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Ferngesteuerter Mord

UN-Berichterstatter legt Bericht über Drohneneinsatz im Gaza-Krieg 2012 vor

Von Karin Leuekfeld *

Vier Monate nach dem Angriff Israels auf den palästinensischen Gazastreifen hat der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte und Antiterrorkampf einen Bericht über den Drohneneinsatz im Gaza-Krieg 2012 vorgelegt. Der israelische Angriff auf den Gazastreifen hatte am 14. November 2012 begonnen, als der Hamas-Führer Ahmed Al-Dschabari und sein Begleiter mit einem gezielten Angriff in Gaza-Stadt ermordet wurden. Am 21. November 2012 wurden die Kampfhandlungen durch US-amerikanische und ägyptische Verhandlungsbemühungen eingestellt. Die Hamas ging aus dem Krieg gestärkt hervor und erfuhr politische Anerkennung durch arabische Staaten. Aber das Bombardement durch Tel Avivs kostete viele Palästinenser das Leben, zerstörte zahlreiche Gebäude. Bei insgesamt 1350 Angriffen aus der Luft, vom Land und von der Seeseite wurden von den israelischen Streitkräften 1400 Raketen auf den mit 1,5 Millionen Menschen dicht besiedelten Gazastreifen abgeschossen. Da der Küstenstreifen von Israel land- und seeseitig abgeriegelt ist, hatten die Menschen keine Möglichkeit zu fliehen. Nach einem Bericht des Palästinensischen Zentrums für Menschenrechte (PCHR) wurden in den acht Tagen 156 Palästinenser getötet, zwei Drittel von ihnen waren Zivilisten. Unter den Toten waren 33 Kinder, 13 Frauen und drei Journalisten. 1000 Menschen wurden verletzt, darunter 247 Kinder, 162 Frauen und zwölf Journalisten. Hunderte Gebäude und Wohnhäuser wurden teilweise schwer beschädigt, darunter die Räume von sechs Medienbüros, sechs Krankenstationen, 28 Schulen und 22 zivilen Hilfsorganisationen. 55 Gebäude wurden komplett zerstört, darunter zwei Moscheen, acht Regierungsgebäude, 13 Polizeistationen und zwei Brücken. Agrarwirtschaftlich genutztes Land wurde weitflächig verwüstet.

Während der Angriffe setzten die israelischen Streitkräfte dem PCHR zufolge auch in den palästinensischen Gebieten in der Westbank massiv Gewalt gegen die Bevölkerung ein. Zwei Personen wurden bei Protesten gegen den Angriff auf Gaza in Ramallah und Hebron getötet, 115 Personen wurden festgenommen, darunter 28 Kinder. 77mal überfielen die israelischen Besatzungskräfte palästinensische Gemeinden in der Westbank.

Die Armee Israels hatte auf ihrer Webseite offen 1500 Ziele in Gaza benannt. Darunter waren 30 hochrangige Mitglieder der Hamas und des Islamischen Dschihad, 19 Kommandozentralen, 980 angebliche unterirdische Raketenabschußbasen, 226 Tunnel und 42 Einrichtungen der Hamas.

Der UN-Sonderberichterstatter für Antiterrorkampf und Menschenrechte, Ben Emmerson, hat nun die Drohnenangriffe der israelischen Streitkräfte während des achttägigen Krieges ausgewertet. Basierend auf Angaben des PCHR und des Menschenrechtszentrums Al-Mezan (Gaza) kommt der Bericht zu dem Ergebnis, das zwischen dem 14. und 21. November 36 Personen mit ferngesteuerten Flugkörpern getötet und 100 verletzt wurden. 24 der Getöteten seien Zivilisten gewesen. Damit seien in den acht Tagen von den israelischen Streitkräften mehr Palästinenser durch Drohnen getötet worden, als Israelis in acht Jahren durch palästinensischen Raketenbeschuß ums Leben kamen, stellt das PCHR fest. Insgesamt wurden 72 Drohnenangriffe auf den Gazastreifen registriert. Obwohl diese Zahl nur fünf Prozent der gesamten israelischen Angriffe (1350) ausmacht, waren sie für 23 Prozent der Toten verantwortlich, vermerkt der Bericht.

Der UN-Sonderberichterstatter und sein Team wurden Anfang 2005 eingesetzt, um die Folgen von Drohnenangriffen der US- und britischen Streitkräfte in Afghanistan, Pakistan, Jemen, Somalia und auf den Philippinen zu untersuchen. Israel benutzt Drohnen zu Kampfeinsätzen gegen Gaza. Zur Überwachungszwecken verletzten israelische Drohnen ebenso wie Kampfjets regelmäßig und ungestraft den libanesischen Luftraum. Ziel der UNO-Untersuchung ist es herauszufinden, »ob Drohnenangriffe und andere Formen von ferngesteuerten gezielten Tötungen zu einer übermäßig hohen Opferzahl unter der Zivilbevölkerung« führen. Die statistischen Untersuchungen des jüngsten israelischen Angriffs auf den Gazastreifen weisen das eindeutig nach.

* Aus: junge Welt, Freitag, 15. Februar 2013


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