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Dritter Anlauf

Stichwahl in Ecuador: Unternehmer Noboa will mit allen Mitteln an die Macht gelangen

Von Timo Berger *

Bis zuletzt ist unklar, wer Ecuador in den kommenden vier Jahren regieren wird: der Bananenmagnat und überzeugte Neoliberale Álvaro Noboa oder der Verfechter eines gesellschaftlichen Wandels, Rafael Correa. Nach Angaben der Nachrichtenagentur AP weist keiner der beiden einen hinreichend klaren Vorsprung auf, um verläßliche Prognosen zu treffen: Nur drei bis sechs Prozentpunkte liegen zwischen den Kandidaten, und bis zu 20 Prozent der Wähler sind noch unentschieden. Die Anhänger des Drittplazierten, Gilmar Gutiérrez, des jüngeren Bruder des bei den Armen populären Expräsidenten Lucio Gutiér­rez, könnten den Ausschlag geben.

Dementsprechend wird Noboa, der Anführer der »Institutionellen Erneuerungspartei Nationale Aktion« (PRIAN), in der zweiten Runde von den konservativen und rechten Parteien unterstützt. Sein Programm ist bekannt: Er will das Land für ausländische Investitionen öffnen, ein Freihandelsabkommen mit den USA unterzeichnen und staatliche Betriebe und Dienstleistungen privatisieren.

Seinen dritten Anlauf im Rennen um die Präsidentschaft hat sich der Multimillionär und Unternehmer Noboa einiges kosten lassen: Großzügig ließ er in Armenvierteln Geschenke und Medikamente verteilen und gewährte Kleinkredite. Noboa gab so viel aus, daß das Oberste Wahlgericht vergangenen Freitag die Wahlkampfkonten der beiden Kandidaten einfror: Während Noboa das in Ecuador festgesetzte Limit von umgerechnet rund 690000 US-Dollar bereits um 52 Prozent überschritten hatte, lag sein Gegner Correa um 0,47 Prozent über der gesetzlichen Grenze.

Das Geld floß in einen Wahlkampf, der zu einer Schlammschlacht verkam. Gegenseitig warfen sich beide Kandidaten vor, eine »Schmutzkampagne« zu führen. Der Unternehmer Noboa mußte sich gefallen lassen, daß seine Wahlkampfversprechen für die Armen an den Zuständen in seinen Betrieben und Plantagen gemessen wurde. Die Ausbeutung der Arbeiter und die Tatsache, daß auf seinen Feldern Kinder arbeiten, stand im Zentrum. Die Veröffentlichungen kosteten dem 56jährigen einige Punkte in den Prognosen.

Der Anführer des »Bündnis Land« (Alianza País) und ehemalige Wirtschaftsminister Correa hat sich in klarer Abgrenzung von seinem Rivalen gegen den Freihandel mit den USA ausgesprochen. Dieser würde vor allem die 400000 Kleinbauern in Ecuador in den Ruin treiben. Statt dessen möchte er einen radikalen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik. Künftig sollen die Einkünfte des Staates stärker den benachteiligten Teilen der Gesellschaft zugute kommen. »Was die Nation braucht, ist Gerechtigkeit«, propagierte er. Correa definiert sich als »christlicher Linker« und »Verteidiger der lateinamerikanischen Einheit«. Auch wenn er sich in den vergangenen Wochen von seinem geistigen Mentor, dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez Frías, mit Blick auf die Wähler des Zentrums, distanziert hat, und nicht mehr von der Einführung eines »Sozialismus des 21. Jahrhunderts« sprach, so erklärte er doch weiterhin, daß er eine verfassunggebende Versammlung einberufen möchte. Auch sollte künftig weniger Geld für die Rückzahlung der Auslandsschulden bereitgestellt werden. Diese Positionen unterstützen linke Parteien und die einflußreichen Ureinwohnerorganisationen.

Wenige Tage vor dem zweiten Wahlgang warnte Correa nun vor einem Wahlbetrug. Der nur geringe Abstand zwischen ihm und Noboa ließe das befürchten, zudem werde das Oberste Wahlgericht von den rechten Parteien dominiert. Schon bei der Auszählung der Stimmen in der ersten Runde sei es zu Unregelmäßigkeiten gekommen, die ihn um 400000 Stimmen gebracht hätten.

* Aus: junge Welt, 23.11.2006


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