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Keine Lösung in Sicht

Côte d’Ivoire: Afrikanische Union setzt auf weitere Verhandlungen. USA bleiben hart

Von Raoul Wilsterer *

Eine eindeutige Position in Sachen Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste) und des ebendort anhaltenden zähen Machtkampfs bezog am Mittwoch die Afrikanische Union (AU). Man setze auf eine »friedliche Lösung« und werde im Streit um das Ergebnis der Präsidentenwahl am 27. November »noch einen Schritt weiter gehen«. Wie weit indes die AU gehen will und ob sie auch in Erwägung zieht, dem Rat von französischen und US-amerikanischen Experten zu folgen und eine Untersuchungskommission einzusetzen, blieb offen. Nach wie vor wird das Ziel proklamiert, den amtierenden, international nicht anerkannten Präsidenten Laurent Gbagbo zum Abtritt zu bewegen. Die Zeit, tatsächlich zu einer Überprüfung des fraglichen und von Gewalt begleiteten Wahlverlaufs zu kommen, scheint noch nicht reif.

Eine Schlichtung könne dauern, sagte der kenianische Ministerpräsident Raila Odinga, der als Gesandter der Afrikanischen Union Anfang der Woche bei Vermittlungsgesprächen in Abidjan sowohl Gbagbo als auch dessen Konkurrenten Alassane Ouattara traf. Wichtigste Ergebnisse: Gbagbo erklärte, daß die Blockade des Golf-Hotels von Abidjan, in dem Ouattara sein Hauptquartier aufgeschlagen hat, aufgehoben werde. »Laurent Gbagbo hat zugestimmt, ohne jede Vorbedingungen über ein friedliches Ende der Krise zu verhandeln«, so die AU.

Den Zugeständnissen Gbagbos, die nicht mehr als ein erster Schritt auf dem Weg aus der aktuellen Krise sein können, stehen unverändert beinharte Positionen eines mächtigen Blocks gegenüber. Sowohl USA und EU als auch der unter obskuren Umständen vom Leiter der ivorischen Wahlkommission zum Sieger proklamierte Ouattara erklärten erneut, daß Gbagbo ohne Wenn und Aber zu gehen habe. Eine Lösung sollte »nicht ein Abkommen zur Machtteilung« einschließen, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Philip Crowley, am Dienstag in Washington. »Vorstellbar« sei dagegen, Gbagbo »Exil zu gewähren«, so Crowley. Ein vages Angebot, zumal es eingeschränkt ist: »Die Gewalt« der vergangenen Woche müsse natürlich zunächst untersucht werden.

Ouattara zeigte sich noch hartleibiger. Nach seinem Treffen mit den AU-Vertretern am Montag abend erklärte er die Zeit für Gespräche für »beendet«. Sein Widersacher müsse abtreten. Ihm scheint bewußt zu sein, daß er seinen ínternationalen Rückhalt nutzen muß, um den Präsidentenposten ergreifen zu können – jetzt oder nie. Jeglicher Kompromiß, gar eine Untersuchung der Abstimmung, schwächt seine Position.

Diese erhöht allerdings die Kriegsgefahr, die mittlerweile von AU – und wahrscheinlich auch der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS, die mit einer Intervention gedroht hatte – gesehen wird. Zumindest sagte Odinga am Dienstag in Nairobi: »Gewalt kommt aus unserer Sicht nur als allerletztes Mittel in Frage.« Bei einem Einsatz von Militär »würden nicht nur Soldaten sterben, sondern auch viele unschuldige Zivilisten«. Unvermeidlich wären Kämpfe vor allem in den bevölkerungsreichen Zentren des Südens, aus denen sich sowohl die etwa 8500 UN-Blauhelme als auch die knapp 5000 Legionäre der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich kaum heraushalten würden.

Das weiß auch Ouattara; ob er darauf setzt, läßt sich nicht sagen. Eindeutig ist allerdings das Sponsering, das der Westen für den 69jährigen betreibt. Der ehemalige Spitzenfunktionär des Internationalen Währungsfonds (IWF) gilt seit Jahrzehnten als Liebling mächtiger Wirtschaftskreise, unterhält enge Beziehungen zu Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy, der Alassane und Dominique Ouattara – damals noch Bürgermeister von Neuilly – einst standesamtlich traute. Auf die ivorische Bevölkerung wirkte er deswegen und »aufgrund seines märchenhaften Reichtums« alles andere »als bodenständig« (FAZ, 27.11.)

Als Premier des westafrikanischen Landes (1990–1993) nahm Ouattara maßgeblich Einfluß auf die Privatisierung staatlicher Unternehmen. Die Wasser- und Stromwerke sowie die Eisenbahnlinien gingen damals in den Besitz französischer Konzerne über. Und auch die Kakaoplantagen – Côte d’Ivoire ist global der größte Produzent – befinden sich zu einem großen Teil in ausländischem Besitz.

Es geht um Einfluß und viel Geld bei den derzeitigen Auseinandersetzungen am Golf von Guinea. Eine Lösung im Interesse großer Teile der Bevölkerung ist indes nicht in Sicht. Zweifelsohne trifft die Bewertung von Pedro Pires, Präsident der Kapverdischen Inseln zu , wonach es »gegenwärtig keinen Versuch, den ivorischen Konflikt auf Dauer zu lösen«, gibt. Als Mitglied der ersten afrikanischen Verhandlungskommission, die Côte d’Ivoire Ende 2010 besucht hatte, stellte er fest, »daß alle bisherigen Maßnahmen ausschließlich darauf abzielen, unmittelbare Interessen zu befriedigen«.

* Aus: junge Welt, 6. Januar 2011


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