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Nicolas, der Kriegstreiber

Frankreichs Präsident fordert Hilfe für Aufständische in Syrien. China und Rußland setzen Hoffnung in UN-Beobachtermission

Von Rüdiger Göbel *

Schon wieder Frankreich. Präsident Nicolas Sarkozy hat aus der Militärintervention in Libyen mit mehreren Zehntausend Toten nichts gelernt. Vor einem Treffen der selbsternannten »Freunde Syriens« am Donnerstag abend in Paris machte sich der französische Staatschef für die Unterstützung der Aufständischen stark, unter anderem forderte er die Einrichtung von »Korridoren zur humanitären Hilfe«. Wer diese faktischen Schutzzonen für die Rebellen durchsetzen und militärisch absichern solle, ließ Sarkozy offen. Er gab sich aber überzeugt, daß Rußland und China ihre Haltung zu Syrien ändern würden. »Die Chinesen und die Russen mögen es nicht, isoliert zu sein«, meinte der Chef des Elysée im Sender »Europe 1«. Seinen syrischen Amtskollgen Baschar Al-Assad beschuldigte Sarkozy, »auf schamlose Art und Weise« zu lügen. Dieser wolle die belagerte Stadt Homs ausradieren, so wie der frühere libysche Machthaber Muammar Al-Ghaddafi dies mit Bengasi vorgehabt habe. Frankreichs Außenminister Alain Juppé sekundierte, notwendig sei jetzt eine »starke Reaktion« der internationalen Gemeinschaft gegen die syrische Regierung. Mit ähnlich scharfer Tonlage hatte die Führung in Paris vor einem Jahr – erfolgreich – Stimmung für die westliche Militärintervention in Libyen gemacht.

Vertreter der syrischen Regierung und der Vereinten Nationen unterzeichneten derweil in Damaskus ein Vorabkommen über die Arbeit der UN-Beobachter. Sie sollen die brüchige Waffenruhe im Land überwachen. Ein 30köpfiges Vorausteam ist bereits im Land. Die Mission soll auf 250 Beobachter aufgestockt werden. China kündigte an, eine Beteiligung zu erwägen.

Rußlands Außenminister Sergej Lawrow forderte den Westen auf, mit der sich »selbst erfüllenden Prophezeiung« aufzuhören, wonach der Plan von UN-Vermittler Kofi Annan »sicher scheitern« werde. Zwar trage die syrische Regierung die Hauptverantwortung für die Lage im Land, doch die Regierungsgegner seien dabei, den Annan-Plan zu torpedieren. »Die Lage ist sehr instabil, und es gibt dort Leute, die sie noch stärker destabilisieren und wieder einen massiven Ausbruch der Gewalt provozieren wollen. Gegen solche Provokateure muß gekämpft werden«, sagte der russische Minister laut RIA Nowosti. An dem Syrien-Treffen in Paris am Donnerstag abend wollte Rußland nicht teilnehmen, weil die syrische Führung nicht eingeladen wurde. Statt die Regierung in Damaskus zu isolieren sei es notwendig, zu einem »innersyrischen Dialog« zu kommen, hieß es in Moskau.

Nach unbestätigten Berichten von Assad-Gegnern gab es am Donnerstag Kämpfe zwischen der syrischen Armee und Aufständischen im Osten des Landes. Die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte behauptete, dabei seien mindestens ein Mensch getötet und drei weitere verletzt worden. Auch seien Viertel in der Oppositionshochburg Homs von den Regierungstruppen beschossen worden. Die Gruppe hat in der Vergangenheit wiederholt Falschmeldungen in die Welt gesetzt.

Die Stimmungsmache ging auch in den hiesigen Medien weiter. Das Springer-Blatt Die Welt schlagzeilte am Donnerstag morgen in ihrem Onlineportal reißerisch »Türken finden Waffen auf deutschem Frachter«. Im Artikel selbst hieß es hingegen, die türkischen Behörden hätten gerade mit der Durchsuchung des deutschen Frachters »Atlantic Cruiser« nach »schweren Waffen für das syrische Assad-Regime« begonnen, und: »Das kann noch Tage dauern.«

* Aus: junge welt, Freitag, 20. April 2012


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