Krieg gegen Kinder
Israel setzt Bombenangriffe auf Gazastreifen fort. Verhandlungen um Waffenstillstand. Hamas und Fatah demonstrieren gemeinsam
Von Karin Leukefeld *
Mit Luftangriffen auf dicht besiedelte Gebiete hat die israelische Armee am Montag den sechsten Tag in Folge den Gazastreifen bombardiert. Bis Montag wurden mindestens 95 Tote gemeldet, mehr als 700 Verletzte wurden in die bereits völlig überlasteten Krankenhäuser eingeliefert. Unter den Getöteten sind allein vier Kleinkinder und fünf weitere Angehörige der Familie Al-Dalou. Eine ältere Frau und ein 18 Monate altes Kind wurden in Beit Hanoun getötet. Die israelische Luftwaffe feuerte erneut gezielt auf Gebäude in von Zivilisten bewohnten Vierteln. Tel Aviv bestätigte Attacken auf 80 Ziele im Gazastreifen allein in der Nacht zum Montag. Die Palästinenser reagierten Angaben des Fernsehsenders Al-Arabiya zufolge mit dem Abfeuern von mehr als 500 Raketen auf den Süden Israels sowie in die Vororte von Tel Aviv und Jerusalem.
Seit Beginn der Operation »Säulen der Verteidigung« am vergangenen Mittwoch wurden 1350 Orte in dem Küstenstreifen zerstört. Drei Zugangsstraßen zu dem Gebiet wurden zudem durch die israelischen Behörden abgeriegelt, darunter auch der Grenzübergang Kerem Shalom. Nur über diesen Übergang hatten bislang Güter aus Israel in den Gazastreifen gebracht werden können.
Tel Aviv erklärte, mit den Luftangriffen den anhaltenden Raketenbeschuß militanter Palästinenser aus dem Gazastreifen stoppen zu wollen und drohte mit einer Bodenoffensive, wenn die Hamas nicht innerhalb von 36 Stunden kapituliere. Ein Waffenstillstand käme nur in Frage, wenn die Angriffe aus dem Gazastreifen aufhörten.
In Brüssel drängten am Montag die EU-Außenminister auf ein Ende der Auseinandersetzungen. »Wir rufen beide Seiten zu einem sofortigen Waffenstillstand auf, sie müssen die Gewalt stoppen«, sagte Schwedens Chefdiplomat Carl Bildt zum Auftakt von Beratungen mit seinen Amtskollegen in Brüssel. Der außenpolitische Sprecher der Linkspartei im Bundestag, Wolfgang Gehrcke, erklärte, Israel täusche sich selbst, wenn es behaupte, einen Krieg gegen die Hamas zu führen: »Es ist ein Krieg gegen die Bewohnerinnen und Bewohner Gazas. Jeden Tag sterben unschuldige Menschen.«
Bundesaußenminister Guido Westerwelle machte dagegen erneut nur die Hamas für die Gewalt verantwortlich. »Die wichtigste Voraussetzung für einen Waffenstillstand ist ein Ende der Raketenangriffe von Gaza in Richtung Südisrael«, erklärte er in Brüssel. Dringend müsse zudem der über Ägypten laufende Waffenschmuggel in den Gazastreifen unterbunden werden.
Die USA, Europa und UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon appellierten an den ägyptischen Präsidenten Muhamed Mursi, seinen Einfluß auf die Hamas geltend zu machen und sie zu einem Waffenstillstand zu drängen. Der Vorsitzende der islamischen Bewegung, Khalid Meschaal, sagte dagegen nach Gesprächen in Kairo, der Hamas ginge es nicht um eine Feuerpause, sondern um ein Ende der Besatzung.
Angesichts des militärischen Drucks aus Israel haben die rivalisierenden Fraktionen der Palästinenser erklärt, ihre Streitigkeiten beenden zu wollen. Dschibril Rajoub von der Fatah erklärte bei einer Demonstration in Ramallah, man beende den Streit. Mahmud Al-Rahmahi von der Hamas pflichtete ihm bei, es sei ein Verbrechen, angesichts der israelischen Aggression noch von Spaltung zu sprechen.
* Aus: junge Welt, Dienstag, 20. November 2012
Anhaltende Bombardements im Gaza-Konflikt **
Israel und die Hamas-
Organisation haben sich am
Montag weiter mit Luftangriffen
und Raketen bekriegt. Israelische
Militärjets bombardierten Ziele im
Gaza-Streifen, Palästinenser feuerten
von dort Raketen auf israelische
Städte. Seit Beginn des blutigen
Schlagabtauschs am Mittwoch
wurden nach Angaben des
Hamas-Gesundheitsministeriums
96 Palästinenser getötet und mehr
als 800 verletzt, darunter viele
Kinder. Auf israelischer Seite starben
drei Zivilisten.
Unmittelbar vor einer Reise
nach Israel bezeichnete Bundesaußenminister
Guido Westerwelle
am Montag ein Ende der Raketenangriffe
auf Israel als »wichtigste
Voraussetzung für einen Waffenstillstand
«. Kanzlerin Angela Merkel
appellierte an Israelis und Palästinenser,
»schnellstmöglich einen
vollständigen Waffenstillstand
zu erreichen«.
UN-Generalsekretär Ban Ki
Moon wurde am Montag zu Gesprächen
mit Ägyptens Präsident
Mohammed Mursi in Kairo erwartet.
Er forderte beide Konfliktparteien
auf, mit Ägypten als Vermittler
zusammenzuarbeiten. In
Kairo fanden nach Medienberichten
in den vergangenen Tagen indirekte
Gespräche zwischen der
Hamas und Israel statt. Der türkische
Außenminister Ahmet Davutoglu
wollte am Dienstag mit einer
Delegation der Arabischen Liga in
den Gaza-Streifen reisen, um den
Palästinensern Solidarität zu demonstrieren.
** Aus: neues deutschland, Dienstag, 20. November 2012
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