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Zeit, das Messer wegzulegen

Gambia: Frauenorganisation will Gesetz gegen Genitalverstümmelung durchsetzen

Von Saikou Jammeh, IPS *

Frauenrechtsaktivistinnen in Gambia sind der Meinung, daß 30 Jahre Aufklärung über die Risiken der weiblichen Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation, FGM) ausreichend sind, um die Praxis zu verbieten. Dennoch ist sie in dem 1,8 Millionen Einwohner zählenden westafrikanischen Land nach wie vor verbreitet.

Vor zwei Jahren hatte ­GAMCOTRAP, eine Nichtregierungsorganisation (NGO), die sich für die politischen, sozialen, sexuellen und reproduktiven Rechte von Frauen und Mädchen einsetzt, einen Gesetzentwurf vorgelegt, über den seither beraten wird. Vorangegangene Versuche, Gesetze gegen FGM zu erlassen, waren gescheitert. Doch dieses Mal hoffen die Aktivistinnen, daß sie mit ihrem Entwurf durchkommen. »Die Zeit ist reif«, meint die Rechtsberaterin Amie Bensouda, die an der Gesetzesvorlage mitgearbeitet hat. Das findet auch Isatou Touray, die Leiterin der NGO. Sie zeigte sich gegenüber der Nachrichtenagentur IPS zuversichtlich, »daß wir nun das Gesetz bekommen, das von Frauen und Männern gleichermaßen erwünscht ist«. Seit 2007 hätten sich mehr als 128 Beschneiderinnen und Beschneider sowie 900 Gemeinden von der Praxis abgewandt.

78 Prozent der gambischen Frauen haben sich der Beschneidung unterzogen, doch nun, nach mehr als drei Jahrzehnten Anti-FGM-Kampagne, ist sogar in konservativen ländlichen Gemeinden ein Wandel spürbar. Sogenannte Sensibilisierungsprogramme veranlaßten Hunderte Beschneiderinnen und Beschneider, öffentlich zu versprechen, keine FGM mehr durchzuführen. Eine von ihnen ist Babung Sidibeh, die mit der Tradition in Janjanbureh, der Provinzhauptstadt der Central-River-Region, seit dem Tod ihrer Eltern ihren Lebensunterhalt verdiente. Sie hatte an einem Kurs über reproduktive Gesundheit und Frauenrechte teilgenommen. »Kurz nach der Beschneidung unserer Kinder im Jahr 2011 lud mich ­GAMCOTRAP ein, an einem Trainingsprogramm teilzunehmen. Ich wurde mit dem Leid konfrontiert, das wir unseren Frauen zugefügt haben. Hätte ich gewußt, was ich heute weiß, hätte ich nie jemanden beschnitten«, sagt sie.

Im März dieses Jahres organisierte ­GAMCOTRAP ein religiöses Forum, das den Zusammenhang zwischen Islam und FGM untersuchen sollte. Islamwissenschaftler aus Mali, Guinea, Mauretanien und Gambia beteiligten sich an der Debatte. Am Ende sei die Mehrheit einig darin gewesen, »daß es sich bei der weiblichen Beschneidung um einen kulturellen und nicht religiös bedingten Eingriff handelt«, berichtet Isatou Touray. In einer Erklärung forderten die Teilnehmer des Treffens, die Praxis gesetzlich zu untersagen.

Doch es gibt in Gambia eine einflußreiche islamische Expertengruppe, die von der Führung des Obersten Islamischen Rats unterstützt wird und darauf beharrt, daß Beschneidung ein religiöses Gebot sei. »Es wäre ein Fehler, ein Gesetz gegen die FGM zu erlassen«, sagt Ebrima Jarjue, ein Mitglied des Obersten Islamischen Rats, im IPS-Gespräch. Das dem Frauenministerium angeschlossene Frauenbüro äußerte sich entsprechend zurückhaltend zu einem gesetzlichen Verbot. »Im Frauenbüro sind wir der Meinung, daß noch Bedarf besteht, Sensibilisierungskampagne und Dialog fortzusetzen«, so die Behördensprecherin Neneh Touray. Die Frage, ob ihr Amt der Meinung sei, daß die Gesetzesinitiative zu früh komme, wollte sie nicht beantworten.

* Aus: junge Welt, Freitag, 1. August 2014


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