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Gaza-Hilfe verspätet sich

Schiffe sollen Freitag Palästinenser erreichen. Schriftsteller Mankell beteiligt sich an Solidaritätsaktion

Von Karin Leukefeld *

Rund 600 Passagiere aus 50 Ländern sind seit dem Wochenende mit acht Schiffen unterwegs, um tonnenweise Hilfsgüter in den Gazastreifen zu bringen. Doch die Fahrt der »Freiheitsflotte« der internationalen Kampagne »Free Gaza« verzögert sich. Die Schiffe werden wohl erst am Freitag vor der palästinensischen Küste eintreffen. »Die (israelische) Marine soll sich bereits intensiv auf unser Kommen vorbereiten, um uns den Zugang nach Gaza zu versperren«, schreiben der emeritierte Völkerrechtsprofessor Norman Paech und Matthias Jochheim, Vertreter der Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges (IPPNW), in einem gemeinsamen Internettagebuch. Beide gehören zu einer kleinen Gruppe aus Deutschland, die an der Schiffsreise nach Gaza teilnimmt.

Im Team der schwedischen Organisation »Ship to Gaza« reist auch der Schriftsteller Henning Mankell mit. Er sehe »erschreckend viele Parallelen« zwischen Südafrika unter der Apartheid und dem Konflikt im Mittleren Osten. »Solidarität«, so Mankell in einem Interview, »bedeutet handeln, nicht nur Worte.« Für ihn sei es »eine Selbstverständlichkeit«, den Einwohnern von Gaza zu zeigen, daß sie nicht vergessen sind. Seit 2007 wird der Gazastreifen von Israel abgeriegelt, nach dem Krieg 2008/2009 verhinderte Israel auch die Lieferung notwendiger Baumaterialien.

»Wünscht uns alles Gute!« Dieser Bitte von »Free Gaza« auf der Internetseite www.witnessgaza.com ist u.a. der UN-Beauftragte für die Menschenrechte der Palästinenser in den besetzten Gebieten, Richard Falk, nachgekommen. Er bringt seine »größte Bewunderung« für die »mutigen Bürger der Welt« zum Ausdruck, die gegen die »verbrecherische Blockade« vorgehen. »Nicht Regierungen oder die Vereinten Nationen« hätten bisher etwas gegen die Blockade unternommen, »sondern Menschen mit Verantwortungsgefühl«. John Ging, Leiter der UN-Hilfe für palästinensische Flüchtlinge erklärt, es sei Zeit, daß »die internationale Gemeinschaft Hilfe auf dem Seeweg (für Gaza) unterstützt, so wie sie es in Haiti getan hat«.

Die israelische Friedensorganisation »Gush Shalom« fordert derweil ihre Regierung auf, die Schiffe mit der humanitären Hilfe passieren zu lassen. Es sei Zeit, »die Belagerung aufzuheben und den Einwohnern von Gaza den Kontakt mit dem Rest der Welt zu ermöglichen«.

* Aus: junge Welt, 26. Mai 2010

Erstickende Belagerung von Gaza **

Offener Brief von Rolf Verleger, Vorsitzender der Gruppe »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost« an die Botschaft des Staates Israel, »z.Hd. seiner Exzellenz Herrn Botschafter Yoram Ben-Zeev«:

Sehr geehrter Herr Botschafter,
mit diesem Schreiben schließen wir uns in Form eines offenen Briefs dem Aufruf von »Gush Shalom« an die israelische Regierung an: »Es ist an der Zeit, die erstickende Belagerung von Gaza aufzuheben und den Menschen in Gaza freien Kontakt mit der Außenwelt und die Kontrolle über ihre Flug- und Seehäfen zu ermöglichen – wie jedem anderen Land in der Welt.«

Wir, die »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost« appellieren an die Regierung in Israel, die »freedom flotilla« – den Schiffsverband mit Hilfslieferungen aus der ganzen Welt – ungehindert den Hafen von Gaza erreichen zu lassen, wo die acht Schiffe in der kommenden Woche erwartet werden. Wir hoffen, daß Verteidigungsminister Ehud Barak die Anweisungen an die Marine, den Schiffsverband abzufangen, zurücknehmen wird. Wir ersuchen Sie, in diesem Sinne auf die israelische Regierung einzuwirken.

Jeder Versuch von seiten Israels, die internationalen humanitären Hilfslieferungen von Medikamenten, Baumaterial und weiteren notwendigen Mitteln des täglichen Bedarfs an die belagerte und verarmte Bevölkerung von Gaza zu verhindern, wird wie eine Fortsetzung der andauernden unmenschlichen Kollektivstrafe wirken und kann tatsächlich kaum anders aufgefaßt werden. Wir appellieren an die israelische Regierung, sich endlich wieder an die Menschenrechte, an die moralischen Grundsätze unserer und anderer Religionen und an das internationale Recht zu halten und die Blockade Gazas aufzuheben.

Wie wir Sie am 17.3. informiert hatten, wird die »Jüdische Stimme« ebenfalls ein Boot nach Gaza entsenden. Als Geschenke bringen wir Schultaschen, die von deutschen Schulkindern gefüllt wurden. Unter den Passagieren werden sich auch Bundestagsabgeordnete sowie dokumentierende Medienvertreter öffentlicher Fernsehanstalten befinden.

** Aus: junge Welt, 27. Mai 2010


„Free Gaza“- die Blockade von Gaza mit Schiffen durchbrechen

Aktion gegen Menschenrechtsverletzungen an der Bevölkerung von Gaza

Bündnis-Pressemitteilung vom 20.05.2010 ***


Die Menschen im Gazastreifen mit Hilfsgütern zu versorgen und die Öffentlichkeit auf die völkerrechtswidrige Blockade des Gaza-Streifens aufmerksam zu machen, ist Ziel der Freedom-Flottille. Sie besteht aus insgesamt drei Frachtschiffen mit etwa 5.000 Tonnen Ladung und fünf Passagierschiffen. Ca. 600 Menschen aus 20 Ländern hoffen, Gaza per Schiff zu erreichen.

Aus Deutschland beteiligen sich fünf Personen als Passagiere: vom Aktionsbündnis Matthias Jochheim, stellvertretender Vorsitzender der IPPNW, Norman Paech, emeritierter Hochschullehrer und IPPNW-Beiratsmitglied sowie der in Deutschland lebende Palästinenser Nader el Saqa von der Palästinensischen Gemeinde Deutschland e.V. und zwei Abgeordnete des Deutschen Bundestages, Inge Höger, MdB (Mitglied des Verteidigungsausschusses) und Annette Groth, MdB (Mitglied des Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe). Die deutschen Aktivisten werden am 22. Mai von Griechenland aus in See stechen und um den 1. Juni zurück in Griechenland erwartet.

Das Frachtgut besteht aus Baumaterial und ganzen Fertighäusern, aber auch aus Rollstühlen, Krankenhausbetten, Wasseraufbereitungsgeräten, sowie aus Schulmaterialien und Spielzeug. Aus Deutschland stammen 5 Tonnen der Fracht, Medikamente, Verbandstoffe und Medizinische Geräte, gespendet von der Deutsch Palästinensischen Medizinischen Gesellschaft.

“Im Mai vergangenen Jahres hat Papst Benedikt XVI bei seinem Besuch in Israel und in den palästinensischen Gebieten die Aufhebung der Blockade von Gaza gefordert. Die internationale Gemeinschaft, die EU und die deutsche Bundesregierung sind aufgerufen, sich in ähnlicher Weise für das Ende der kollektiven Bestrafung der Menschen im Gazastreifen einzusetzen. Ohne freien Zugang zu Grundversorgung mit Lebensmitteln leben die Menschen dort in tiefster Armut“, betont die Generalsekretärin von pax christi, Christine Hoffmann.

„Die internationale Staatengemeinschaft geht nicht gegen die völkerrechtswidrige israelische Blockade vor. Umso intensiver muss die internationale Zivilgesellschaft sich dafür einsetzen,“ sagt Gisela Siebourg vom Deutschen Koordinationskreis Palästina Israel.

"Wir wollen mit unserer Aktion auf die Menschenrechtsverletzungen an der Bevölkerung von Gaza aufmerksam machen. Durch die Blockade fehlen Medikamente und Ersatzteile für medizinische Geräte. Patienten, die in Gaza nicht versorgt werden können, haben keinen Zugang zu adäquater medizinischer Behandlung außerhalb der belagerten Region. Unseren israelischen Kollegen, den `Ärzten für Menschenrechte´, sind bereits Fälle bekannt, in denen Patienten gestorben sind, weil sie nicht rechtzeitig behandelt werden konnten", erklärt Matthias Jochheim, stellvertretender Vorsitzender der IPPNW.

„Die Flottille nach Gaza soll mit ihren Hilfsgütern nicht nur die Blockade von Gaza überwinden, sondern auch durch entsprechende Öffentlichkeitsarbeit dem Schweigen in den Medien entgegenwirken und Druck auf die internationale Politik entfalten, sich deutlich gegenüber Israel für ein Ende der Blockade einzusetzen“, erklärt Annette Groth, menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE.

Die“ FreeGaza Bewegung“ ist eine internationale Bewegung, die mit Schiffen die völkerrechtswidrige Blockade von Gaza durchbrechen will. Der deutschen Sektion von „FreeGaza“ gehören IPPNW Deutschland, die deutsche Sektion pax christi, die Deutsch-Palästinensische Gesellschaft, die Palästinensische Gemeinde Deutschland sowie die Deutsch-Palästinensische Medizinische Gesellschaft an. Deutsche „FreeGaza“-Koordinatorinnen sind Gisela Siebourg und Hilu Barth. Bereits seit letztem Jahr bemüht sich der deutsche Koordinationskreis Palästina Israel, ein Schiff mit medizinischen Hilfsgütern nach Gaza zu schicken, und hat dafür breite Unterstützung eingeworben. www.freegaza.de/petition/unterzeichner.php

Obwohl Free Gaza sich nur in internationalen und palästinensischen Hoheitsgewässern bewegen wird, hat Tel Aviv bereits angekündigt, die Flotte nicht bis zur Küste von Gaza segeln zu lassen. Die FreeGaza Bewegung lässt sich unter Verweis auf das Völkerrecht, das internationale Seerecht und die Menschenrechte durch solche Drohungen indes nicht einschüchtern.

*** Direkt vom Schiff berichten für Sie Matthias Jochheim und Norman Paech auf unserem Blog unter ippnw.blogspot.com




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