Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

El Salvador: Polizeiwillkür kehrt zurück

Wachsende Zahl gewaltsamer Übergriffe auf die Bevölkerung durch zivile "Sicherheitskräfte"

Von Raúl Gutiérrez (IPS), San Salvador *

In El Salvador begeht die Nationale Zivilpolizei (PNC) diesen Februar ihren 15. Geburtstag. Doch Grund zum Feiern ist nach Ansicht von Experten nicht gegeben. Die Ordnungshüter werden für eine wachsende Zahl gewaltsamer Übergriffe auf die Bevölkerung verantwortlich gemacht. Nach Aussagen des staatlichen Menschenrechtsbeauftragten Oscar Luna sei das Vertrauen der Bürger in die Zivilbeamten angesichts zunehmender Fälle von Polizeigewalt, Machtmißbrauch und willkürlichen und illegalen Festnahmen dahin. In 67 Prozent der 2779 Verstöße, die dem Menschenrechtsbeauftragten im vergangenen Jahr gemeldet wurden, waren Polizeibeamte verwickelt.

Bereits einmal in der Geschichte des zentralamerikanischen Landes spielten die Sicherheitskräfte ein unrühmliche Rolle: Während des zwölfjährigen Bürgerkriegs (1980–1992) hatten Polizei und Militär im Kampf gegen die »Nationale Befreiungsfront Farabundo Marti (FMLN) zum Teil willkürlich Bauern, Lehrer, Priester und Studenten entführt, gefoltert und ermordet. Sie unterstanden dem inzwischen verstorbenen Major und Gründer der rechtsgerichteten Nationalistischen Republikanischen Allianz (ARENA), Roberto d’Abuisson. 1992 besiegelten die Regierung unter dem damaligen Staatspräsident Alfredo Cristiani und die Guerillaorganisation das Ende des bewaffneten Konflikts, der Zehntausenden das Leben kostete. Bis heute gelten 8000 Menschen als vermißt.

Im Friedensvertrag, den die Vereinten Nationen vermittelten, ist der Aufbau einer zivilen Polizeitruppe festgeschrieben. Diese sollte zu jeweils 20 Prozent aus ehemaligen Sicherheitskräften und Rebellen und zu 60 Prozent aus Zivilisten bestehen. Tatsächlich wurden am Ende aber viel mehr Militärs in die Truppe eingegliedert. Auch das Mandat der PNC wurde im Friedensvertrag festgelegt: Die neuen Ordnungshüter sollen die freie Ausübung der bürgerlichen Rechte und Freiheiten garantieren. Explizit wurden ihnen untersagt, Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Methoden anzuwenden.

Doch in den vergangenen zehn Jahren sind Dutzende Polizisten festgenommen und wegen Beteiligung an Entführung, Raub und Mord sowie wegen Mitgliedschaft in Killerkommandos festgenommen und verurteilt worden. Zuletzt wurde im Januar Feldwebel Nelson Arriaza zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt. Er wurde für schuldig befunden, eine Gruppe von Auftragsmördern angeführt und zusammen mit zwei weiteren Polizisten und einem Zivilisten im vergangenen September einen Bauern ermordet zu haben.

Während eines Festaktes zum 15. Jahrestag der Zivilpolizei räumte PNC-Chef Romeo Granillo ein, daß es schwarze Schafe in der Polizeitruppe gegeben hat. Aber er versicherte auch, daß die kriminellen Elemente aus der PNC inzwischen entfernt wurden. Seinem Büro zufolge wurden 2006 400 Mitarbeiter wegen größerer Vergehen wie Erpressung, Raub und Entführung aus dem Polizeidienst entfernt. Jaime Martínez vom unabhängigen Lateinamerika-Rat des Instituts für vergleichende Studien der Straf- und Sozialrechtswissenschaften warnte vor Rückschritten und erinnerte daran, daß die UN-Wahrheitskommission bereits in den 90er Jahren bei der PNC eine »Tendenz zur Militarisierung« feststellen mußte.

* Aus: junge Welt, 23. Februar 2008


Zurück zur El-Salvador-Seite

Zurück zur Homepage