Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Latinos bestellen Obama zur Rede

Südamerikas Präsidenten wollen Treffen über US-Basen mit ihrem US-Konterpart

Von Gerhard Dilger, Porto Alegre *

Auf einem Gipfel der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito äußerten sich die Staatschefs am Montag (10. August) besorgt über die Absicht Kolumbiens, US-amerikanischen Soldaten Zugang zu sieben Militärstützpunkten zu gewähren.

Die Botschaft ist deutlich: Südamerikas Präsidenten möchten die Pläne für eine Aufstockung der US-Militärpräsenz in Kolumbien mit Barack Obama besprechen. Der Brasilianer Luiz Inácio »Lula« da Silva schlug vor, den US-amerikanischen Kollegen im Vorfeld der UN-Hauptversammlung im September zu einem Treffen in New York einzuladen. Schärfere Töne kamen vom venezolanischen Präsidenten: »Winde des Krieges beginnen wieder zu wehen«, sagte Hugo Chávez aus Venezuela.

Washington nimmt die von Ecuadors am Montag (10. August) wiedervereidigtem Präsidenten Rafael Correa verfügte Schließung des US-Stützpunkts in Manta zum Anlass, um Kolumbien mehr denn je zuvor zum militärischen Brückenkopf auszubauen. Auf den sieben Basen sollen bis zu 800 Soldaten und 600

Mitglieder privater Militärfirmen stationiert werden – angeblich ausschließlich für den Kampf gegen Drogenhandel und »Terrorismus«. Derzeit halten sich gut 300 US-Soldaten und etwa 100 Söldner in Kolumbien auf. Der Bolivianer Evo Morales erinnerte daran, wie er in den 90er Jahren als Gewerkschafter der Kokabauern von US-Militärs und ihren einheimischen Helfershelfern schikaniert worden war. Am entschiedensten wehren sich Rafael Correa und Hugo Chávez, die im Juli erneut von kolumbianischen Regierungsmitgliedern als Verbündete der FARC-Guerilla bezeichnet worden waren – offenbar, um von den Geheimverhandlungen mit den USA anzulenken. So wurde im Juli der alte Vorwurf aufgewärmt, die FARC hätten 2006 den ersten Wahlkampf Correas mitfinanziert. Schwedische Panzerfäuste wie jene, die jüngst in einem FARC-Lager gefunden wurden, nutzt Venezuelas Armee bereits seit den 80er Jahren.

In Quito sprang Lula da Silva ebenfalls in die Bresche: Es gebe immer noch Botschafter, die sich in Wahlen anderer Länder einmischten, sagte der brasilianische Präsident spontan. Im Hinblick auf die Ölvorkommen im Atlantik sei er zudem«zutiefst besorgt« über die Vierte Flotte der US-Marine, die im Juli 2008 nach 58 Jahren wieder aktiviert wurde und in den Wässern Lateinamerikas und der Karibik kreuzt.

In Brasilía hat man auch genau registriert, dass die USA bei der Neusortierung der Basen keineswegs nur den »Antidrogenkrieg« im Blick haben. Der zentralkolumbianische Luftwaffenstützpunkt Palanquero solle in einer Übergangszeit »genügend Luftmobilität auf dem südamerikanischen Kontinent garantieren«, heißt es im Strategiepapier der US-Luftwaffe »Global En Route Strategy«. Von dort aus deckt die Reichweite des zum Truppentransport genutzten Flugzeugs Globemaster C-17 praktisch das gesamte Amazonasgebiet, Peru und Bolivien ab. Die Argentinierin Cristina Fernández de Kirchner erklärte sich nun bereit, Ende August einen UNASUR-Krisengipfel in de Andenstadt Bariloche auszurichten. Dazu will sie, ganz im Sinne Lulas, den kolumbianischen Staatschef Álvaro Uribe einzuladen, der dem Stelldichein in Quito ferngeblieben war.

* Aus: Neues Deutschland, 12. August 2009


Das neue Amerika

Bei zweiter Amtseinführung von Ecuadors Präsident Correa demonstrieren UNASUR-Staaten Selbstbewußtsein

Von Benjamin Beutler **


Das dritte UNASUR-Treffen, das in Quito am Montag (10. Aug.) stattfand, machte den Eindruck einer Begegnung unter Freunden – eine locker wirkende Zusammenkunft der Union Südamerikanischer Nationen auf höchster Ebene. Formaler Grund des Gipfels im altertümlichen Kloster von San Agustín war das Ende der turnusmäßigen Präsidentschaft des Staatenbundes, dem alle Länder des südlichen Kontinents angehören. Nicht zufällig fiel das Treffen mit der Vereidigung von Ecuadors Präsidenten Rafael Correa zu dessen zweiter Amtszeit zusammen, die im Stadion Atahualpa der Hauptstadt vor über 50000 Menschen zelebriert wurde.

Correa nutzte die Gelegenheit, um in seiner Antrittsrede eine weitere Hinwendung zum Sozialismus anzukündigen. Die »Revolution der Bürger« hin zu einem Sozialismus des 21. Jahrhunderts sei »unumkehrbar« und nicht aufzuhalten. Er werde diesen Weg mit radikaleren Reformen weitergehen, zitierte AFP. Zugleich kündigte der 46jährige neue Maßnahmen an, um die einseitige Ausrichtung der Medienlandschaft an den Interessen der Reichen und Besitzenden zu verändern. Während seiner ersten Amtszeit sei sein größter Gegner »eine Presse mit eindeutig politischer Rolle« gewesen, die »keinerlei demokratische Legitimität« besitze.

Als Gastredner wurde in Quito Kubas Staatschef Raúl Castro gefeiert. Er verurteilte insbesondere die mehr als zurückhaltende Reaktion Washingtons auf den Staatsstreich in Honduras. Die Putschisten, so Castro, könnten »nicht einmal atmen ohne die Erlaubnis aus Washington«. Es sei kein Zufall, daß die USA ihre Vierte Flotte in die Region geschickt habe. »Wir müssen uns vorbereiten«, denn deren Geschütze seien schon jetzt »symbolisch auf uns« gerichtet.

Correa war Anfang 2007 ecuadorianischer Präsident geworden. Ein Schwerpunkt seiner ersten Amtszeit war die Bekämpfung der Armut. Mit einem Referendum im Herbst vergangenen Jahres erkämpfte er sich das Recht, für eine zweite Amtszeit zu kandidieren. Ende April wurde er für weitere vier Jahre wiedergewählt.

Nach den Feierlichkeiten zur Amtseinführung Correas als Präsident Ecuadors übernahm er auch innerhalb der UNASUR den Vorsitz. Diesen hatte zuvor Chiles Präsidentin Michelle Bachelet ein Jahr lang inne. Angereist zum Gipfeltreffen waren die Staatsoberhäupter Brasiliens, Luiz Inacio »Lula« da Silva, Argentiniens, Cristina Kirchner, Boliviens, Evo Morales, und Venezulas, Hugo Chávez. Sie wollten insbesondere über die Stationierung von US-Truppen in Kolumbien beraten. Dessen Staatsoberhaupt Alvaro Uribe war dem Treffen demonstrativ ferngeblieben. Mit dem Angriff kolumbianischer Streitkräfte in Zusammenarbeit mit US-Militär auf ein Lager der FARC-Guerilla im März 2008 hatte dieser eine diplomatische Krise mit dem südwestlichen Nachbarland heraufbeschworen. Bei dem Bombenangriff, bei dem FARC-Sprecher Raúl Reyes getötet wurde, war damals bewußt ecuadorianisches Hoheitsgebiet verletzt worden. Die Beziehungen zwischen Quito und Bogotá liegen seitdem auf Eis.

»Er soll aussteigen« aus UNASUR, schlug Chávez in einer Ansprache außerhalb des Protokolls vor. Uribe mache sich mit der geplanten Vergabe von sieben Militärbasen an die US-Streitkräfte zum Handlanger Washingtons. »Es gibt einige, die nicht mitlaufen wollen. Die Regierung Kolumbiens z. B. will nicht die Einheit, sie handelt sogar gegen die Einheit.« Chávez warnte vor dem militärischen Dominanzgebaren der Vereinigten Staaten gegenüber dem Integrationsprozeß Südamerikas in der UNASUR und der bolivarischen Wirtschaftsallianz ALBA. »Es riecht nach Krieg in Südamerika«, befand Venezuelas oberster Befehlshaber der Streitkräfte.

Der frisch gebackene UNASUR-Präsident Correa schlug dann optimistische Töne an. Die »Bank des Südens« werde weiter ausgebaut, ein gemeinsamer Währungsfonds solle angelegt und ein einheitliches Währungssystem angestrebt werden, so der gelernte Ökonom. Man wolle nicht »weiter von einer nichtregionalen Währung abhängen« wie dem Dollar und dem Euro, blickte Correa in die Zukunft. Außerdem sei eine neue Politik notwendig, um die »massive Auslandsverschuldung« abzubauen, die vielen UNASUR-Staaten wie ein Stein um den Hals hängt und eigenständige Entwicklungen blockiert.

Neueste UN-Zahlen deuten indes das Ende von 200 Jahren wirtschaftlicher Dominanz Washingtons über Südamerika an: Demnach wird China 2009 die USA als wichtigsten Handelspartner dort ablösen.

** Aus: junge Welt, 12. August 2009


Zurück zur Ecuador-Seite

Zur Lateinamerika-Seite

Zur Kolumbien-Seite

Zur Seite "Militärstützpunkte"

Zurück zur Homepage