Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Sticheleien gegen die UNO

Spannungen zwischen Eritrea und Äthiopien verstärken sich wieder

Von Anton Holberg *

Eritreas Regierung ist verärgert über die UNO. Sie wirft der Weltorganisation vor, völkerrechtliche Beschlüsse nicht durchzusetzen.

Am Sonntag vor einer Woche sind Soldaten der Eritreischen Verteidigungskräfte (EDF) in die von der UNO kontrollierte »Zeitweilige Sicherheitszone« (TSZ) zwischen Eritrea und dem Nachbarland Äthiopien eingerückt. Der Weltsicherheitsrat hat das und die Tatsache, dass die EDF bei gleicher Gelegenheit einen Kontrollpunkt der UN-Mission in Äthiopien und Eritrea (UNMEE) besetzt hat, als einen flagranten Bruch des Waffenstillstandsabkommens zwischen beiden Staaten verurteilt. Dieses 2002 unterzeichnete Abkommen war vorläufiger Abschluss des Krieges, den beide Länder zwischen 1998 und 2000 gegeneinander, offiziell um die Kontrolle eines weitgehend wüstenähnlichen Grenzstreifens, geführt hatten und der über 70 000 Menschleben gekostet hatte.

Eritreas Informationsminister Ali Abdu sagte nun, die Entsendung der EDF in das betroffene Gebiet habe mit den Grenzstreitigkeiten mit Äthiopien nichts zu tun. Vielmehr seien die Soldaten dorthin geschickt worden, um die Ernte in verschiedenen Staatsfarmen »Westeritreas« einzuholen, nachdem die andauernden Spannungen es nicht erlaubten, die dafür vorgesehenen jugendlichen Arbeitskräfte aus der Armee zu demobilisieren. Möglicherweise sind die Soldaten der EDF jetzt wirklich auf dem Feld tätig, aber es ist offensichtlich, dass die Maßnahme den vorläufigen Höhepunkt einer Reihe eritreischer Maßnahmen bildet, die die Unzufriedenheit des Landes mit der UNO zum Ausdruckt bringen. Dazu gehörten bereits im vergangenen Jahr über die UNMEE verhängte Enschränkungen ihrer Bewegungsmöglichkeiten und im September dieses Jahres die Aufforderung an UN-»Spione«, das Land umgehend zu verlassen.

Der Grund für die Unzufriedenheit Eritreas mit der UNO ist, dass die Repräsentantin der vermeintlichen Völkergemeinschaft entweder nicht willens oder nicht in der Lage ist, das Völkerrecht durchzusetzen. In der Tat hat nämlich die Grenzkommission der UN bereits im April 2002 die Region um die Stadt Badme Eritrea zugesprochen. Äthiopien jedoch hat sich geweigert, diesen Beschluss umzusetzen. Erst im November 2004 hatte Ministerpräsident Meles Zenawi den Urteilsspruch der Grenzkommission offiziell anerkannt, nur um gleichzeitig Eritrea zu Verhandlungen über Grenzkorrekturen aufzuzfordern. Das jedoch lehnte Eritrea kategorisch ab. Seitdem beschränkt sich die UNO darauf, auch Äthiopien dazu aufzufordern, seinen Verpflichtungen nachzukommen – ohne Ergebnis.

Ungeachtet dessen, dass die Präsidenten beider Länder einst als Führer ihrer jeweiligen nationalen Befreiungsbewegungen gegen die äthiopische Zentralmacht kämpften und zu dieser Zeit als Linke auftraten (um sich nach der Machtübernahme den USA als »neue afrikanische Führer« anzudienen), sind die Beziehungen zwischen den beiden nationalistischen Kräften seit langem ernsthaft gestört. So heißt es beispielsweise in einer von der Eritreischen Nachrichtenagentur veröffentlichten Kritik an Äthiopiens Einmischung in Somalia: »Das Minderheits-Söldnerregime in Äthiopuien unter Führung des kriegslüsternen, völkermörderischen Wendehalses Meles Zenawi bemüht sich darum, das Selbstbestimmungsrecht des somalischen Volkes zu untergraben.«

Im Zusammenhang mit seinem andauernden Streit mit Äthipopien bemüht sich die Regierung in Asmara, Punkte bei den übrigen Nachbarn zu sammeln. So hat sie dem Vernehmen nach den Kampf der »Union Islamischer Gerichte« in Somalia unterstützt und Anfang Oktober einen Friedenschluss zwischen der sudanesischen Regierung und der »Ostfront«, bestehend aus dem Beja Congress und den Rashaida Free Lions, die über zehn Jahre bewaffnet gegen Khartum gekämpft hatte, ermöglicht und sich damit auch die Regierung der Nationalen Einheit in Sudan verpflichtet. Ob diese Erfolge in Sudan und in Somalia dem Frieden mit Äthiopien zuträglich sind, muss sich erst noch zeigen. Die Aktivitäten der UNO haben dabei jedenfalls wie üblich nur einen marginalen Einfluss.

* Aus: Neues Deutschland, 24. Oktober 2006


Zurück zur Eritrea-Seite

Zur Äthiopien-Seite

Zurück zur Homepage