Probeabo

Die israelische Politik hat sich in ein amokartiges Agieren in selbstgeschaffenen rechtsfreien Räumen hineingesteigert. Libanon-Krieg 2006, Gaza-Krieg 2008, der permanente Landraub ... Und nicht zuletzt: Die Abriegelung Gazas von allen Seiten her, zu deren Aufrechterhaltung diese maritime Rambo-Aktion diente, ist selbst ein permanentes Verbrechen.

Die meisten westlichen Staaten, voran die USA, aber nicht zuletzt Deutschland, haben das Ihre zu diesem egomanischen Politikverständnis der israelischen Regierungen getan, indem sie in der Nahostpolitik doppelte Standards zulassen. Auch die gestrige Stellungnahme der Bundesregierung, in der »Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des israelischen Einsatzes« geäußert werden, liegt am untersten Ende der Skala von Protestmöglichkeiten. Es grenzt an Zustimmung.

**** Aus: Neues Deutschland, 1. Juni 2010 (Kommentar)


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