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Fidschi: Seit neun Monaten Staatskrise

Gericht soll über Regierung entscheiden - doch was tut das Militär?

Unter dem Titel "Fidschi: Justizstreit um Staatsführung" berichtete Thomas Berger am 23. Februar 2001 in der jungen welt über den Fortgang der seit neun Monaten andauernden Staats- und Regierungskrise auf den Fidschi-Inseln mitten im Pazifik.
Eine Art Zwischenresümee über den schwebenden Zustand hatte die Frankfurter Rundschau schon einen Monat zuvor veröffentlicht, das wir im Folgenden in Auszügen dokumentieren. Der Artikel aus der jungen welt folgt im Anschluss.


Ein Land mit zwei Regierungen
Fidschi nach dem Putsch
Von Boris B. Behrsing (Melbourne)

... Im Mai hatte der Rebellen-Führer George Speight gegen die demokratisch gewählte Regierung des Labour-Premierministers Mahendra Chaudhry geputscht. Dessen "Volks-Koalition" versucht nun, sich wieder als rechtmäßige Regierung zu etablieren. Zu einer solchen Comeback sieht sich das Chaudhry-Team durch ein Urteil des Hohen Gerichtshofs in Suva berechtigt. Dieser hatte im November erklärt, die vom Militär eingesetzte Interims-Regierung sei illegal und die Regierung Chaudhry habe immer noch die rechtsmäßige Verwaltung des Landes inne. Der Gerichtshof hatte auch befunden, dass die vom Militär außer Kraft gesetzte Verfassung von 1997 weiterhin die rechtmäßige Grundordnung in Fidschi sei.

Unterdessen hat die Interims-Regierung aber eine neue Verfassung präsentiert. Diese schreibt besondere Vorrechte der eingeborenen Fidschianer gegenüber der übrigen, vorwiegend indischstämmigen Bevölkerungsteil fest. Demokratische Wahlen sollten bis März 2002 stattfinden, kündigte der neue Premierminister an.

Ein Staat mit zwei Regierungen - eine konfuse Situation. Die alte Regierung sei "wieder an der Arbeit" heiß es in dieser Woche aus dem Chaudhry-Lager. Die politischen Ziele seien die gleichen geblieben wie die vor dem Putsch....

Die Interims-Regierung reagiert gespalten auf die Wiederauferstehung der gestürzten Regierung. Drei Minister signalisierten bereits ihre Rücktrittsabsichten. Interims-Premierminister Laisenia Qarase äußerte sich dagegen scharf zu einer möglichen Wiedereinsetzung der alten Regierung: "Was darauf folgen würde, wäre schlimmer als das, was am 19. Mai geschah." ... (Anm.: Damals stürmten schwer bewaffnete fidschianische Rebellen das Parlament und nahmen die Regierung Chaudhry gefangen. 55 Tage dauerte die Geiselnahme.)

Jetzt sollen sich Speight und 14 angebliche Mitverschwörer vor dem Magistratsgericht in Suva wegen Landesverrats verantworten - ein Verbrechen, auf das in Fidschi die Todesstrafe steht. ...

Generell scheinen die Richter den Staatsstreich, die lange, brutale Geiselnahme und die Pro-Speight-Meuterei in der Armee aber eher als Kavaliersdelikt aufzufassen: Mehrere Mitverschwörer aus Militärkreisen wurden in den vergangenen Tagen freigelassen. Und während der Nachforschungen über eine mögliche Putschbeteiligung des Vizepräsidenten sind jetzt plötzlich die Akten mit den Untersuchungsprotokollen verschwunden. ...
Auszüge aus: Frankfurter Rundschau, 8. Januar 2001


Fidschi: Justizstreit um Staatsführung

Die Bewohner Fidschis blicken derzeit erwartungsvoll auf die Richter, die zur Rechtmäßigkeit der Regierung und zum Putsch im Frühling vergangenen Jahres das vorerst letzte Wort haben. Eine Jury des Appellationsgerichts befaßt sich nach der Klage eines Bauern mit den politischen Unruhen, die den pazifischen Inselstaat seit dem 19. Mai 2000 erschüttern. An jenem Tag hatte eine Gruppe um den Geschäftsmann George Speight in einem Coup die Macht an sich gerissen. Nach einiger Zeit griff das Militär ein und verfügte die Einsetzung einer Interimsregierung, derweil der gestürzte Premier Mahendra Chaudhry weiterhin um seine Rückkehr ins Amt kämpfte. Er hatte die erste ethnisch gemischte Regierungskoalition der Republik angeführt. Seit seiner Rückkehr ins Land, der Verhaftung und Anklage Speights sowie weiterer Entwicklungen gibt es eine Art Doppelherrschaft - Chaudhry und seine Anhänger sehen ihre gestürzte Regierung als weiterhin einzig rechtmäßige an, seine Gegner die amtierende.

Das Verwirrspiel soll nun von den Juristen beendet werden. Zentrale Frage, die die Richter zu entscheiden haben, ist die nach dem Fortgelten der multiethnischen Verfassung von 1997, die eine Machtteilung zwischen den mehrheitlichen, polynesischstämmigen Alt-Fidschianern und der 44-Prozent- Minderheit indischstämmiger Neu-Fidschianer vorsah.

Chaudhry war der erste Regierungschef mit indischer Abstammung, was zu Protesten bei zahlreichen Ureinwohnern der Insel führte. Inzwischen haben viele Indischstämmige das Land in Richtung der großen Nachbarn Australien und Neuseeland verlassen, noch mehr sind aus ihren Heimatdörfer in scheinbar sichere Gegenden geflohen.

Für Überraschung hatte im Januar Ex-Premier Sitiveni Rabuka mit seiner Äußerung gesorgt, er unterstütze die Verfassung von 1997. Rabuka, Vorgänger Chaudhrys im Amt und selbst früher Aktivist bei der Beschneidung der Rechte für die indischstämmige Minderheit, hat offenbar einen Wandlungsprozeß durchlebt. Im Mai 2000 noch als eigentlicher starker Mann hinter dem Putsch vermutet, distanzierte er sich schon kurz darauf recht deutlich von Speight, der letztlich auch in der Armee keine Unterstützung mehr fand. Vielmehr riefen die Militärs im Sommer selbst den Ausnahmezustand aus und setzten eine Interimsregierung ausschließlich aus Alt-Fidschianern ein.

Die Generäle sind nun auch die große Unbekannte im Machtpoker um die Rechtmäßigkeit des einen oder des anderen Premiers. Für Unmut und Unruhe hat bereits die Ankündigung des Oberkommandierenden, Commodore Frank Bainimarama, gesorgt, er werde das Gerichtsurteil nicht in jedem Fall akzeptieren. »Ein solcher Schritt ist abhängig von der Situation«, so der im Prinzip wichtigste Mann im derzeitigen politischen Machtgefüge auf der Insel. Will heißen: Wenn ihm und seinen Getreuen der Richterspruch nicht paßt, wird es keine Rückkehr der alten Regierung geben.

Thomas Berger

Aus: junge welt, 23. Februar 2001

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