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"Saubere Hände"

Côte d'Ivoire geht erstmals gegen Mißwirtschaft und Korruption in der Wirtschaft vor. Für Präsident Gbagbo ist das eine gefährliche Flucht nach vorn

Von Fulgence Zamblé *

Im westafrikanischen Staat Côte d'Ivoire (Elfenbeinküste) hat der von Staatspräsident Laurent Gbagbo vor Jahren versprochene Kampf gegen die korrupten Strukturen im Kaffee- und Kakaosektor begonnen. Im Rahmen der »Operation saubere Hände« wurden bereits vier hochrangige Branchenvertreter verhaftet. Hinter Gittern sitzen inzwischen Lucien Tapé, der Chef der Kaffee- und Kakaobörse, sowie der Vorsitzende des Verwaltungsrats des Entwicklungsfonds der Kaffee- und Kakaoproduzenten (FDPCC), Henri Kassi Amouzou. Auch zwei Mitarbeiter aus der Chefetage des Gremiums, Exekutivsekretär Kouassi Théophile und Exfinanzchefin Obodji Houssou, wurden festgenommen.

Nach Angaben von Generalstaatsanwalt Raymond Tchimou lautet die Anklage gegen die vier auf Unterschlagung von Staatsgeldern, Vertrauensmißbrauch, gefälschte Banktransaktionen, Mißbrauch des Volksvermögens und Betrug. »Gegen rund 20 weitere beschuldigte Personen wird derzeit ermittelt. Ihnen könnte das gleiche Schicksal drohen«, sagte Tchimou vegangene Woche vor der Presse in der Wirtschaftsmetropole Abidjan.

»Es handelt sich um besonders schwere Vorwürfe«, kommentiert der in Abidjan arbeitende Anwalt François das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörde. »Man wird dabei vermutlich keine großen Summen aufspüren, doch wenn sich die Schuld der Angeklagten beweisen läßt, wird der Prozeß zu ihrer Verurteilung führen.«

Am Vorabend seiner Wahl im Oktober 2000 hatte Gbagbo den einheimischen Kakao- und Kaffeefarmern zugesagt, ihnen das Management dieses wichtigsten Agrarsektors zu überlassen, damit sie als Produzenten »die Früchte ihrer Arbeit« ernten können. Doch für die Bauern gab es kein Entkommen aus den mächtigen Verwaltungsstrukturen der Branche wie dem FDPCC, dem Regulationsfonds für Kaffee und Kakao (FRC) und der Kaffee- und Kakaobörse von Côte d'Ivoire, des weltweit größten Kakaoexporteurs.

Als die ivorischen Produzenten sechs Jahre nach dem Versprechen des Präsidenten begannen, das Wirtschaftsgebaren dieser Strukturen zu überprüfen, stellte sich nach einer Revision 2007 heraus, daß umgerechnet 238 Millionen US-Dollar unterschlagen worden waren. Das abgezweigte Geld war auf Anweisung des Staatschefs für den Kauf einer Schokoladenfabrik im US-amerikanischen Fulton ausgegeben worden. Aus Protest gegen die Mißwirtschaft steckten Kakao- und Kaffeefarmer Teile ihrer Ernte in Brand. Andere schafften einen Teil davon über die Grenzen nach Ghana und Mali, um dem Preisverfall im eigenen Land zu entgehen.

»Côte d'Ivoire könnte seine Stellung als weltweit größter Kakaoexporteur einbüßen«, sagt der seit drei Jahren in Abidjan stationierte europäische Handelsexperte Marc Saumon. Zudem hätten Nachbarländer, in denen bislang kein Kakao angebaut worden war, die Kakaoproduktion aufgenommen.

Nach offiziellen Angaben produzierte Côte d'Ivoire 2006 1,1 Millionen Tonnen Kakao, 300000 Tonnen weniger als 2002 -- vor dem Ausbruch eines mehr als fünf Jahre dauernden Bürgerkriegs. Im vergangenen Jahr wurden nur noch 950000 Tonnen Kakao geerntet.

»Als der Krieg seinen Höhepunkt erreichte, wurden mit den Einnahmen aus dem Kaffee- und Kakaosektor Waffen für die regulärenStreitkräfte gekauft«, berichtet die Anwältin Afissa Bamba. »Falls diese Fakten zusätzlich in den Akten erscheinen, wird daraus ein brisanter Cocktail.«

Für Gbagbo selbst sei der Feldzug gegen die Korruption ein riskantes Spiel, meint der politische Analyst Hervé N'Kamé. »Seitdem er an der Macht ist, wird die ivorische Gesellschaft Zeuge von Mauscheleien und Unterschlagungen in seiner unmittelbaren Umgebung. Wenn er jetzt seinen guten Willen zeigt und beschließt, dagegen vorzugehen, könnte auch er darin verwickelt werden und am Ende sein Amt verlieren«. Enttäuscht erlebe das ivorische Volk seit einigen Jahren, wie die Neureichen sich prächtige Paläste bauen und sich Luxuskarossen leisten.

* Aus: junge Welt, 30. Juni 2008


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