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Neoliberaler Fluch

Goldabbau mit Zyanid: Weltbank-Tribunal soll im Konflikt zwischen El Salvador und australischem Bergbaumulti Oceana-Gold entscheiden

Von Carey L. Biron, IPS *

Es ist ein langjähriger und verfahrener Streit – und er wirft ein Schlaglicht auf neoliberale Freihandelsabkommen: Der australische Bergbaumulti Oceana-Gold und die Regierung El Salvadors stehen sich nun in Washington in der letzten Runde von Anhörungen vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) der Weltbankgruppe gegenüber. Der Konzern hat das Verfahren mit der Begründung angestrengt, daß ihm eine seit einem Jahrzehnt überfällige Genehmigung verweigert werde, in dem zentralamerikanischen Land nach Gold zu schürfen. Die Regierung von El Salvador hingegen beruft sich auf eigene nationale Gesetze und Bestimmungen zum Schutz von Mensch und Umwelt. 2012 hatte die Regierung ein Moratorium für alle Bergbauprojekte im Lande erneuert. Doch da gibt es das Freihandelsabkommen ­DR-CAFTA, eine Vereinbarung zwischen den USA, Staaten Zentralamerikas und der Dominikanischen Republik: Oceana-Gold beruft sich auf eine von dessen Klauseln und verklagt das kleine Land auf die Zahlung von mehr als 300 Millionen US-Dollar für entgangene Profite.

Keine Souveränität

»Der Fall bedroht die Souveränität und Selbstbestimmung des salvadorianischen Volkes«, konstatiert Hector Berrios. Der Koordinator der Umweltbewegung »MUFRAS 32« arbeitet beim nationalen runden Tisch El Salvadors gegen den Erzbergbau mit. »Die Mehrheit der Bevölkerung hat sich gegen dieses Projekt entschieden und räumt dem Wasser Priorität ein«, schreibt er in einer Mitteilung zur Aufnahme der Anhörungen durch das ICSID am 15. September.

Das perfide am Oceana-Gold-Projekt: Es sieht unter anderem vor, daß die kleineren Goldmengen mit Hilfe von Zyanidlauge und mit Unmengen von Wasser aus dem zerkleinerten Gestein gelöst werden sollen. Diese Abbaumethode hat weltweit Verheerungen hinterlassen. Erinnert sei an die Vergiftung des Donauzuflusses Theiß als Resultat des »Goldabbaus« im Rumänien der 90er Jahre. Das hat die Anrainer des Bergbauprojekts in Aufruhr versetzt, zumal die Vereinten Nationen herausgefunden haben, daß 90 Prozent des salvadorianischen Oberflächenwassers bereits verseucht sind.

Am 15. September, dem Tag der Unabhängigkeit von El Salvador, fanden sich rund 100 Demonstranten vor dem Weltbank-Hauptquartier in Washington ein, um zum einen ihre Solidarität mit dem zentralamerikanischen Land und zum anderen ihr Mißtrauen gegenüber dem ICSID-Prozeß als solchem zum Ausdruck zu bringen. »Wir feiern die Unabhängigkeit, doch was wir wirklich feiern sollten, wäre die Würde und Möglichkeit aller Menschen und nicht nur einiger weniger, ein gutes Leben führen zu können«, sagte der Franziskanerpater Eric Lopez in Washington. »Bei diesem Bergbauverfahren kämen einige wirklich giftige Substanzen – Zyanid und Arsen – zum Einsatz. Letztendlich sind es die Menschen, die die Folgen zu spüren bekommen. Sie bleiben arm, werden krank und schwangere Frauen leiden«, so Lopez gegenüber IPS.

Ursprünglich war es ein anderer Multi, Pacific Rim mit Sitz in Kanada, der die lukrativen Mineralienvorkommen längs des salvadorianischen Flusses Lempa im Jahr 2002 entdeckt hatte. Die damalige »investorenfreundliche« Regierung in San Salvador hatte, bis sie abgewählt worden war, das Unternehmen dazu ermuntert, sich um eine Genehmigung zu bemühen.

Konzern gegen Staat

Doch der öffentliche Widerstand bremste den Prozeß. Erbost darüber strengte Pacific Rim auf der Grundlage einer Klausel im ­DR-CAFTA zwischen den USA, Zentralamerika und der Dominikanischen Republik ein Verfahren gegen El Salvador an. Diese Bestimmung sieht vor, daß Unternehmen Regierungen verklagen können (siehe auch aktuelle Proteste in der EU gegen das »Trans­atlantische Freihandelsabkommen«, TTIP, wegen ähnlicher Festlegungen), wenn Kabinette mit ihren Entscheidungen Einfluß auf deren Profite nehmen. Da Kanada kein Vertragsstaat von ­DR-CAFTA ist, eröffnete das Unternehmen eine Niederlassung in den USA. 2012 beschloß das ICSID mit dem Hinweis auf einen Passus im salvadorianischen Investitionsgesetz die Fortsetzung des Rechtsverfahrens.

Doch seither hat das Land seine Gesetze geändert, um zu verhindern, daß Unternehmen die nationale Gerichtsbarkeit umschiffen und internationale Schiedsstellen wie das ICSID anrufen können. Oceana-Gold kaufte 2013 das Unternehmen auf und kündigte an, an dem Schiedsverfahren festzuhalten, sich gleichzeitig jedoch um eine »Verhandlungslösung« zu bemühen.

Von der salvadorianischen Regierung ist zu hören, daß sie den Genehmigungsprozeß nicht allein aus gesundheitspolitischen und ökologischen, sondern auch aus Verfahrensgründen gestoppt habe. So habe Pacific Rim nicht nur versäumt, gewissen Auskunftsverpflichtungen nachzukommen, sondern auch die erforderlichen lokalen Zustimmungen einzuholen. Nach salvadorianischem Recht müssen sich Rohstoffunternehmen um Titel beziehungsweise lokale Genehmigungen für die Gebiete bemühen, in denen sie tätig werden wollen. Pacific Rim hatte sich diesen Zugang zu lediglich 13 Prozent der Projektgebiete beschafft, wie die Entwicklungsorganisation Oxfam-Amerika berichtete.

Was passiert bei einem Weltbank-Schiedsspruch gegen die Interessen des Landes? Angesichts des fehlenden Rückhalts in El Salvador, mit zahlreichen sozialen Protesten in der jüngeren Geschichte, gibt es etliche Stimmen, die vor einem Gewaltausbruch warnen.

Erpressungspotential

Bilaterale und regionale Investitionsabkommen wie DR-CAFTA sind in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen. Und immer mehr der Verträge beinhalten solcherart Streitbeilegungsklauseln.

Nach Aussagen von ICSID gibt es derzeit in rund 2700 internationalen Verträgen solche Regelungen. Mit deren Zunahme in den letzten Jahren ist auch die Relevanz dieser seit den 1960er Jahren existierenden Schiedsstelle gestiegen. Sie entscheidet allerdings nicht über die Art und Weise, Konflikte beizulegen, sondern gibt den Rahmen vor, in dem Fälle von drei externen Schlichtern angehört werden: einem, der vom jeweiligen Investor, einem, der vom jeweiligen Staat und einem, der von beiden Parteien ernannt wird.

Doch Kritiker verweisen insbesondere auf die Undurchsichtigkeit der ICSID-Arbeitsweisen. Erfahrungen hätten gezeigt, daß diese Einrichtung in höchstem Maße zugunsten von Konzernen entscheide. »Es handelt sich um Verfahren, die komplett hinter verschlossenen Türen stattfinden. Das bedeutet, daß das Tribunal tun und lassen kann, was es will«, erläutert Carla Garcia Zendejas von der in Washington angesiedelten Umweltgruppe Center for International Environmental Law. »Bisher sind uns keine Beispiel bekannt, in denen dieses Gremium im Sinne der lokalen Gemeinschaften geurteilt oder auf grundlegende Menschenrechtsverletzungen oder ökologische und soziale Auswirkungen reagiert hätte«, fügte sie hinzu.

Die Zunahme der Rechtsverfahren zwischen Konzernen und Staaten in den letzten Jahren habe viele Regierungen insbesondere in den sogenannten Entwicklungsländern veranlaßt, sich den Unternehmensforderungen zu beugen, da die Rechtsverfahren nicht nur langwierig, sondern auch extrem teuer seien. »Regierungen fürchten sich zunehmend davor, verklagt zu werden. Deshalb sind sie eher geneigt, ihre eigenen Gesetzesbestimmungen trotz aller Widerstände in den Gemeinden aufzugeben oder zu verändern«, so Garcia Zendejas.

* Aus: junge Welt, Montag 22. September 2014


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