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Der Putsch in einem neuen Licht

Wer stand hinter Speight?

Am 23. August 2000, die Rebellen befanden sich bereits hinter Schloss und Riegel, veröffentlichte die junge welt einen Artikel, der versuchte, den Putsch neu zu beleuchten. Interessante, aber auch verwirrende neue Aspekte tauchten auf.

Abgekartetes Spiel?

Neue Erkenntnisse um Hintergründe des Putsches auf den Fidschi-Inseln

Die eine »Bombe« platzte in Australien, die andere in Indien. Nach den Interviews, die die frühere australische Gesandte in Fidschi sowie der vor drei Monaten gestürzte Premier des Landes, Mahendra Chaudhry, jetzt gegeben haben, erscheint der Putsch in der Südseerepublik vom 19. Mai in einem neuen Licht. Was Analytiker schon damals vermutet hatten, nämlich daß hinter dem Putsch noch ganz andere Leute standen als nur der politisierte Geschäftsmann George Speight, scheint nun sicher. Ob allerdings die volle Wahrheit über die Hintergründe an die Öffentlichkeit gelangen wird, ist immer noch zweifelhaft.

Am besagten 19. Mai hatte Speight mit einer kleinen Gruppe Gleichgesinnter den ersten indischstämmigen Premier des Landes und die Hälfte von dessen Ministern im Parlament als Geiseln genommen und schließlich Chaudhrys Rücktritt erzwungen. Allerdings übernahm daraufhin kurzzeitig das Militär die Macht, um eine neue Regierung von seinen Gnaden einzusetzen und schließlich die Anführer der Putschisten, vor allem Speight selbst, gefangenzunehmen. Ihm soll nun der Prozeß gemacht werden - ob er dabei die Namen seiner Hintermänner preisgeben wird, vermag jetzt noch niemand zu sagen. Doch schon während des Putsches hatte es immer wieder Anzeichen gegeben, daß der Geschäftsmann nicht allein agierte.

Der eigentliche Anführer des Staatsstreiches, so der entmachtete Chaudhry jetzt bei seinem Indien-Besuch gegenüber der angesehenen »Times of India«, sei allerdings sein Vorgänger Sitiveni Rabuka gewesen. Dieser habe gemeinsam mit Getreuen für den 22. Mai einen Coup geplant, allerdings sei ihm Speight um drei Tage zuvorgekommen. Geht es nach dem gestürzten Ex-Premier, hätte sein Vorgänger im Amt mit Hilfe des Rates des Häuptlinge, einer machtvollen Vereinigung der Stammesältesten, sich zum neuen Regierungschef ausrufen lassen wollen.

Rabuka war bereits im Mai und Juni einer Mitwirkung verdächtigt worden, hatte aber jede aktive Beteiligung stets abgestritten. Vielmehr bot er sich als Vermittler an, allerdings vergeblich. Daß auch Rabuka, der noch immer als machtvoller Politiker im Lande gilt, gegen eine drohende Vorherrschaft der indischen Minderheit über die indigenen Polynesier auf Fischi wettert, ist kein Geheimnis. Schließlich hatte die Volksallianz unter Chaudhry ihn als ersten Indischstämmigen in der Landesgeschichte für diesen Posten bei den Wahlen vor zwei Jahren besiegt. Abseits von Rachegedanken wegen dieser Niederlage paßte es Rabuka auf alle Fälle auch politisch- ideologisch sehr gut, daß sein Kontrahent aus dem Amt gejagt wurde.

Sue Boyd, die frühere australische Hochkommissarin auf Fidschi, die von ihrer Regierung aus Protest gegen den Coup abberufen worden war, hat in der Heimat gleichfalls mit Enthüllungen gegenüber der Presse aufgewartet. Angeblich soll Chaudhrys eigene Partei, die Labour Party, ebenfalls Pläne für den Rücktritt des damaligen Premiers geschmiedet haben. Glaubt man ihrer Darstellung, wollten die Verantwortlichen nur noch bis zum nächsten Parteikongreß warten, um den Regierungschef zum Abdanken zu überreden. Begründet wurde dies mit den zunehmenden Spannungen zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen. Daß sich das Verhältnis zwischen indisch- (44 Prozent) und polynesischstämmigen Bürgern (51 Prozent) immer mehr verschlechterte, konnte im Frühjahr jeder bemerken. Eine solche Offensive der Regierungsallianz, um wenigstens die Macht zu halten, wäre deshalb zumindest nicht unwahrscheinlich. Chaudhry hätte durch einen indigenen Premier ersetzt werden und die Herrschaft damit fortgeführt werden können.

Um die Spekulationen komplett zu machen, hat der Gestürzte allerdings auch internationale Drahtzieher hinter dem Putsch ausgemacht. Was die Verwicklungen von Speight und Rabuka angeht, sei mit ihnen als Vorposten auch ein Holzkonzern beteiligt, der in amerikanischer Hand ist. Chaudhrys Koalition hatte eine der britischen Regierung gehörende Firma begünstigt, die von Afrika her gute Referenzen vorweise. Allerdings sei schon zu seiner Zeit durch die USA versucht worden, Regierungsmitglieder zu korrumpieren und mehr Einfluß zu erlangen. Der Putsch erfolgte deshalb nicht nur um politische Macht, sondern vor allem um Konzessionen für die Ausbeutung des Holzreichtums der Inseln, Fidschis wichtigstem Exportgut.

Während Speight in der Haft seinem Gerichtsprozeß entgegensieht und Chaudhry in Indien und anderen Ländern um Unterstützung für eine Rückkehr an die Macht nachsucht, hat sich das politisch-soziale Klima keineswegs entspannt. Die Angehörigen der indischstämmigen Minderheit leben nach wie vor in Furcht vor Übergriffen, und vor allem rund um die Hauptstadt agieren noch immer Milizen und Banden, die mit der Polizei ein Versteckspiel treiben.

Nur mühsam kann sich Australien durch fortgesetzte Appelle und diplomatisches Agieren vor einer Fluchtwelle der indischen Fidschianer ins große Nachbarland retten. Vehement fordern deshalb australische und neuseeländische Politiker auch eine komplette Rückkehr zu demokratischen Verhältnissen, die das Militär und die neu eingesetzte Regierung erst in den kommenden zwei Jahren angekündigt haben. Mit den fortgesetzten Sanktionen versuchen Australien und auch die EU das Land unter Druck zu setzen, das mit dem Putsch vom Mai vor allem eines erreicht hat - einen massiven wirtschaftlichen Niedergang. Sich aus dieser Krise zu lösen, die durch fehlende Exporte und Produktionsrückgänge sowie Abwanderung gekennzeichnet ist, wird Fidschi mehrere Jahre brauchen.

Thomas Berger

Aus: junge welt, 23. 08.2000

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