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Solidaritäts-Schiffe mit Hilfsgütern auf dem Weg nach Gaza

Israel droht, die "Freiheitsflotte" zu stoppen und die Aktivisten zu verhaften

Von Karin Leukefeld *

Zement, Eisen, Kachelkleber, ganze Fertighäuser, Rollstühle, Krankenhausbetten, Wasseraufbereitungsgeräte, Schulmaterialien, Spielzeug, Medikamente, Verbandstoffe und Medizinische Geräte sind nur einige der 10.000 Hilfsgüter, die von rund 700 Friedensaktivisten aus aller Welt auf dem Weg in den Gazastreifen sind. Verläuft alles nach Plan, werden sich die 9 Schiffe am Freitag im östlichen Mittelmeer treffen, um aus internationalen Gewässern in palästinensische Hoheitsgewässer einzufahren und die Hilfsgüter im Hafen von Gaza Stadt zu löschen. Israel, das seit 2007 den Gaza Streifen belagert hat angekündigt, die Schiffe zu stoppen. Es werde den Funkverkehr der Schiffe lahmlegen und damit die Passagiere isolieren, hieß es seitens der israelischen Marine. Journalisten und Kamerateams, die die Schiffe begleiten, sollen offensichtlich daran gehindert werden, live zu berichten. Yossi Gal vom israelischen Außenministerium erklärte, die Flotte breche „das Völkerrecht“ und sei eine „absolute Provokation“, denn es gebe gar keinen Mangel an humanitärer Hilfe in Gaza. Die Schiffe würden von der israelischen Marine nach Ashdod umgeleitet, wo bereits Zelte aufgebaut wurden, in denen die Passagiere gefangen gehalten werden sollen. Israelis würden verhaftet, Palästinenser vom Geheimdienst befragt und Ausländer würden deportiert.

Mit einer breit gestreuten Desinformationskampagne versucht Israel seit Wochen die „Freiheits-Flotte“ zu diffamieren. Die Blockade richte sich ausschließlich gegen die Hamas und sei begrenzt auf sicherheitsrelevante Lieferungen. Was an Linsen, Makaroni, Tomatenpaste und vielen anderen von rund 2000 Dingen, die auf der israelischen Blockadeliste stehen “sicherheitsrelevant” ist, bliebe zu erklären. Angeblich, so Israel, habe die „Freiheits-Flotte“ sich geweigert, einen Brief und ein Päckchen für den gefangenen israelischen Soldaten Gilad Shalit von dessen Vater mitzunehmen. „Das ist eine reine Lüge“, heißt es in einer Stellungnahme von „Free Gaza“. Anwälte des Vaters hätten Free Gaza am Vorabend der Abreise aus Griechenland kontaktiert und der irische Senator Mark Daly habe sich bereit, beides mitzunehmen. Wenn er es nicht Gilad Shalit persönlich übergeben könne, so doch der Hamas. Die Anwälte hätten sich seitdem nicht wieder gemeldet. Free Gaza sei nicht nur für die Freilassung von Gilad Shalit, sondern auch für die Freilassung von 11.000 gefangenen Palästinensern, darunter Hunderte Kinder, so „Free Gaza“. (www.WitnessGaza.com)

Organisatoren und Teilnehmer der Freiheits-Flotte sind derweil entschlossen, dem Druck Israels standzuhalten und sich nicht einschüchtern zu lassen. Es sei keine „symbolische Aktion sondern eine konkrete Intervention“, so Aengus O’Snodaigh von der irischen Sinn Fein Partei. „Um die Einwohner von Gaza in die Lage zu versetzen, ein menschenwürdiges Leben wieder aufzubauen.“ Seit dem dreiwöchigen Krieg Israels gegen den Gazastreifen (2008/2009) hat Israel systematisch verhindert, das Baumaterial den Gazastreifen erreicht. Dem Vorwurf Israels, die Flotte versuche auf illegalem Weg den Gazastreifen zu erreichen, erklärte Ewa Jasiewicz von der Internationalen Solidaritätsbewegung (ISM): „Wir brechen nicht das Gesetz, wir bewahren es.“ Man handel, um „die kollektive Bestrafung von 1,5 Millionen Menschen zu stoppen, die in Gaza eingesperrt sind.“ Die „internationale Gemeinschaft“ mache sich mitschuldig an der Bestrafung und müsse ihr Schweigen brechen, so Jasiewicz. „Der Respekt vor dem Völkerrecht ist nicht beliebig, er ist verpflichtend.“

* Dieser Beitrag erschien unter dem Titel "Treffpunkt Ostmittelmeer" gekürzt in: junge Welt, 29. Mai 2010


Flotte der Solidarität mit Kurs Gaza

Die bisher größte »Solidaritätsflotte« mit 700 pro-palästinensischen Aktivisten an Bord nimmt ungeachtet aller Drohungen Israels weiter Kurs auf den Gaza-Streifen. Die acht Schiffe wollten sich im Laufe des Freitags in internationalen Gewässern treffen und voraussichtlich am Samstagnachmittag versuchen, die Seeblockade zu brechen. Das berichtete die Sprecherin der Organisation »Free Gaza«, Audrey Bomse, in der zyprischen Hafenstadt Larnaka.

Die Aktivisten wollen 10 000 Tonnen Hilfsgüter wie Medikamente, Baumaterialien und Nahrungsmittel nach Gaza bringen. Vor einem Jahr war ein Solidaritätsschiff von der israelischen Armee abgedrängt worden.

In Israel bereiteten sich am Freitag Hunderte Soldaten, Angehörige der Marine sowie Polizisten auf einen Großeinsatz vor. Medienberichten zufolge ist geplant, dass Boote der israelischen Marine die Solidaritätsflotte zuerst umkreisen und dann per Lautsprecher darauf hinweisen, dass eine Weiterfahrt in die Küstengewässer einen Gesetzesbruch darstellt. Sollten die Aktivisten nicht abdrehen, werden die Schiffe von Einsatzkräften übernommen.

Bei einem israelischen Luftangriff auf den Gaza-Streifen sind zwei Palästinenser verletzt worden. Nach Angaben palästinensischer Mediziner und Zeugen feuerte ein Kampfhubschrauber auf ein östliches Viertel von Gaza. Zuvor hatten Palästinenser mit einem Mörser geschossen, wie weiter gemeldet wurde.

** Aus: Neues Deutschland, 29. Mai 2010

Stellungnahmen von israelischen Regierungskreisen

Im Folgenden dokumentieren wir ein paar offizielle Verlautbarungen von israelischen Regierungsstellen, die sich in diffamierender Weise mit der Solidaritätsflotte befassen und den internationalen Aktivistinnen und Aktivisten mit dem Aufbringen der Schiffe und der Verhaftung der Verantwortlichen drohen.

Wer steht hinter der Flottille nach Gaza?

Von Arnon Ben-Dror

Während die Organisatoren der Flottille sich selbst als Menschenrechtsverfechter darstellen, deren einziges Ziel die Unterstützung der Menschen in Gaza ist, offenbart ein neuer Bericht die Kooperation der Gruppen mit radikalen Menschenrechtsverletzern.

Wie das Intelligence and Terrorism Information Center berichtet, haben hochrangige islamische Extremisten in Istanbul der Einweihungszeremonie eines der an der Flottille teilnehmenden Boote beigewohnt. Unter den Teilnehmern waren Mahmad Tzoalha und Sahar Albirawi, beides Top-Terroristen der Hamas, die heute von Großbritannien aus operieren, und Hamam Said, ein Führer der Muslimbruderschaft in Jordanien.

Bolant Yilderim, der Vorsitzende von IHH, einer in der Türkei ansässigen pro-palästinensischen Organisation, die die Flottille anführt, hielt unter Applaus türkischer Politiker und radikal-islamistischer Extremisten eine radikale Rede während der Zeremonie. „Israel verhält sich, wie Hitler sich gegenüber den Juden verhalten hat. Hitler baute Konzentrationslager in Deutschland, und heute baut das zionistische Gebilde Konzentrationslager in Palästina“, so der Vorsitzende Yilderim.

An der Kundgebung nahm auch Sheikh Raed Salah teil, der Führer der Abteilung Nord der Islamischen Bewegung in Israel, der die Haltung des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan pries und die Führer der gesamten arabischen Welt dazu aufrief, seinem Beispiel zu folgen.

Salah hatte zuvor vor einem israelischen Gericht zugegeben, mit ausländischen Agenten konferiert und unerlaubte Organisationen unterstützt zu haben, nachdem bekannt geworden war, dass er in Kontakt mit der Hamas stand. Er hat oftmals antisemitische Hasspredigten verbreitet, die auf den ältesten Ritualmordanklagen basieren: „Wir sind nicht diejenigen, die ein Mahl von Brot und Käse in Kinderblut essen“, sagte er in einer seiner Reden, und bei einem anderen Anlass verkündete er, die Juden seien „Schlachter von schwangeren Frauen und Babys“; „Diebe seid ihr, die Bakterien aller Zeiten… Der Schöpfer machte euch zu Affen und Verlierern… Der Sieg ist mit den Muslimen, vom Nil bis an den Euphrat.“

„Wenn das Ziel der Flottille ein humanitäres wäre, würden sie Israel die Hilfsgüter transferieren lassen und nicht versuchen, auf illegale Weise in den Gaza-Streifen einzudringen“, erklärt Oberst d. Res. Reuven Ehrlich, ein früheres Mitglied des Militärgeheimdienstes, der gegenwärtig dem Intelligence and Terrorism Information Center vorsteht. „Ihr einziges Ziel ist es, eine Provokation hervorzurufen, um Israel und die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (ZAHAL) zu blamieren und der Hamas und ihrer Regierung im Gaza-Streifen zu helfen.“

(Israelische Verteidigungsstreitkräfte, 27.05.10)


Stellungnahme des Außenministeriums zur Flottille

Der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Yigal Palmor, hat eine Erklärung zur Gaza-Flottille abgegeben:

„Schiffe, die ihren Weg nach Gaza erzwingen wollen, helfen den Menschen dort in keiner Weise. Die bestehenden Übergänge an Land sind mehr als ausreichend, ihren Bedarf zu decken. Internationale Hilfsorganisationen und private Anbieter in Gaza stellen sicher, dass notwendige Lebensmittel, Medikamente und Kleidung über Israel in den Gaza-Streifen gelangen.

In einer normalen Woche werden 15.000 Tonnen Versorgungsgüter in den Gazastreifen übersandt. LKW-Ladungen Fleisch, Geflügel, Fisch, Milchprodukte, Früchte, Gemüse, Milchpulver, Babynahrung, Weizen und andere Ware kommen täglich in Gaza an. Baumaterialien werden ebenenfalls nach Gaza überstellt, sofern dies von internationalen Organisationen überwacht wird, damit sie nicht von der Hamas zur Verstärkung von Munitionslagern verwendet werden.

Seit dem Waffenstillstand im Januar 2009 sind weit mehr als eine Million Tonnen Versorgungsgüter aus Israel in den Gaza-Streifen überstellt worden - das ist fast eine Tonne für jeden Mann, jede Frau und jedes Kind im Gazastreifen.

Die Übergänge zu Land sind der effektivste Weg, um Güter in den Gaza-Streifen zu bringen. Die Organisatoren der Gaza-Flottille wissen dies sehr genau. Die Organisatoren wissen auch, dass ihre Schiffe seit Dezember 2008 keine Erlaubnis haben, anzulegen.

Israel hat den Organisatoren angeboten, die Landwege zu nutzen, wie es alle anerkannten internationalen Organisationen tun.

Allerdings sind sie weniger daran interessiert, Hilfe nach Gaza zu bringen, als ihre radikalen Ansichten zu verbreiten, was den Provokationen der Hamas in die Hände spielt. Während sie sich mit dem Anschein humanitärer Hilfe schmücken, betreiben sie politische Propaganda und keine Hilfe für die Palästinenser.

Wenn den Organisatoren tatsächlich an humanitärer Hilfe gelegen wäre, und nicht an bloßen Publicity-Aktionen, dann würden sie die angebrachten Wege nutzen, um die Ankunft ihrer Hilfe sicherzustellen.

(Außenministerium des Staates Israel. 24.05.10)


Israelische Marine: Flottille wird gestoppt

Gemäß dem Beschluss der israelischen Regierung bereiten sich die israelische Armee und Marine darauf vor, die Gaza-Flottille daran zu hindern den palästinensischen Küstenstreifen anzulaufen. Die Besatzungen werden die Gelegenheit erhalten, in jedem Stadium umzukehren oder die Kontrolle über die Schiffe zu übergeben.

Sobald sie in See stechen, werden die Schiffe in unterschiedlichen Etappen ihrer Fahrt offizielle Warnungen erhalten und zum Stopp ihrer Reise aufgefordert werden.

Sollten sich die Passagiere dennoch zu einer Fortsetzung ihrer Reise entschließen und die Warnungen der israelischen Marine nicht beherzigen, werden sie verhaftet und nach Israel gebracht werden, um sie über das Innenministerium und die Einwanderungsbehörden in ihre Herkunftsländer zurückzuschicken.

Die Sicherheitskräfte werden die von der Flottille transportierten Hilfsgüter an sich nehmen und nach einer Sicherheitsprüfung in den Gaza-Streifen transferieren.

In den vergangenen Tagen hat der Kommandant der israelischen Marine, Generalmajor Eliezer Marom eine Reihe von Manövern veranstaltet, um die Übernahme der Schiffe zu üben. Er betonte, dass alle erforderlichen Maßnahmen unternommen würden, um das Leben der Soldaten zu schützen und sicherzugehen, dass sich keine Terroristen an Bord befinden.

Generalmajor Marom wies seine Truppen an, sich nicht provozieren zu lassen und fair abwägend zu agieren, um das Gelingen der Mission nicht zu gefährden. Er unterstrich, dass keinerlei Absicht bestehe, den Hunderten von Passagieren Schaden zuzufügen; es bestehe jedoch ein klarer Auftrag, den die israelische Marine erfüllen müsse.

(Israelische Verteidigungsstreitkräfte, 27.05.10)

Alle drei Dokumente aus: Newsletter der Israelischen Botschaft in Berlin, 27. Mai 2010




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