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Stunde der Absolution im Weißen Haus

Friede, Freude, Eiltempo: Obama und Hollande vergeben sich die Sünden und preisen wechselseitig ihre Politik *

US-Präsident Obama und Frankreichs Staatschef Hollande haben ihre enge Zusammenarbeit bei globalen Herausforderungen wie dem Syrienkrieg und dem Atomstreit mit Iran bekräftigt.

François Hollande erklärte bei seinem Staatsbesuch in Washington, beide Länder wollten auch in Zukunft »gemeinsam« Führungsverantwortung übernehmen. Die Spähaffäre um den US-Geheimdienst NSA, die zu Spannungen im transatlantischen Verhältnis geführt hat, hält Hollande für überwunden.

»Das gegenseitige Vertrauen ist wiederhergestellt worden«, sagte der französische Präsident. Gegenseitiger Respekt und der Schutz der Privatsphäre seien die »Prinzipien«, die beide Länder verbinden würden. Hollande erklärte weiter, er habe mit Barack Obama nach den NSA-Enthüllungen ein klärendes Gespräch geführt. Nun würden sich beide Länder wieder der Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus widmen. Der US-Präsident wiederholte sein Versprechen zur Reform der Geheimdienste. Die USA seien bemüht, die Privatsphäre von »Menschen rund um die Welt« zu achten, so Obama.

Zu Syrien machte Obama klar, dass die Ergebnisse der bisherigen Friedensverhandlungen vollkommen unzureichend seien. »Niemand kann das bestreiten: Hier gibt es enorme Frustrationen.« Auch Russland müsse seiner Verantwortung gerecht werden.

Beide Politiker forderten, dass sich Iran im Atomstreit weiter bewegen müsse. Solange es keine Einigung gebe, müssten sich westliche Unternehmen an die bestehenden Sanktionen halten. An Firmen, die Sanktionen brechen, richtete Obama eine ungewöhnlich scharfe Warnung: »Wir werden sie zur Schnecke machen.«

Der US-Präsident hatte seinen Gast am Dienstag (Ortszeit) mit militärischen Ehren empfangen. In einer Rede verlangte Obama, dass sich mehr Länder »wie Frankreich und die USA« bei der Lösung internationaler Krisen einbringen müssten. »Wir sind immer von einer gemeinsamen Geschichte geeint«, erklärte Hollande und verwies dabei auch auf die Landung der alliierten Streitkräfte in der Normandie im Zweiten Weltkrieg.

»Frankreich ist nicht nur der älteste Verbündete der USA, sondern auch einer unserer engsten Verbündeten«, sagte Obama und dankte seinem Gast für dessen »mutige« und »entschlossene« Außenpolitik. Ausdrücklich lobte er die französischen Militäreinsätze in Mali und in der Zentralafrikanischen Republik. Mit Blick auf die Differenzen zwischen Washington und Paris während des Irakkriegs fügte der US-Präsident hinzu: »Diese Ebene der Partnerschaft in so vielen Bereichen wäre vor einem Jahrzehnt unvorstellbar gewesen.« Obama kündigte auch seine Teilnahme an den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Landung in der Normandie an. Eine Einladung Hollandes habe er angenommen, sagte der US-Präsident. Am 6. Juni 1944 waren Einheiten der USA, Großbritanniens und Kanadas in Nordfrankreich gelandet, um eine zweite Front gegen Hitlerdeutschland zu eröffnen und Frankreich zu befreien.

Hollandes dreitägige Visite ist der erste Staatsbesuch eines französischen Präsidenten in den USA seit Jacques Chirac im Jahr 1996.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 13. Februar 2014


Beaujolais und Bomben

Roland Etzel zur neuen Freundschaftsachse Paris – Washington **

Der König Europas schien Hof gehalten zu haben in Washington, könnte man meinen, so auserlesen waren die Artigkeiten im Weißen Haus gegenüber dem Präsidenten Frankreichs. Hollande gab dafür den Pofalla, als er ähnlich kenntnisfrei wie dieser die NSA-Ausspähaffäre gegenüber Frankreich kurzerhand für beendet erklärte. Ansonsten revanchierte er sich mit verzückten Komplimenten über Obamas wegweisende Afrika- und Nahostpolitik.

Kein Vergleich mehr mit der Stimmung nach dem Verdikt von US-Außenministerin Rice von 2003, als Bush jun. zum Irak-Krieg drängte, der Franzose Chirac ihm die kalte Schulter zeigte und die »Patrioten« in den USA vor Wut Beaujolais und Bordeaux dem Rinnstein überantworteten – getreu dem Slogan: »Deutschland ignorieren, Russland verzeihen, Frankreich bestrafen!«

Die heutigen Präsidenten mochten daran nicht erinnern. Hollande strahlte ob des von Obama für ihn ausgestellten Freibriefs in Mali und Zentralafrika und würde gern selbst mehr bomben gegen Iran und Syrien, um die Briten als engste USA-Verbündete zu beerben – wenn er denn könnte. Ob ihm seine Landeskinder das mit Liebe vergelten, ist sehr ungewiss. Angesichts der niedrigsten Zustimmung, die es je gab für einen französischen Präsidenten, gleicht Hollande derzeit, wenn überhaupt einem König, dann einem englischen aus dem 12. Jahrhundert – Johann ohne Land.

** Aus: neues deutschland, Donnerstag, 13. Februar 2014 (Kommentar)


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