Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Nach den Wahlen auf Fidschi ist alles möglich

Putschistenführer Speight könnte zum Königsmacher werden

Vor der Wahl

Insgesamt stellten sich 18 Parteien und 351 Kandidaten zur Wahl auf Fidschi. Das Commonwealth of Nations, das nach dem Putsch die Mitgliedschaft Fidschis ausgesetzt hatte, hatte eine starke Beobachtergruppe entsandt, die beaufsichtigen sollte, ob die Wahl demokratisch verläuft. Für die Wahlen selbst war eine ganze Woche angesetzt.

Der Korrespondent der Frankfurter Rundschau in Australien, Boris B. Behrsing, schätzte vor der Wahl die Chancen der wichtigsten Kontrahenden wie folgt ein:

"... viele Fidschianer fürchten Gewalttätigkeiten. Erst vor einigen Tagen entdeckte das Militär am Rand von Suva mysteriöse Explosivstoffe asiatischer Herkunft. Und etliche führende fidschianische Politiker haben bereits verkündet, sie würden mit einem wieder in Amt und Würden eingesetzten Premier Chaudhry nicht zusammenarbeiten. Es werde 20 Jahre dauern, bis Fidschi soweit sei, wieder einen indischstämmigen Premier zu akzeptieren, erklärt Interims-Premier Laisenia Qarase. Das reflektiert die Situation in Fidschi: etwa 50 Prozent der Bevölkerung sind gebürtige Fidschianer, die den Boden besitzen, und 43 Prozent sind Nachkommen der von der einstigen britischen Kolonialverwaltung für die Arbeit auf den Zuckerrohrfeldern ins Land geholten Inder. ...
Chaudhry, der nach dem Putsch im Mai 1999 (richtig muss es heißen: Mai 2000; Anm. Pst) mit seinem Kabinett 55 Tage lang von den Rebellen im Parlamentsgebäude gefangen gehalten und auch misshandelt wurde, hat seinen Wahlkampf auf die Wiederwahl als Premierminister ausgerichtet. Um das Amt kämpft auch Qarase, der fidschianisch-nationalistische Chef der vom Militär gestützten, inzwischen aber von zwei Gerichten für illegal erklärten Interims-Regierung.
Ein weiterer interessanter Kandidat ist Putschführer George Speight. Sein Wahlkampf war allerdings dadurch gehemmt, dass er derzeit unter Anklage des Landesverrats auf einer Gefängnisinsel sitzt. Die Verhandlung gegen Speight und neun Mitverschwörer sollte am Freitag beginnen, wurde aber bis nächsten Februar ausgesetzt, weil der Richter kurz vor der Pensionierung steht. Diese offenbar gezielte Wendung der Dinge hat womöglich eine weitere Erhitzung der Gemüter in Fidschi verhindert."
Aus: FR, 25. August 2001


Nach der Wahl

Der Mann, der am 19. Mai vergangenen Jahres den ersten indischstämmigen Premierminister Fidschis, Mahendra Chaudhry, aus dem Amt putschte, wird möglicherweise zum Königsmacher bei der Bildung einer neuen Regierung. Bei der Parlamentswahl vergangene Woche gelang es erwartungsgemäß keiner Partei, allein eine Mehrheit zu erzielen. George Speight, der damals mit seinen Getreuen die meisten Minister tagelang als Geiseln genommen hatte, kam mit seiner Konservativen Allianz (MV) auf sechs der 71 Sitze und ist damit das Zünglein an der Waage.

Der seit dem Vorjahr tobende Kampf zwischen den beiden großen ethnischen Gruppen - 51 Prozent der Bevölkerung sind Alt-Fidschianer melanesisch- polynesischer Abstimmung, 44 Prozent Nachfahren indischer Plantagenarbeiter - hatte auch den jüngsten Urnengang überschattet. Chaudhry, der 1997 in das höchste Regierungsamt gewählt worden war und dessen Entmachtung durch Speight sowie später das Militär vom Obersten Gericht als unzulässig erkannt wurde, hoffte auf eine Rückkehr auf den Premiersstuhl. Doch selbst in seiner eigenen Fiji Labor Party (FLP) gab es nicht wenige Stimmen, die dann die Gefahr eines neuen Putsches gesehen hatten. Von konservativer Seite der Alt-Fidschianer, darunter auch Übergangspremier Laisenia Qarase, war eine Rückkehr Chaudhrys ausgeschlossen worden.

Dennoch schnitt die FLP unter seiner Führung mit 27 Mandaten sehr gut ab. Nur die SDL (Soqosoqo Duavata ni Lewenivanua) von Qarase überrundete sie mit 31 Sitzen. Doch auch das reicht für eine Regierungsbildung nicht aus. Lediglich mit der Konservativen Allianz zusammen hätte Qarase eine Mehrheit, müßte sich dann aber mit dem noch immer unter Anklage stehenden und in Haft befindlichen Speight offiziell verbünden. Ein Schritt, den sich der weniger radikale SDL-Chef gut überlegen wird. Die große Frage ist vor allem, an wen Staatspräsident Josefa Iloilo den Auftrag zur Regierungsbildung gibt. Für Chaudhry sieht es schlecht aus. Seine Labor Party könnte das Ruder jedoch noch zu ihren Gunsten herumreißen, wenn sie sich auf einen Alt-Fidschianer aus ihren Reihen als einen auch für die anderen gemäßigten Parteien akzeptablen Kandidaten entscheidet.

Der Parteichef, anfangs stur für seine Wiedereinsetzung kämpfend, hatte dies vor wenigen Tagen sogar selbst vorgeschlagen. Möglich wäre eine große Koalition von SDL und FLP, wenn beide Lager sich zu einem Kompromiß bereitfinden würden. Für das Land wäre dieser von Vorteil, würden die hochgekochten Spannungen doch wenigstens teilweise abgebaut, die Gefahr neuer Unruhen verhindert, ein Klima für wirtschaftlichen Neuaufschwung und eine Rückkehr der letzten Flüchtlinge geschaffen. Unzählige Indo-Fidschianer hatten nach dem Mai 2000 die Insel in Richtung Neuseeland, USA und Indien verlassen. Sie trauen sich wegen der haßerfüllten Atmosphäre noch immer nicht in ihre Heimatdörfer zurück.
Thomas Berger, Neu-Delhi

Aus: junge Welt, 10. September 2001

Zurück zur Seite "Fidschi"

Zurück zur Homepage