Nach den Wahlen auf Fidschi ist alles möglich
Putschistenführer Speight könnte zum Königsmacher werden
Vor der Wahl
Insgesamt stellten sich 18 Parteien und 351 Kandidaten zur Wahl auf Fidschi. Das
Commonwealth of Nations, das nach dem Putsch die Mitgliedschaft Fidschis
ausgesetzt hatte, hatte eine starke Beobachtergruppe entsandt, die beaufsichtigen
sollte, ob die Wahl demokratisch verläuft. Für die Wahlen selbst war eine ganze Woche angesetzt.
Der Korrespondent der Frankfurter Rundschau in Australien, Boris B. Behrsing, schätzte vor der Wahl die Chancen der wichtigsten Kontrahenden wie folgt ein:
"... viele Fidschianer fürchten
Gewalttätigkeiten. Erst vor einigen Tagen entdeckte das Militär am Rand von Suva
mysteriöse Explosivstoffe asiatischer Herkunft. Und etliche führende fidschianische
Politiker haben bereits verkündet, sie würden mit einem wieder in Amt und Würden
eingesetzten Premier Chaudhry nicht zusammenarbeiten. Es werde 20 Jahre
dauern, bis Fidschi soweit sei, wieder einen indischstämmigen Premier zu
akzeptieren, erklärt Interims-Premier Laisenia Qarase. Das reflektiert die Situation
in Fidschi: etwa 50 Prozent der Bevölkerung sind gebürtige Fidschianer, die den
Boden besitzen, und 43 Prozent sind Nachkommen der von der einstigen
britischen Kolonialverwaltung für die Arbeit auf den Zuckerrohrfeldern ins Land
geholten Inder. ...
Chaudhry, der nach dem Putsch im Mai 1999
(richtig muss es heißen: Mai 2000; Anm. Pst) mit seinem Kabinett 55 Tage lang
von den Rebellen im Parlamentsgebäude gefangen gehalten und auch misshandelt
wurde, hat seinen Wahlkampf auf die Wiederwahl als Premierminister ausgerichtet.
Um das Amt kämpft auch Qarase, der fidschianisch-nationalistische Chef der vom
Militär gestützten, inzwischen aber von zwei Gerichten für illegal erklärten
Interims-Regierung.
Ein weiterer interessanter Kandidat ist Putschführer George Speight. Sein
Wahlkampf war allerdings dadurch gehemmt, dass er derzeit unter Anklage des
Landesverrats auf einer Gefängnisinsel sitzt. Die Verhandlung gegen Speight und
neun Mitverschwörer sollte am Freitag beginnen, wurde aber bis nächsten Februar
ausgesetzt, weil der Richter kurz vor der Pensionierung steht. Diese offenbar
gezielte Wendung der Dinge hat womöglich eine weitere Erhitzung der Gemüter in
Fidschi verhindert."
Aus: FR, 25. August 2001
Nach der Wahl
Der Mann, der am 19. Mai vergangenen Jahres den ersten indischstämmigen Premierminister
Fidschis, Mahendra Chaudhry, aus dem Amt putschte, wird möglicherweise zum
Königsmacher bei der Bildung einer neuen Regierung. Bei der Parlamentswahl vergangene
Woche gelang es erwartungsgemäß keiner Partei, allein eine Mehrheit zu erzielen. George
Speight, der damals mit seinen Getreuen die meisten Minister tagelang als Geiseln genommen
hatte, kam mit seiner Konservativen Allianz (MV) auf sechs der 71 Sitze und ist damit das
Zünglein an der Waage.
Der seit dem Vorjahr tobende Kampf zwischen den beiden großen ethnischen Gruppen - 51
Prozent der Bevölkerung sind Alt-Fidschianer melanesisch- polynesischer Abstimmung, 44
Prozent Nachfahren indischer Plantagenarbeiter - hatte auch den jüngsten Urnengang
überschattet. Chaudhry, der 1997 in das höchste Regierungsamt gewählt worden war und
dessen Entmachtung durch Speight sowie später das Militär vom Obersten Gericht als
unzulässig erkannt wurde, hoffte auf eine Rückkehr auf den Premiersstuhl. Doch selbst in seiner
eigenen Fiji Labor Party (FLP) gab es nicht wenige Stimmen, die dann die Gefahr eines neuen
Putsches gesehen hatten. Von konservativer Seite der Alt-Fidschianer, darunter auch
Übergangspremier Laisenia Qarase, war eine Rückkehr Chaudhrys ausgeschlossen worden.
Dennoch schnitt die FLP unter seiner Führung mit 27 Mandaten sehr gut ab. Nur die SDL
(Soqosoqo Duavata ni Lewenivanua) von Qarase überrundete sie mit 31 Sitzen. Doch auch
das reicht für eine Regierungsbildung nicht aus. Lediglich mit der Konservativen Allianz
zusammen hätte Qarase eine Mehrheit, müßte sich dann aber mit dem noch immer unter
Anklage stehenden und in Haft befindlichen Speight offiziell verbünden. Ein Schritt, den sich der
weniger radikale SDL-Chef gut überlegen wird. Die große Frage ist vor allem, an wen
Staatspräsident Josefa Iloilo den Auftrag zur Regierungsbildung gibt. Für Chaudhry sieht es
schlecht aus. Seine Labor Party könnte das Ruder jedoch noch zu ihren Gunsten herumreißen,
wenn sie sich auf einen Alt-Fidschianer aus ihren Reihen als einen auch für die anderen
gemäßigten Parteien akzeptablen Kandidaten entscheidet.
Der Parteichef, anfangs stur für seine Wiedereinsetzung kämpfend, hatte dies vor wenigen
Tagen sogar selbst vorgeschlagen. Möglich wäre eine große Koalition von SDL und FLP,
wenn beide Lager sich zu einem Kompromiß bereitfinden würden. Für das Land wäre dieser
von Vorteil, würden die hochgekochten Spannungen doch wenigstens teilweise abgebaut, die
Gefahr neuer Unruhen verhindert, ein Klima für wirtschaftlichen Neuaufschwung und eine
Rückkehr der letzten Flüchtlinge geschaffen. Unzählige Indo-Fidschianer hatten nach dem Mai
2000 die Insel in Richtung Neuseeland, USA und Indien verlassen. Sie trauen sich wegen der
haßerfüllten Atmosphäre noch immer nicht in ihre Heimatdörfer zurück.
Thomas Berger, Neu-Delhi
Aus: junge Welt, 10. September 2001
Zurück zur Seite "Fidschi"
Zurück zur Homepage