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Ecuadors Präsident Rafael Correa will das Volk über mehrere Verfassungsänderungen abstimmen lassen

Von Santiago Baez *

Nicht einmal zweieinhalb Jahre nach ihrem Inkrafttreten soll die neue Verfassung Ecuadors bereits reformiert werden. Dazu ist eine Volksbefragung notwendig, die Staatspräsident Rafael Correa Mitte Januar beim Verfassungsgericht des südamerikanischen Landes beantragt hat. »Wir müssen pragmatisch sein«, unterstrich er am Sonntag (30. Jan.) in einem Gespräch mit Journalisten des Fernsehsenders RTU, »und wenn es etwas gibt, das nicht funktioniert, muß dies so schnell wie möglich berichtigt werden«.

Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht dabei die von Correa angestrebte Justizreform. »Wir haben hier ein ernsthaftes Sicherheitsproblem, vor allem aufgrund der Korruption der Richter. Die Prinzipien der Verfassung sind nicht schlecht, aber wenn wir sie mit der Realität konfrontieren, sehen wir, daß die Richter es nicht verstanden haben, das neue Grundgesetz anzuwenden«, erläuterte der Staatschef im Fernsehinterview. Ein Dorn im Auge ist Correa vor allem, daß in der Vergangenheit immer wieder Straftäter aus dem Gefängnis entlassen werden mußten, weil die maximal zulässige Dauer ihrer Untersuchungshaft erreicht war. Künftig sollen zum einen diese Fristen verlängert werden und zum anderen »Ersatzmaßnahmen« wie etwa Hausarrest nur noch bei minder- schweren Delikten angeordnet werden dürfen. Eine dreiköpfige »technische Kommission«, deren Zusammensetzung von Parlament und Regierung bestimmt wird, soll 18 Monate lang die Reformierung der Justiz leiten.

Mit einer weiteren Maßnahme will Correa gegen die enge Verflechtung von Finanzkonzernen und Fernsehsendern vorgehen. Künftig sollen sich private Finanzinstitutionen und Medienunternehmen, ihre Direktoren und Anteilseigner nicht mehr an Geschäften beteiligen dürfen, die außerhalb ihres eigentlichen Aufgabenbereiches liegen. Über die ausgestrahlten Programme soll ein Regulierungsrat wachen.

Neben diesen Verfassungsänderungen sollen die Ecuadorianer außerdem über eine Reihe weiterer Vorschläge entscheiden. So möchte Correa die »unberechtigte private Bereicherung« zur Straftat erklären, um die Korruption besser bekämpfen zu können. Weiter sollen das Glücksspiel in Spielhallen und Casinos verboten und öffentliche Veranstaltungen unterbunden werden, bei denen Tiere getötet werden. Und schließlich soll eine Beschäftigung von Angestellten, die nicht sozialversichert sind, zur Straftat erklärt werden, um eine Ausbeutung der Arbeiter zu verhindern.

Die Opposition kritisiert, daß Correa mit den angestrebten Verfassungsänderungen seine Kompetenzen überschreite. Die Magna Charta könne nur durch eine neue verfassunggebende Versammlung geändert werden, nicht jedoch durch eine Volksbefragung, kommentierte beispielsweise Carlos Cordero Díaz am Montag in der Tageszeitung El Tiempo. Es komme nun darauf an, ob das Verfassungsgericht »politisch oder juristisch« entscheide.

Aber auch unter den bisherigen Verbündeten Correas gärt es. Ende vergangener Woche erklärte die sich als radikaldemokratisch verstehende Gruppe »Ruptura de los 25« ihren Austritt aus dem von Correa geführten Bündnis »Acuerdo País«. Die beiden Minister der Gruppe im Kabinett des Präsidenten, Alexandra Ocles und Juan Sebastián Roldán, legten ihre Ämter nieder. »Dieser Prozeß hat das Land verändert, und um diese Veränderung zu vertiefen, darf der Präsident seine Kompetenzen nicht überschreiten«, kritisiert die Gruppe in einer Erklärung. »Wir glauben, daß die vorgeschlagenen Fragen weder das Problem der Unsicherheit noch die Krise der Justiz in Ecuador lösen können.«

Das Verfassungsgericht des Landes hat bis Ende Februar Zeit, darüber zu entscheiden, ob die von Correa beantragte Volksbefragung rechtmäßig ist oder nicht. Wenn das Referendum zugelassen wird, muß der Nationale Wahlrat innerhalb von zwei Wochen die Abstimmung einberufen, die dann spätestens 75 Tage darauf durchgeführt wird.

* Aus: junge Welt, 1. Februar 2011


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