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Gaza-Lockerung begrüßt

Bundesregierung erwartet von Israel "schnelle Umsetzung"

Die Bundesregierung hat für eine rasche Umsetzung des Beschlusses der israelischen Regierung zur weitgehenden Aufhebung der Blockade des Gaza-Streifens plädiert.

Die Bundesregierung erwarte eine »schnelle Umsetzung« des Beschlusses, sagte Vizeregierungssprecher Christoph Steegmans am Montag (21. Juni) in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßte das Ergebnis der Tagung des israelischen Sicherheitskabinetts als »wichtigen Schritt nach vorn«. Sie bedauere, dass es Entwicklungsminister Dirk Niebel durch Israel verwehrt wurde, bei seiner Nahost-Reise am Sonntag in den Gaza-Streifen zu reisen. Die Kanzlerin gehe davon aus, dass Niebel den Besuch »zu einem späteren Zeitpunkt nachholen« könne.

Israel hatte am Sonntag (20: Juni) angekündigt, dass wieder zahlreiche Güter in den Gaza-Streifen eingeführt werden dürfen – außer Rüstungsgüter und »Material, das die Kriegsmaschinerie der Hamas verstärken könnte«, wie ein hochrangiger Mitarbeiter des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu mitteilte. Niebel wollte im Gaza-Streifen unter anderem ein Klärwerk besuchen, das von Deutschland mitfinanziert wird. Der Sprecher des Auswärtigen Amts, Andreas Peschke, sagte am Montag, wenn sich ein Land wie Deutschland im Gaza-Streifen »so intensiv engagiert«, sei es ein »durchaus legitimes Anliegen«, wenn sich der zuständige Minister ein Bild von der Verwendung der finanziellen Hilfe machen wolle. Vizeregierungssprecher Steegmans hob unterdessen hervor, er könne durch die Verhinderung von Niebels Besuch keine »Belastung des sehr vertrauensvollen Verhältnisses« zwischen Deutschland und Israel erkennen.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sieht sich »durch die Ankündigung der israelischen Regierung sehr ermutigt«, wie es in einer in der Nacht zum Montag in Brüssel veröffentlichten Erklärung heißt. »Das ist eine wichtige Verbesserung und ein positiver Schritt nach vorne.« Die neue israelische Politik solle, wenn sie erst einmal umgesetzt sei, zu einer Verbesserung des Lebens normaler Bürger des Gaza-Streifens führen. »Es bleibt noch viel zu tun«, heißt es in der Erklärung Ashtons. Wichtig sei nun die Umsetzung der israelischen Entscheidung. »Wir wollen partnerschaftlich mit Israel und mit der Palästinenserbehörde zusammenarbeiten, um eine zufriedenstellende Lösung zu finden.« Ashton forderte erneut die Freilassung des 2006 gefangen genommenen israelischen Soldaten Gilad Schalit, der sich in der Gewalt der Hamas befinden soll. Ashton erklärte: »Ich hoffe, dass die derzeitigen Bemühungen nicht untergraben werden. Um Fortschritte zu machen, ist eine Atmosphäre der Ruhe, der Zurückhaltung und der Verantwortlichkeit von größter Bedeutung.«

Die israelische Oppositionsführerin Zipi Livni hat die Lockerung der Gaza-Blockade am Montag scharf kritisiert. Die Vorsitzende der Kadima-Partei warf dem Regierungschef »politische Blindheit« vor, wie die israelische Nachrichtenseite »ynet« berichtete. Netanjahu habe mit der Blockade-Lockerung »aufgegeben« und der im Gaza-Streifen herrschenden Hamas-Organisation in die Hände gespielt, warf Livni ihm vor. »Hamas gewinnt heute Legitimität – und Israel verliert sie.« Abschließend sagte sie den Angaben zufolge an Netanjahus Adresse gerichtet: »Niemand schenkt Ihnen noch Glauben.«

Die ehemalige israelische Regierung von Ehud Olmert (Kadima) hatte den Gaza-Streifen nach der Gefangennahme des Soldaten Schalit durch die Hamas im Juni 2006 mit einer Blockade belegt. Livni war damals Israels Außenministerin. Nach der Machtübernahme der Hamas ein Jahr später wurde die Sperre verschärft.

* Aus: Neues Deutschland, 22. Juni 2010


Israel unter Druck

Blockade des Gazastreifens soll gelockert werden. Neuer Hilfstransport geplant Israel will künftig bis zu 140 Lastwagen täglich über die Grenze in den Gazastreifen fahren lassen. Damit könnten rund 30 Prozent mehr Waren in das Palästinensergebiet gebracht werden als bislang, teilten die israelischen Streitkräfte am Montag mit. Israel hatte am Sonntag angekündigt, die Blockade des Gazastreifens über die am vergangenen Donnerstag verkündeten Ausnahmen hinaus lockern zu wollen. Ab sofort sollen alle nicht-militärischen Güter in das palästinensische Gebiet eingeführt werden dürfen, sagte Regierungssprecher Mark Regev in Jerusalem. »Von jetzt an gibt es grünes Licht für alle Lieferungen in den Gazastreifen mit Ausnahme militärischer Güter und Materialien, die den Militärapparat der Hamas stärken können«, sagte er.

Statt einer bislang verwendeten Liste mit erlaubten Gütern des Grundbedarfs für die 1,5 Millionen Einwohner des Gazastreifens soll nun »so schnell wie möglich« eine Verbotsliste herausgegeben werden. Künftig dürften alle Waren in den Gazastreifen eingeführt werden, die nicht auf der neuen Verbotsliste stehen,

Siad Al-Sasa, ein Minister der Hamas-Regierung, bezeichnete die israelische Ankündigung als »Betrug«. Der Sprecher des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA), Christopher Gunness, sagte gegenüber dem arabischen Fernsehsender Al-Dschasira, daß Israel an seinen Handlungen, nicht an seinen Worten gemessen werden müsse. Er kritisierte die Blockade des Gaza­streifens als Verletzung des internationalen Rechts. Sie müsse deshalb »beendet und nicht erleichtert« werden.

Die US-Regierung begrüßte die israelische Ankündigung vom Sonntag. »Einmal verwirklicht, glauben wir, daß diese Vereinbarungen die Lebensbedingungen für die Palästinenser im Gazastreifen beträchtlich verbessern, während zugleich verhindert wird, daß Waffen in das Gebiet gelangen«, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs. Ähnlich reagierte der Vorsitzenden des Nahost-Quartetts aus UN, USA, Rußland und der EU, Anthony Blair. Er sprach von einem »Schritt nach vorne«.

Aktivisten planen unterdessen einen weiteren Hilfstransport auf dem Seeweg: Die libanesische Regierung teilte mit, sie habe den Antrag einer Schiffsbesatzung mit Hilfsgütern für den Gazastreifen bewilligt, den Hafen von Tripoli in Richtung Zypern zu verlassen. Von dort aus könnte die Gruppe dann Kurs auf den Gazastreifen nehmen. (AP/jW)

** Aus: junge Welt, 22. Juni 2010


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