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UNsicherheitsrat

Intervention in Côte d’Ivoire?

Von Gerd Schumann *

Nigeria, das den Vorsitz der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ­ECOWAS ausübt, sucht Rückendeckung für einen Krieg. Am Montag rief es nach dem UN-Sicherheitsrat, damit dieser grünes Licht für eine Intervention in Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste) gebe – quasi in Stellvertretung der »internationalen Gemeinschaft«. Die wird meist dann herbeizitiert, wenn es um Beschlüsse zur Durchsetzung westlicher Politikkonzepte geht.

Das trifft zweifelsohne auf Côte d’Ivoire zu, wo sich USA und EU rasch dafür entschieden hatten, ihren Präsidentschaftskandidaten Alassane Ouattara zum Sieger der Stichwahl Ende November 2010 zu erklären. Insbesondere erweist sich aber als schwere Hypothek für die seit 2007 angestrebte Vereinigung des gespaltenen Landes an der Westküste Afrikas, daß der UN-Sicherheitsrat dem ebenso folgte wie die ECOWAS und die Afrikanische Union. Weitsicht ist etwas anderes, zumal die Turbulenzen während und nach der Abstimmung vom 28. November, die vielen Toten, offenkundigen Manipulationen und Repressionsmaßnahmen nicht zu leugnen sind.

Der Rücktritt des amtierenden, vom ivorischen Verfassungsrat als Präsident anerkannten Laurent Gbagbo läßt sich weder durch Sanktionen und politischen Druck noch durch eine auf Postulaten basierende Verhandlungsstrategie durchsetzen. Alternativ liegt mittlerweile eine breite Palette von Vorschlägen auf dem Tisch, wie ein politischer Weg aus der aktuellen Krise eröffnet werden könnte. Diese reicht von einer unabhängigen Überprüfung der Fälschungsvorwürfe über die Neuauszählung der Ergebnisse, eine Wiederholung der Abstimmung bis hin zu Verhandlungen zwischen den beiden großen Lagern.

Doch kann von Vernunft bisher keine Rede sein. Die gesamte, zum Block formierte Gbagbo-Gegnerschaft verlangt gebetsmühlenartig den bedingungslosen Rücktritt des amtierenden Präsidenten. Washington, Brüssel, Paris und die UN in New York üben sich unisono in einer sturen Kompromißlosigkeit. Und die Regierung in Abuja, der ECOWAS-Chef Goodluck Jonathan vorsteht, bietet Soldaten an und verlangt nun vom Sicherheitsrat »eindeutige Unterstützung« für eine Intervention in Form einer »Resolution zur Billigung des Einsatzes von Gewalt«. So der O-Ton vom US-Öllieferanten Nigeria.

Das Spiel mit dem Feuer wird gefährlich. Warnungen vor einem »Bürgerkrieg« bleiben weiter unbeachtet, obwohl er kaum vermeidbar wäre: Die Armee befindet sich auf seiten Gbagbos ebenso wie die Jugendbewegung »Jeunes Patriotes«; in den großen Städten kam es schon in den vergangenen Monaten zu Scharmützeln; Ouattaras bewaffnete Forces Nouvelles stehen Gewehr bei Fuß. Zudem wären die etwa 10000 UN-Blauhelme ebenso wie die französischen Fremdenlegionäre im Land zwangsläufig involviert. Das wiederum widerspräche ihrem Auftrag, die Überwindung der Spaltung Côte d’Ivoires vermittelnd und schlichtend zu begleiten. Das höchste UN-Gremium sollte sich in »Unsicherheitsrat« umbenennen.

* Aus: junge Welt, 25. Januar 2011

Krise in Côte d’Ivoire treibt Kakaopreis

Der anhaltende Machtkampf in Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste) hat den Kakaopreis am Montag weiter in die Höhe getrieben. In Mai-Kontrakten an US-Börsen stieg der Preis um bis zu 5,3 Prozent auf 3340 Dollar je Tonne. An der Londoner Terminbörse Liffe war der Schokoladengrundstoff mit einem Plus von 7,3 Prozent auf 2269 Pfund je Tonne immerhin so teuer wie seit vergangenem Juli nicht mehr. Als Auslöser für den aktuellen Kurssprung nannten Börsianer das vom vermeintlichen Sieger der Präsidentenwahl, Alassane Ouattara, geforderte befristete Exportverbot für Kakao. Die Transportwege zu den Häfen werden allerdings von dessen Gegenspieler, dem amtierenden Präsident Laurent Gbagbo, kontrolliert.
Quelle: junge Welt, 25.01.2011




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