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"Militärische Lösung" in Côte d'Ivoire nicht ausgeschlossen

Sondervermittler der AU von Erkundung zurück / 22 000 Flüchtlinge *

Eine militärische Lösung wäre nach Vorstellung der Afrikanischen Union das letzte Mittel zur Beendigung des Machtkampfes in Cote d'Ivoire. Ausgeschlossen sei sie nicht.

Kenias Ministerpräsident Raila Odinga hat Gewalt als »letztes Mittel« bezeichnet, um den abgewählten Präsidenten von Cote d'Ivoire (Elfenbeinküste), Laurent Gbagbo, aus dem Amt zu entfernen. Eine militärische Lösung zur Amtsenthebung Gbagbos werde von der Westafrikanischen Staatengemeinschaft (Ecowas) und der Afrikanischen Union (AU) weiterhin nicht ausgeschlossen, sagte Odinga am Mittwoch nach seiner Rückkehr aus dem westafrikanischen Staat. Odinga hatte sich als Sondervermittler der AU den Vermittlern der Ecowas angeschlossen.

Laurent Gbagbo weigert sich, eine Wahlniederlage einzugestehen und die Regierungsgeschäfte an Alassane Ouattara abzugeben, der von der internationalen Gemeinschaft als rechtmäßiger Wahlsieger anerkannt wird. Gbagbo müsse das Amt »friedlich und ohne weitere Verzögerungen übergeben«, betonte Raila Odinga im kenianischen Rundfunksender »Capital FM«.

»Wir hatten schon viel zu lange diese Fälle, in denen Amtsinhaber Wahlen verlieren, sich weigern, das Urteil der Wähler zu akzeptieren und letztendlich eine Teilung der Macht aushandeln«, sagte Odinga mit Blick auf die von blutigen Unruhen begleiteten Wahlen in Kenia und Simbabwe. »Das darf nicht afrikanische Norm werden.«

Eine militärische Lösung sei wegen des Verlusts von Menschenleben aber das letzte Mittel. »Das wollen wir vermeiden«, sagte Odinga weiter. »Wir sollten die Gespräche daher zügig fortsetzen, um schnell zu einem Abschluss zu kommen.« Gbagbo hatte sich am Dienstag zu Gesprächen ohne Vorbedingungen bereit erklärt, dabei aber offen gelassen, ob er nun zum Rücktritt bereit ist.

Alassane Ouattara fürchtet, dass sich sein Widersacher notfalls auch mit Gewalt an der Macht halten will. »Er spielt auf Zeit, um Milizen zu rekrutieren«, sagte Ouattara am Mittwoch dem französischen Sender France 24. Einen möglichen Einsatz von Ecowas-Truppen lehnte er nicht ausdrücklich ab. Dies bedeute ja nicht, dass das ganze Land in Flammen aufginge. »Es ginge nicht gegen die Bevölkerung von Cote d'Ivoire«, betonte der Sieger der Präsidentenwahlen.

Angesichts des Machtkampfes sind bereits rund 22 000 Menschen in das benachbarte Liberia geflohen. Die meisten Flüchtlinge seien Frauen und Kinder und stammten aus dem Westen von Cote d'Ivoire, teilte das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) am Mittwoch in Genf mit. Es handele sich dabei sowohl um Unterstützer Ouattaras als auch um Anhänger Gbagbos. Aus Angst vor den Parteigängern des jeweiligen politischen Gegners hätten sie sich zumeist nachts durch die Buschlandschaft in das Nachbarland durchgeschlagen.

* Aus: Neues Deutschland, 6. Januar 2011


Gbagbo gesprächsbereit

Aber kein Rückzug des abgewählten Präsidenten von Côte d'Ivoire **

Der selbst ernannte Staatschef von Côte d'Ivoire, Gbagbo, will die Blockade des Hauptquartiers seines Rivalen Ouattara aufheben.

Laurent Gbagbo habe zugesagt, umgehend die Blockade durch seine Anhänger zu beenden, teilte am Dienstag die Vermittlungsmission der Afrikanischen Union (AU) und der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) mit. Das Hotel dient Ouattara, der international als Präsident des Landes anerkannt ist, als vorübergehender Regierungssitz.

Gbagbo erklärte sich nach Angaben der afrikanischen Vermittler, die am Montag zu Gesprächen mit den beiden Rivalen nach Abidjan gereist waren, zudem bereit, an Gesprächen ohne Vorbedingungen teilzunehmen, um »über ein friedliches Ende der Krise zu verhandeln«.

Das Hotel von Ouattara wird von Blauhelmsoldaten beschützt. Der Anführer von Gbagbos »Jungen Patrioten«, Charles Blé Goudé, hatte vergangene Woche gedroht, das Gebäude zu stürmen. Am Sonntag sagte er jedoch zu, die Erstürmung auszusetzen, um den Verhandlungen eine Chance zu geben.

Soldaten, die Gbagbo die Treue halten, griffen am Dienstagmorgen (4. Jan.) das Hauptquartier des Parteienbündnisses RHDP an, dessen Kandidat Ouattara war.

Der nigerianische Präsident und Vorsitzende der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS, Goodluck Jonathan, betonte in Abuja, Gbagbo müsse zurücktreten. Die Haltung von ECOWAS sei unverändert, sagte Jonathan nach Gesprächen mit den Präsidenten von Benin, Sierra Leone und der Kapverdischen Inseln, die am Montag vergeblich versucht hatten, Gbagbo zum Amtsverzicht zu überreden. Gbagbo werde mit »legitimer Gewalt« aus dem Amt gezwungen, falls er den Präsidentenpalast nicht freiwillig räume. Auch der kenianische Ministerpräsident Raila Odinga, der das Vermittlungsteam als Sonderbotschafter der Afrikanischen Union (AU) begleitete, hatte sich schon frühzeitig für eine harte Haltung gegen Gbagbo ausgesprochen.

ECOWAS bestätigte, dass Gbagbo und Ouattara direkten Gesprächen zugestimmt hätten, um den Machtkonflikt zu lösen. Ein Sprecher Ouattaras bestritt allerdings, dass ein Treffen geplant sei. Noch am Montagabend (3. Jan.) hatte Ouattara betont, er betrachte die Diskussion als beendet.

Nach UN-Angaben sind seit Beginn des Konflikts fast 200 Menschen getötet worden, meist Anhänger Ouattaras. Menschenrechtsorganisationen berichten von willkürlichen Verhaftungen und spurlos verschwundenen Ouattara-Gefolgsleuten. Am Dienstag stoppte eine Menschenmenge in der Hafenstadt Abidjan einen Konvoi der UN-Friedenstruppen und zwang die Blauhelme zur Umkehr. In der vergangenen Woche waren UN-Fahrzeuge mehrmals angegriffen worden.

Bislang widersetzt sich Gbagbo sowohl politischem Druck als auch der Drohung einer Militärintervention. Die EU hat Sanktionen und Einreiseverbote gegen Gbagbo und andere Politiker in Côte d'Ivoire verhängt. Die USA sind Medienberichten zufolge bereit, Gbagbo aufzunehmen. Das Angebot stehe, aber das Zeitfenster schließe sich allmählich, zitiert der US-Fernsehsender CNN auf seiner Website einen hohen Regierungsbeamten aus Washington.

** Aus: Neues Deutschland, 5. Januar 2011


Gbagbos Manöver

Von Martin Ling ***

Laurent Gbagbo bleibt stur: »Ich bin an der Macht und da bleibe ich.« Was der Präsident von Côte d'Ivoire vor den Wahlen verkündet hat, ist ihm nun ungeachtet der Wahlniederlage Selbstverpflichtung. Zwei Vermittlermissionen der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS sind gescheitert. Gbagbo lehnt den goldenen Handschlag ab, auch das Exilangebot seitens der USA scheint ihn nicht zu reizen.

Dass Gbagbo nun seine Bereitschaft erklärt hat, Gespräche ohne Vorbedingungen zu akzeptieren, ist ein geschickter Schachzug. Zu erwarten ist allerdings, dass er die Gespräche führen wird wie weiland der legendäre sowjetische Außenminister Andrei Gromyko: »Unsers ist unsers und über Euers können wir verhandeln.« Eine friedliche Lösung à la Gbagbo ist mit einem Machtverzicht seinerseits kaum in Einklang zu bringen.

Der ECOWAS und der Afrikanischen Union (AU) kommt das Verhandlungsangebot entgegen. Beide hatten kategorisch angekündigt, im Zweifel mit einer Militärintervention den Wahlsieger Alassane Ouattara an die Macht zu hieven. Ouattara dürfte an der Gbagbo-Offerte wenig Gefallen finden. Er will mit Rückendeckung der AU an die Macht, und zwar alleine. Eine schnelle Lösung wird es nicht geben, wenn überhaupt ein Bürgerkrieg und eine Teilung des Landes verhindert werden können.

*** Aus: Neues Deutschland, 5. Januar 2011


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